Berlin/Köln – Das Fernweh bleibt, trotz Corona-Pandemie. Viele fragen sich, wann sie in diesem Jahr wieder reisen können – und wie sie ihren Urlaub jetzt planen sollen. Klar ist aktuell nur eines: Die Bundesregierung hat die bestehende Reisewarnung bis zum 14. Juni verlängert. Mindestens. Ansonsten gibt es viele Unklarheiten. Ein Überblick:
Wann werden Reisen wieder möglich sein?
Das ist die große Frage, die sich derzeit noch nicht beantworten lässt. Die Bundesregierung hat die weltweite Reisewarnung zunächst bis zum 14. Juni verlängert. Eine Entscheidung über die Sommerferien soll erst später fallen. Viele Reiseanbieter haben aber bereits ihre in kommender Zeit anstehenden Reisen abgesagt oder verlangen die Restzahlung für diese Urlaube nicht.
Es wird erwartet, dass zunächst Reisen innerhalb Deutschlands wieder möglich sein werden. Wann genau, ist offen. Nach dem Beschluss von Bund und Ländern sollen Übernachtungsangebote im Inland bis auf weiteres nicht für touristische Zwecke zur Verfügung gestellt werden.
Einreisestopp auf unbestimmte Zeit verlängert
Reisen ins Ausland dürften erst später wieder machbar sein. Derzeit gelten in vielen Ländern weiterhin Einreisestopps für Ausländer. Das öffentliche Leben ist eingeschränkt, Hotels sind geschlossen.
Mallorca zum Beispiel glaubt erst im August an eine Rückkehr des Tourismus, wie der balearische Tourismusminister Iago Negueruela laut einem Bericht der „Mallorca Zeitung“ sagte. Und in den USA etwa wurde der Einreisestopp auf unbestimmte Zeit verlängert.
Bekomme ich für einen abgesagten Pauschalurlaub das Geld zurück?
Wer eine Pauschalreise gebucht hat, hat den großen Vorteil, nur einen Vertrag abgeschlossen zu haben. Sich also nicht mit Hotel, Airline und Mietwagenanbieter, sondern nur mit einem Reiseunternehmen auseinandersetzen zu müssen. Nach geltendem Recht steht Pauschalurlaubern die Erstattung des Reisepreises binnen 14 Tagen zu, wenn der Veranstalter die Reise storniert hat.
Eine Erstattung ist ebenfalls bei einer offiziellen Reisewarnung für das Ziel oder bei dem Ausfall eines erheblichen Teils der Reise, zum Beispiel der Besichtigung von Sehenswürdigkeiten bei einer Rundreise, möglich. Das sagt der Kölner Rechtsanwalt Christian Solmecke. Die Reiseveranstalter pochen jedoch darauf, stattdessen Gutscheine ausgeben zu dürfen, um liquide zu bleiben. Das Argument: Andernfalls drohen massenhaft Insolvenzen.
Verbraucherschützer kritisieren Gutschein-Idee
Der Vorschlag stieß auf Kritik. Verbraucherschützer hatten den Vorschlag als „Zwangskredite der Verbraucher an die Unternehmen“ bezeichnet. Klar ist allerdings auch, dass es einigen Unternehmen nicht möglich sein wird, Kunden ihr ganzes Geld sofort zurückzuzahlen. Zudem geht es natürlich auch in dieser Branche um viele Arbeitsplätze.
Die Bundesregierung will die Gutschein-Lösung. Eine konkrete Idee sieht vor, Gutscheine bis Ende 2021 zu befristen, danach gebe es bei nicht erfolgter Einlösung das Geld zurück. Die Entscheidung, ob dies möglich ist, liegt aber in Brüssel. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stellte klar: Europaweit hätten die Menschen rein rechtlich die Wahl, ob sie das Geld oder einen Gutschein wollten.
Was bieten die Reiseveranstalter?
Veranstalter bieten auch weiterhin Erstattungen für Reisen an, die wegen Corona geplatzt sind. Alltours etwa hat angekündigt, Kunden mit gebuchten Reisen bis Ende April das angezahlte Geld zurückzuüberweisen. Auch Schauinsland Reisen zahlt nach eigenen Angaben Kundengelder für stornierte Reisen zurück.
Einige Veranstalter werben dagegen vor allem mit Rabatten für eine Verschiebung von geplatzten Urlaubsreisen. Tui bietet Kunden abgesagter Reisen bis zu 150 Euro „Reiseguthaben“ extra, wenn diese sich für eine Gutschrift entscheiden. Zudem gibt es bei Buchungen neuer Reisen bis Ende Juni 100 Euro pro Person obendrauf.
