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In Sachen LiebeIst Fremdgehen an Karneval tatsächlich nur ein Kavaliersdelikt?

Lesezeit 3 Minuten
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Karneval, alle feiern und bützen – und der Partner ist fremdgegangen. Ist das noch ein Kavaliersdelikt?

  1. Was gibt es Schöneres und Wichtigeres im Leben als die Liebe? Wie wir sie finden, pflegen und sie uns erhalten; was geschieht, wenn sie vergeht oder wir sie verlieren – darum geht es in unserer PLUS-Kolumne „In Sachen Liebe“.
  2. Im wöchentlichen Wechsel beantworten die erfahrenen Psychologen Damaris Sander und Peter Wehr sowie Urologe Volker Wittkamp und Schauspielerin Annette Frier Ihre Fragen rund ums Liebesleben, Sex, Kindererziehung und alles, was Paaren begegnet.
  3. In dieser Folge stellt sich Damaris Sander der Frage, ob das Fremdgehen an Karneval wirklich nur ein „Kavaliersdelikt" ist.

KölnIch (37) bin kürzlich zu meinem Freund nach Köln gezogen. Natürlich war Karneval jetzt ein Thema. In dem neuen Freundeskreis sagten sinngemäß alle: Fremdgehen an Karneval ist ein Kavaliersdelikt. Mein Freund hat das zwar auf meine Nachfrage von sich gewiesen. Aber er hat schon auch durchblicken lassen, dass da im Allgemeinen was dran sei. Mich irritiert das. Gibt es tatsächlich eine besondere Toleranz, einen Treue-Rabatt an Karneval? Und kommen „echte Kölner“ damit wirklich besser zurecht?

Auf Ihre Fragen werden Sie, wenn Sie sich umhören, sehr unterschiedliche Antworten bekommen. Die einen werden das Fremdgehen an Karneval als eine akzeptable, weil ritualisierte und tradierte Lösung sehen für die immerwährende Ambivalenz zwischen dem Bedürfnis nach einer verlässlichen, intimen Beziehung und dem Wunsch nach Neuem, nach Bestätigung von Außen, nach Freiheit und Abenteuer. Für den Zwiespalt zwischen Ordnung und Chaos. Erst kommt der Seitensprung und dann die Nubbelverbrennung. Die anderen werden sagen, dass das alles Quatsch sei, und dass erwachsene Menschen stets für ihr Verhalten verantwortlich bleiben, egal an welchem Tag des Jahres. Möglicherweise stoßen da katholische und protestantische Prägung aufeinander.

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Damaris Sander ist Psychologin.

Aber meine Aufgabe ist es ja nicht, Ihnen als Ethnologin die kölsche Seele zu erklären, sondern Ihnen als Psychologin zu antworten. Und aus psychologischer Sicht ist relevant, dass Sie irritiert sind. Von daher ist es für Sie und Ihre Paarbeziehung nicht von Bedeutung, ob Kölnerinnen und Kölner ohne größere emotionale Blessuren an Karneval fremdgehen oder nicht, sondern wie Ihr Freund und Sie es mit den jecken Tagen halten wollen. In dieser Hinsicht scheint Ihr Freund sich bisher nicht deutlich zu positionieren, was bei Ihnen Unbehagen auslöst.

Richtig ist, was sich für beide gut anfühlt

Gut ist ja, wenn es uns gelingt, unsere inneren Konflikte zu lösen, ohne uns und anderen zu schaden. Heißt konkret für den Karneval: Fremdgehen ist in Ordnung, wenn beide sich darauf verständigen können und es zu einem echten Konsens kommt, der nicht durch Abhängigkeiten oder Druckmittel verzerrt ist. Wichtig ist es dabei, sich einerseits bezüglich der eigenen Verletzbarkeit nicht in die Tasche zu lügen und andererseits die Freiheiten, die man sich selber nehmen möchte, auch dem Partner, der Partnerin zuzugestehen. Ich wage mal die These, dass ein guter Teil der Toleranz, die in Ihrem neuen Freundeskreis propagiert wird, diesen Test nicht besteht. Aber das sei dahingestellt.

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Es kann sich auch lohnen, konkret zu besprechen, was der Einzelne als „Fremdgehen“ empfindet. Da sind die Grenzen nämlich sehr unterschiedlich. Häufig wird das Bedürfnis nach mehr Freiheit ungleich verteilt sein, und dann steht die Frage im Raum, warum das so ist: Erlebt Partner A Partner B als kontrollierend, traut sich übers Jahr aber nicht, dagegen zu protestieren? Ist Partner C so sehr in Routinen gefangen, dass Partner D sich langweilt? Da ist man dann weg von regionalen Gebräuchen und mittendrin im ganz konkreten Beziehungsgeschehen.

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Schicken Sie Ihre Frage an: in-sachen-liebe@dumont.de

Also: Pfeifen Sie auf kölsche Traditionen, und klären Sie mit Ihrem Freund, wie Sie es mit Karneval halten wollen! Um sich dann 2021 fröhlich ins Getümmel zu stürzen.