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Gaspipeline und AKW im Visier?Putin reagiert auf Kämpfe im Grenzgebiet – Tausende Russen verlassen Kursk

Lesezeit 3 Minuten
Wladimir Putin bei einer Kabinettssitzung. Der Kremlchef äußerte sich am Mittwoch erstmals zu den Gefechten in der Region Kursk.

Wladimir Putin bei einer Kabinettssitzung. Der Kremlchef äußerte sich am Mittwoch erstmals zu den Gefechten in der Region Kursk.

Kremlchef Putin äußert sich zum ukrainischen Angriff auf Kursk. Die Schilderungen von Kriegsbloggern fallen anders aus als die des Kremls.

Angesichts der seit Dienstag anhaltenden Angriffe ukrainischer Kräfte auf die westrussische Grenzregion Kursk hat Russlands Präsident Wladimir Putin der Ukraine eine „groß angelegte Provokation“ vorgeworfen. „Wie Sie wissen, hat das Kiewer Regime eine weitere groß angelegte Provokation unternommen“, sagte Putin am Mittwoch in einem im Fernsehen übertragenen Treffen mit Regierungsvertretern. Die Ukraine feuere „wahllos, mit Waffen verschiedener Art, auf zivile Gebäude, Wohnhäuser und Krankenwagen“, behauptete der Kremlchef. Belege für die Vorwürfe präsentierte Putin dabei nicht.

Am Mittwochmorgen hatte der Regionalgouverneur von Kursk, Alexej Smirnow, im Onlinedienst Telegram von ukrainischen Angriffen mit Raketen und Drohnen geschrieben. Am Dienstag hatten die ukrainischen Streitkräfte nach russischen Angaben in Kursk mit rund 300 Soldaten, elf Panzern und etwa 20 weiteren gepanzerten Fahrzeugen die Region Kursk zu attackieren versucht. Am Mittwoch erklärte Moskau schließlich, rund 1.000 ukrainische Soldaten seien an der Offensive beteiligt.

Wladimir Putin spricht von „Provokation“ in Kursk

Dem russischen Verteidigungsministerium zufolge dauerten die Kämpfe am Mittwoch zunächst weiter an. Russische Soldaten hätten die ukrainischen Kräfte daran gehindert, „tief auf russisches Gebiet vorzudringen“, erklärte das Ministerium. Der Gouverneur von Kursk, Alexej Smirnow, erklärte derweil, tausende Menschen seien aus der Region in Sicherheit gebracht worden.

Kremlchef Wladimir Putin im Gespräch mit Sicherheitsratschef Sergei Schoigu und FSB-Chef Alexander Bortnikov.

Kremlchef Wladimir Putin im Gespräch mit Sicherheitsratschef Sergei Schoigu und FSB-Chef Alexander Bortnikov.

Nach Angaben des dem russischen Militär nahestehenden Telegram-Kanals Rybar nahmen die ukrainischen Kräfte drei Ortschaften ein. „Der Feind hat sich etwa zehn Kilometer tief über die Grenze hinein manövriert, und jetzt hört er nicht auf, Reserven heranzuziehen und Siedlungen zu besetzen“, hieß es in einem anderen russischen Telegram-Kanal.

Ukrainische Truppen dringen mehrere Kilometer nach Russland vor

Mehrere hochrangige ukrainische Vertreter wollten die Vorgänge im westrussischen Grenzgebiet auf Nachfrage diverser Medien unterdessen bisher nicht kommentieren. Auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erwähnte die Lage in der Region Kursk in seiner abendlichen Ansprache mit keinem Wort.

Der ukrainische Präsidentenberater Mychailo Podoljak spielte allerdings in einem Beitrag in Onlinemedien auf die Angriffe an – ohne diese jedoch ausdrücklich zu benennen. Moskau habe seine „Grenzregionen ungestraft für massive Luft- und Artillerieangriffe genutzt“, schrieb er.

Ukraine schweigt zu Angriff auf russische Grenzregion

Seit Beginn der russischen Militäroffensive im Februar 2022 haben pro-ukrainische Kämpfer eine Reihe von Attacken auf russische Orte in Grenznähe ausgeführt. Bisher waren an derartigen Angriffen jedoch nur Freiwilligeneinheiten wie die „Legion Freiheit Russlands“ oder das „Russisch Freiwilligenkorps“ beteiligt. Laut ukrainischen Medien soll das vom einst in Köln ansässigen Neonazi geleitete „Russische Freiwilligenkorps“ am derzeitigen Angriff aber nicht beteiligt sein.

Diese Angabe deckt sich mit Schilderungen russischer Kriegsblogger am Mittwoch. „Das ist keine Medienaktion von Idioten aus dem russischen Freiwilligenkorps, das ist eine echte Offensive und ein Durchbruch der Staatsgrenze der Russischen Föderation, die übrigens ‚heilig und unverletzlich‘ ist. Oder nicht mehr?“, hieß es in einem dem russischen Militär nahestehenden Telegram-Kanal am Mittwoch.

Russische Kriegsblogger: „Das ist keine Medienaktion von Idioten“

Die Gefechte in der russischen Region Kursk dauerten unterdessen auch am Mittwochabend noch an. Zuletzt kursierten einige Videos in den sozialen Netzwerken, die zeigen sollen, wie sich russische Truppen in großer Zahl ergeben. Mehr als 100 russische Soldaten sollen demnach festgenommen worden sein. Unabhängig überprüfen lassen sich diese Angaben derzeit jedoch nicht. Auch über das Ziel der ukrainischen Offensive herrscht noch Unklarheit.

Denkbar ist laut ukrainischen Militärexperten, dass Kiew die Truppen an der Front im Donbass entlasten und gleichzeitig russische Angriffe aus Kursk, wie von Podoljak angedeutet, unterbinden wolle. Auch Gerüchte, dass ein Atomkraftwerk in Kursk ein Ziel sein könnte, waren am Mittwoch aufgekommen. ZDF-Korrespondent Armin Coerper berichtete unterdessen auch über Gefechte nahe einer russischen Gaspipeline der Region. Es sei denkbar, dass russische Infrastruktur in Kursk bei der Offensive ins Visier genommen werde. (mit afp)