Reiseunternehmen kommen Kunden entgegen
DER Touristik „belohnt“ Kunden nach eigenen Angaben für die Gutschein-Wahl mit einem Bonus von 50 Euro. Angesichts der offenen politischen Diskussion um die Einführung von Gutscheinen lasse man den Kunden die freie Wahl, teilte der Veranstalter mit.
FTI aus München legt 200 Euro für Extra-Leistungen am Reiseziel drauf, wenn Kunden ihre stornierten Urlaube auf einen späteren Zeitpunkt umbuchen. Aida Cruises bietet einen Bonus von 10 Prozent für Gäste, die einen Gutschein akzeptieren.
Einlösbar sind diese Gutscheine, wie beim Vorschlag der Bundesregierung, bis Ende 2021. Wer diese bis dahin nicht nutzt, bekommt sein Geld zurückerstattet.
Was spricht für einen Gutschein – und was dagegen?
Der Deutsche Reiseverband (DRV) argumentiert so: Werden Veranstalter durch massenhafte Rückzahlungen in die Insolvenz getrieben, stünden auch die Kunden auf der Verliererseite. In der Tat hat die Pleite von Thomas Cook gezeigt, dass die Insolvenzversicherung bei großen Summen nicht reicht - und im Zweifel der Bund einspringen muss. Viele Urlauber warten hier immer noch auf ihr Geld.
Verbraucherschützer sehen das Gutschein-Modell jedoch kritisch und plädieren dafür, dass Verbraucher die Wahl haben sollten.
Wer einen Gutschein wählt, trägt ein gewisses Risiko. „Es kann keiner sagen, ob es den Veranstalter dann noch gibt“, sagt die Juristin Sabine Fischer-Volk von der Kanzlei Karimi in Berlin.
„Niemand weiß, welche Reisen in den nächsten Monaten durchgeführt werden können“
Zudem können auch Hotels, Airlines und andere Leistungsträger des Pauschalpakets in Schwierigkeiten geraten. „Wenn man bedenkt, dass viele Reisegebiete noch lange wirtschaftliche Probleme haben werden, kann möglicherweise sogar die gesamte Reise ins Wasser fallen“, sagt die Reiserechtsexpertin. „Ich verstehe die Branche, die jetzt um Liquidität bangt. Aber sie verschiebt das Problem von jetzt auf später. Niemand weiß, welche Reisen trotz langfristiger Buchung in den nächsten Monaten überhaupt durchgeführt werden können.“
Und außerdem dürfte es viele Verbraucher geben, die das Geld für die geplatzte Urlaubsreise jetzt brauchen - statt es dem Veranstalter zur Verfügung zu stellen, damit dieser über die Runden kommt. „Viele potenzielle Urlauber werden nach Corona selbst finanzielle Hilfe brauchen“, schätzt Fischer-Volk. „Da steht eine kostenintensive Urlaubsreise sicher nicht an erster Stelle.“
Soll ich meine Reise später im Jahr lieber stornieren?
Hier müssen Verbraucher abwägen. Wer jetzt eine Reise von sich aus storniert, könnte auf Stornogebühren sitzen bleiben. Denn womöglich wird die gebuchte Reise etwa im Sommer doch möglich sein. „Ich rate davon ab, jetzt zu stornieren“, sagt Fischer-Volk. Wer weiterhin verreisen will, falls das möglich ist, erfährt dann aber im Zweifel erst kurzfristig, ob die Reise tatsächlich stattfindet.
Wer seine Reise wegen der Pandemie dagegen gar nicht mehr antreten möchte, aber nun einfach abwartet, ohne zu stornieren, der läuft Gefahr, dass sich die Stornoentgelte für ihn erhöhen. Das gilt, falls zum Reisezeitpunkt dann eben doch keine unvermeidbaren, außergewöhnlichen Umstände mehr vorliegen. Nur diese berechtigen zum kostenlosen Rücktritt vom Reisevertrag.
Wie sieht es mit abgesagten Flügen aus?
Wegen der Corona-Pandemie mussten die Airlines unzählige Flüge absagen. Auch hier steht Kunden eigentlich die Erstattung des Ticketpreises zu. Das gilt auch, wenn der Flug zwar stattfindet, die Einreise ins Zielland aufgrund von dortigen Maßnahmen aber nicht möglich ist. Dann müsse die Fluggesellschaft einem Passagier schon am Abflughafen in Deutschland den Zutritt zum Flugzeug verweigern, so der Reiserechtsexperte Paul Degott. Da die Reise so nicht stattfinden kann, kommt Degott zu dem Schluss, dass Passagiere auch in dem Fall das Geld für ihr Ticket zurückbekommen.
