Julia SchultzVom Bergmuffel zur ersten Deutschen auf den höchsten Bergen der Welt
- Julia Schultz hat die höchsten sieben Berge aller Kontinente bestiegen, die sogenannten „Seven Summits“.
- Im Interview erzählt die Bergsteigerin, was passiert, wenn man auf dem höchsten Berg der Welt eine Träne verdrückt.
- Ihre Passion mag sie vor allem, weil es jeder machen kann – und man merkt, wie wenig es braucht, um glücklich zu sein.
Julia Schultz ist sie 40 und Hotelfachfrau – vor allem aber ist sie die erste Deutsche, die den Explorers Grand Slam geschafft hat. Sie hat die „Seven Summits“, die höchsten Gipfel aller Kontinente bestiegen – darunter den Kilimandscharo und den Mount Everest, dazu hat sie noch Nord-und Südpol zu Fuß erreicht.
Frau Schultz, früher waren sie ein Bergmuffel, am Ende haben Sie die höchsten Gipfel erklommen. Wie ist das passiert?
Julia Schultz: Das war eher Zufall. Erst habe ich mich nur für fremde Länder interessiert. Eigentlich mag ich es gemütlich und bin ein absoluter Genussmensch. Ich war auch nie besonders sportlich. Auf meinen Reisen nach Südamerika oder Asien stand dann aber zufällig auch mal ein Berg herum. Da hat es mich dann doch gepackt.
Die Berge, die Sie bestiegen haben, wurden immer höher. Da wird es doch eher ungemütlich?
Schultz: Ja, in der Höhe ist es schon rau. Wenn die Luft dünner wird, ist jeder einzelne Schritt anstrengend, man kommt schnell aus der Puste, es fühlt sich an als würde man Sirup einatmen. Oft bekommt man fiese Kopfschmerzen. Und manchmal war es nachts im Zelt so kalt, dass es mich geschüttelt hat.
Warum haben Sie es trotzdem immer wieder getan?
Schultz: Euphorie und Frustration wechseln sich beim Bergsteigen ab. In schwierigen Phasen habe ich auch geflucht. Was machst du hier? Das ist doch kein Urlaub! Und dann, kurz vor dem Gipfel fokussiert sich der Körper ganz neu, alles strafft sich, der Gipfel wirkt wie ein Magnet. Kopf und Blick sind auf einmal kristallklar. Dann dämmert es, die Sonne geht auf, das Eis glitzert, man steht da oben und alle Anspannung ist wie weggeblasen. Es hat mich auch gereizt, zu schauen: Was schafft mein Körper? Was kann ich?
Wie haben Sie sich in zähen Momenten motiviert?
Schultz: Wenn es anfängt weh zu tun, sage ich mir immer: Komm, nur noch eine halbe Stunde. Noch ein bisschen dranbleiben. Das geht eigentlich immer – auch zu Hause im Alltag. Es hilft auch, sich eine Strecke immer wieder in kleine Häppchen zu unterteilen. Nicht immer an das große Ziel am Ende zu denken, sondern sich zu sagen: Jetzt geh ich erst einmal nur bis zu dem Felsen da hinten und dann schauen wir weiter.
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Welche Fähigkeiten helfen einem noch bei solchen Herausforderungen?
Schultz: Ein Trick ist zum Beispiel, dass man am Anfang nicht zu schnell losläuft und sich eher hinten in seiner Gruppe einreiht, um zu schauen: Was ist mein eigenes Tempo? Wenn unter Männern manchmal so ein Wettbewerb entsteht, dass die sich beweisen müssen und immer in vorderster Front dabei sein müssen, kann das von Nachteil sein. Ich habe schon gesehen, dass solche Leute, die super Sportler sind und zu Hause Marathon laufen, als erste aufgeben mussten.
Wie hat Sie das Bergsteigen verändert?
Schultz: In den Bergen überkommt einen eine große Gelassenheit. Man merkt, wie wenig man braucht, um glücklich zu sein. Obwohl man ein Team hat, geht man tagsüber meistens schweigend bergauf, weil man die Puste für die Atmung braucht. Auch in der Antarktis bin ich acht Stunden gelaufen, ohne zu sprechen, nur Weiß um mich herum. Dabei habe ich erfahren, wie schön es ist, Stille zuzulassen. Ich habe gemerkt: Ich kann auch mit mir alleine sehr glücklich sein. Dann ist es auch nicht so schlimm, wenn man mal ein paar Jahre Single ist.
Buch-Tipp
Julia E. Schultz: „In Ringelsocken aufs Dach der Welt – Auf die höchsten Gipfel aller Kontinente“, Gmeiner-Verlag, 2020, 352 Seiten, 20 Euro
Was für ein Gefühl war es, als sie auf dem Mount Everest standen, dem höchsten Berg der Welt?
Schultz: Die Sicht war miserabel, ein Sturm zog auf. Das war tatsächlich der einzige Gipfel, auf dem ich schlechtes Wetter erlebt habe. Eigentlich konnte ich nur Weiß sehen. Und da oben ist es extrem eng. Immer mehr Menschen kamen und rissen vor Euphorie die Arme hoch. Ich hatte Angst den Halt zu verlieren. Das war alles gleichzeitig: Wow, höchster Punkt der Erde! Wir sind jetzt da! Hier ist aber auch ganz schön viel los! Und: Oje, wir haben gar keine Sicht! Ich war dann nur 10 Minuten auf dem Gipfel und habe eine kleine Freudenträne verdrückt, die sofort eingefroren ist.
Was würden Sie anderen Bergmuffeln raten?
Schultz: Man muss gar nicht so hoch hinaus. Einfach mal wandern gehen – auch in der Umgebung. Mir reicht jetzt auch gerade vollkommen unser Hausberg hier im Allgäu vor der Tür. Wunderschön!