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Wenn nur einer willMit sexueller Unlust muss man nicht leben!

Lesezeit 3 Minuten
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Er will, sie nicht......

  1. Im wöchentlichen Wechsel beantworten die Psychologen Damaris Sander und Peter Wehr sowie Urologe Volker Wittkamp und Schauspielerin Annette Frier in der Kolumne „In Sachen Liebe” Ihre Fragen rund ums Liebesleben, Sex und alles, was Paaren begegnet.
  2. In dieser Folge befasst sich Psychologin Damaris Sander mit dem Thema „Sexuelle Unlust" .
  3. Ihre These: Wenn einer der Partner nicht will, kann es an der Scheu liegen, sich selbst sexuell zu erkunden.

Frage: Ich habe in meinem nunmehr fast 50-jährigen Leben nur sehr selten wirkliches sexuelles Verlangen verspürt und halte mich deswegen für nahezu asexuell. In meiner 17-jährigen Ehe spielt Sex dennoch eine wesentliche Rolle, weil mein Mann ein – wie ich finde – eher überhöhtes Interesse daran hat und das auch ausleben möchte – allerdings nur mit mir. Nun haben wir also eigentlich ständig Sex (mehrmals die Woche jedenfalls). Nur dass ich eben keinerlei Begierde oder Lust oder ähnliches verspüre, führt bei meinem Mann gelegentlich zu Frustration und zu Selbstzweifeln, weil er das natürlich auf sich bezieht. Meinen Sie, ich muss damit leben?

Nein, müssen Sie nicht! Die Frage, ob Sie asexuell sind oder nicht, ist nicht ohne weiteres zu beantworten. Der Umstand, dass Sie in der Vergangenheit schon sexuelles Verlangen empfunden haben, spricht aber eher dagegen.

In einer Studie, die sich mit Sexualpraktiken befasst, gibt ein Prozent der Befragten an, bisher noch nie sexuelle Anziehung verspürt zu haben. Asexualität ist also ein vergleichsweise seltenes Phänomen; häufiger ist eine Störung des sexuellen Verlangens.

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Damaris Sander ist Psychologin.

Der sexuelle Appetit entsteht in einem Zusammenspiel körperlicher, seelischer und sozialer Faktoren. Wie vielleicht in keinem zweiten Lebensbereich wird hier deutlich, dass diese Ebenen eng verwoben sind. Körperliche Gründe für sexuelle Unlust können in einem hormonellen Ungleichgewicht liegen oder auch schlicht darin, dass Mann oder Frau die eigenen Lust-Trigger nicht gut kennt und die sexuellen Praktiken des Partners gewissermaßen „am Bedarf vorbei“ gehen.

Dahinter stehen wiederum häufig die Scheu, sich selbst sexuell zu erkunden und Bedürfnisse zu äußern. Da ist dann direkt der Übergang zur Ebene der Beziehung: Sexuelle Unlust kann Ausdruck von Kommunikationsproblemen in der Partnerschaft sein. Häufig werden auf diesem Feld aber auch Beziehungskonflikte spürbar. Psychische Blockaden wiederum können auf einer lustfeindlichen Prägung im Elternhaus beruhen; Stress und Kummer sind ebensolche Lustkiller wie depressive Erkrankungen oder frühe Traumatisierungen.

Neues ausprobieren

Wie Sie sehen, tut sich da eine ganze Gemengelage auf. Mein Rat in Ihrer konkreten Situation ist, zunächst einmal die für Sie unbefriedigende Sexualpraktik zu beenden. Sie haben sich lange an die Bedürfnisse Ihres Mannes angepasst, ohne dass das Sie beide zufrieden stellt. Es spricht also viel dafür, etwas Neues zu probieren.

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Von da aus kann es in verschiedene Richtungen weitergehen. Wenn Sie etwas an der Unlust ändern wollen, sollten Sie sich an die Ursachenforschung begeben. Heißt konkret: Lassen Sie sich ärztlich untersuchen, um etwaige körperliche Ursachen abzuklären, und suchen Sie für eine weitergehende Diagnose eine sexual- oder psychotherapeutische Praxis auf.

Von der Diagnose wird das weitere Vorgehen abhängen. In der Sexualtherapie wird in konkreten Übungen neues, lustvolles Sexualverhalten entwickelt, in der Psychotherapie untersucht man die Funktion der „Lustbremse“, so dass diese gelöst werden kann.

Professionelle Paarberatung

Wenn Sie nicht unter dem Mangel an Lustempfinden leiden, sondern darunter, dass Ihre Bedürfnisse und die Ihres Partners inkompatibel sind, sollten Sie sich diesem Konflikt stellen und zusammen nach Lösungsmöglichkeiten suchen.

Da die gemeinsame Sexualität von vielen Menschen als Kernbereich der Partnerschaft empfunden wird, können Unstimmigkeiten in diesem Bereich allerdings sehr emotional diskutiert werden. Es kann deshalb durchaus sinnvoll sein, sich bei diesem Schritt durch eine professionelle Paarberatung begleiten zu lassen.