Die Bundesregierung pocht nun bei der EU-Kommission darauf, dass auch für Flugtickets Gutscheine ohne Zustimmung des Kunden möglich werden – statt der Rückzahlung des Geldes. EU-Verkehrskommissarin Adina Valean machte bereits die Position der Behörde klar: „Die Fluggesellschaften haben die Möglichkeit, Gutscheine statt Erstattungen anzubieten, aber die Passagiere müssen dem zustimmen.“ So stellt etwa auch die Lufthansa klar: Erstattungen blieben grundsätzlich möglich. Man bitte nur um Verständnis, dass dies derzeit nicht innerhalb der üblichen Fristen möglich sei.
Geduldsproobe für Fluggäste
Bei so mancher Airline werden Verbraucher offenbar allerdings auf eine Geduldsprobe gestellt. Auszahlungen verzögern sich oder werden von den Fluggesellschaften schlicht verweigert, wie Mitarbeiter von Reisebüros auf Tourismus-Portalen berichten.
Meist ist es für Fluggäste ratsam, nicht selbst zu stornieren und bei einer Annullierung durch die Fluggesellschaft auf eine Rückzahlung des Geldes zu pochen – falls dies gewünscht ist.
Was bieten die Fluggesellschaften?
Die Airlines wollen ihre Kunden zum Umbuchen bewegen und bieten daher außergewöhnlich kulante Umbuchungsmöglichkeiten. Häufig lassen sich Flüge ohne Mehrkosten flexibel in die Zukunft verschieben. Teilweise lässt sich sogar das Reiseziel ändern. Allerdings gilt auch hier: Wann welche Reisen wieder möglich werden, ist offen.
Kann ich jetzt schon einen neuen Urlaub buchen?
Das ist natürlich möglich, aber mit großen Unsicherheiten behaftet. Noch ist ja nicht klar, wann welche Länder wieder bereist werden können. Fischer-Volk rät: „Abwarten und nichts Neues buchen, weil nicht absehbar ist, wann man wieder ohne Angst reisen kann.“
Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen riet dazu, mit der Buchung des Sommerurlaubs noch zu warten. „Für Juli und August kann derzeit niemand verlässliche Vorhersagen machen“, sagte sie der „Bild am Sonntag“.
Unterkünfte lassen sich auf vielen Portalen im Internet mit kulanten Storno-Optionen buchen. So ist es oft möglich, den Aufenthalt noch bis einen Tag vor Anreise kostenlos zu stornieren – dafür zahlt man etwas mehr. Wer plant, mit dem eigenen Auto anzureisen, geht in diesem Fall praktisch kein finanzielles Risiko ein.
Wie sieht es mit Ferienwohnungen und Ferienhäusern aus?
Wer eine Ferienunterkunft bucht, schließt einen Beherbergungsvertrag ab, der ohne besondere Gründe nicht einfach gekündigt werden kann. Anders sieht es aus, wenn die touristische Vermietung wie derzeit behördlich komplett untersagt ist oder die Gefährdungslage durch Corona vom RKI als hoch eingestuft wird.
„In diesem Fall kann der Gast aus unserer Sicht kostenfrei stornieren“, teilt der Deutsche Ferienhausverband mit. Das sehen auch mehrere Anwälte und Rechtsexperten so. Grundlage sei hier eine sogenannte Unmöglichkeit, festgehalten unter §275 des BGB. Das gilt aber immer nur für die Zeit der behördlichen Einschränkungen. „Wenn ein Gast eine Buchung für einen späteren Reisezeitpunkt stornieren möchte, für den noch keine Beschränkung vorliegt, kann er zu den regulären Stornobedingungen zurücktreten.“ Sprich: Es fallen die in den AGB ausgewiesenen Stornogebühren an.
Die Verschiebung eines Aufenthalts sei eine Kulanzentscheidung des Gastgebers, so der Verband. „Aufgrund der Ausnahmesituation zeigen sich viele Gastgeber kulant und bieten an, auf einen späteren Zeitpunkt kostenlos umzubuchen.“
Hilft mir die Reiserücktrittsversicherung?
Eine Reiserücktrittskostenversicherung sichert Verbraucher gegen Stornokosten ab. Sie tritt aber generell nicht ein, wenn es Krisen im Reiseland gibt – also etwa bei Ausnahmezustand oder „Lockdown“.
Die Versicherung greift im Prinzip, wenn der Versicherte selbst krank wird oder etwa durch den Tod von Verwandten, Arbeitslosigkeit und Kurzarbeit verhindert ist und nicht wie geplant reisen kann. Durch Corona gilt dies aber teils nicht mehr.
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Die WHO hat Corona offiziell als Pandemie eingestuft. Viele Versicherer sehen laut den Verbraucherzentralen vor, dass „Schäden, Erkrankungen und Tod infolge von Pandemien“ nicht versichert sind. Am besten schaut man in die genauen Bedingungen des Vertrags. (dpa/tli)