DachzeltnomadeThilo Vogel lebt seit vier Jahren in einem Zelt auf dem Auto
- Thilo Vogel liebt die Natur, den Blick in die Ferne und die Mobilität.
- Dafür hat der 41-Jährige seine Wohnung in Aachen aufgegeben. Seit vier Jahren lebt er in einem Dachzelt.
- Im Interview erklärt der Fotograf uns, wie das überhaupt funktioniert.
Köln – Abenteuerlust und Liebe zur Natur: Vor vier Jahren hat Thilo Vogel seine Wohnung in Aachen gegen ein Zelt auf dem Auto eingetauscht, ohne Dusche, ohne Küche. Doch so kommt der Abenteurer viel herum. Ein Gespräch über Parkplätze, fließendes Wasser und über die wenige Tage im Jahr, die er doch noch zwischen vier Wänden verbringt.
Herr Vogel, welchen Ausblick haben Sie gerade?
Thilo Vogel: Gerade stehe ich tatsächlich auf einem Supermarkt-Parkplatz in Leipzig. Ich hatte mich in der Stadt mit einem Freund verabredet, weil wir eine Podcast-Folge aufnehmen wollen. Wenn ich in der Stadt bin, schaffe ich es nicht immer rauszufahren, um in der Natur zu übernachten. So ist das Van-Leben: Nicht immer geht es um den Sonnenuntergang, sondern darum, einen Internetanschluss zu finden.
Wonach entscheiden Sie, wo Sie übernachten?
Vogel: Nach dem Bauchgefühl, nach Lust und Laune – darum geht es mir vor allem. Aber ich muss auch Termine wahrnehmen oder meine Familie und Freunde besuchen. Der Supermarkt-Parkplatz ist nur ein Plätzchen für meine Arbeitstermine. Ansonsten gibt es kaum Kriterien, außer dass ich probiere, viel in der Natur zu sein.
Thilo Vogel...
...liebt die Natur, den Blick in die Ferne und die Mobilität. Dafür hat der 41-Jährige sein Fotostudio in Aachen aufgegeben. Seit vier Jahren lebt er in einem Dachzelt. In seiner Facebook-Gruppe „Dachzeltnomaden“ tauschen sich knapp 25 000 Camper aus. Unterwegs ist er mit seinem Ford Mondeo mitsamt Dachzelt – inklusive Küchenkiste, Wasserkanister und Standheizung. Vogel legt bis zu 45 000 Kilometer pro Jahr zurück.
An wie vielen Orten leben Sie pro Jahr?
Vogel: Ich bin fast jeden Tag woanders. Manchmal bleibe ich auch ein oder zwei Nächte an einem Ort, aber spätestens jeden dritten Tag wechsele ich den Standort. Für mich ist das eine gute Abwechslung und dann habe ich wieder Lust weiterzuziehen. Das Reisen ist ein wichtiger Bestandteil meines Lebens. Ich mag das Freiheitsgefühl, bin sehr gerne unterwegs, um Land und Leute zu entdecken.
Was war der spektakulärste Ort, an dem Sie übernachtet haben?
Vogel: Oh, das sind so unglaublich viele. Aber: Ich habe spontan einige Bilder im Kopf. In Spanien stand ich beispielsweise einmal auf der Klippe und konnte direkt das Meer sehen. Links von mir war eine einsame Sandbucht, halbmondförmig. Rechts war die Klippe - das war eine Landschaft wie in Tolkins »Der Herr der Ringe«. Atemberaubend. Da stand ich auch länger als drei Tage.
Sie könnten auch mit einem Wohnmobil reisen. Warum haben Sie sich für das Dachzelt entschieden?
Vogel: Jeder Jeck ist anders. Der eine findet meine Lebensweise stressig, der andere findet es anstrengend, immer den gleichen Tagesablauf zu haben. Unterwegs sein – das muss nicht mit einem Dachzelt passieren. Jeder kann ausprobieren, was er will und was er dafür braucht. Ich möchte viel reisen und brauche wenig. Wenn du dir Gedanken darüber machst, dann findest du die richtige Lösung für dich. Den geregelten Alltag brauche ich nicht. Aber ob Expeditionsmobile, Wohnmobile oder ein Tiny House – das alles gehört zu einer Bewegung, in der es um „weniger ist mehr“ geht. Was brauche ich wirklich? Das ist die Frage, die ich mir gestellt habe.
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Haben Sie schon immer wenig gebraucht?
Vogel: Ich hatte noch nie das Bedürfnis, Dinge anzuhäufen. Mich belasten Sachen eher als dass sie mich zufrieden machen.
Vermissen Sie manchmal ein festes Zuhause mit fließendem Wasser?
Vogel: Wenn du darauf achtest, dass du immer genügend Wasser im Kanister hast, brauchst du dir keine Sorgen um das Wasser zu machen (lacht). Aber wenn ich doch mal das Bedürfnis habe, in einem Haus zu schlafen, dann miete ich mich irgendwo ein, buche ein Hotel oder eine Ferienwohnung. Der Bedarf ist aber nicht da. Ich kann an vier Händen abzählen, wann ich das in den vergangenen vier Jahren mal gemacht habe. Meistens, wenn ich krank war. Ansonsten brauche ich das nicht.
Welche Vorteile hat das Dachzelt für Sie?
Vogel: Ich bin näher an der Natur, näher am Abenteuer. Mein Bedürfnis nach Freiheit wird so gestillt und ich bin unabhängig, mich immer und überall hinbewegen zu können. Das Dachzelt ist meine Höhle, dort kann ich chillen, Kind sein, die Natur beobachten. Ich bin Wind und Wetter ausgesetzt und kann mich selber spüren.
Ihre drei Tipps für Dachzelt-Interessierte?
Vogel: Erstens: ausprobieren. Vielleicht leiht man sich erst einmal ein Dachzelt für ein Wochenende, bevor man sich direkt eins kauft. Dann kann man selbst erfahren, was man braucht, ein Klappdachzelt, ein Hartschalen- oder Hybridzelt. Zweitens: einfach machen. Es gibt so viele Leute, die sich Gedanken machen: Was muss ich einpacken, wird es zu kalt oder zu warm? Ich finde, sie sollten einfach ihre Klamotten einpacken und es ausprobieren. Dann werden sie sehen, wie es läuft, anschließend kann man immer noch optimieren. Drittens: im Vorfeld informieren. Wenn jemand eher auf Sicherheit geht, dann kann man sich mittlerweile super informieren. Im Netz, aber auch bei Veranstaltungen oder Treffen von Dachzelt-Fans. Das ist ja das Tolle an uns Dachzeltnomaden: Wir sind eine eingeschworene Gemeinschaft geworden, die zusammen etwas erleben und sich austauschen möchte.
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Wie groß muss eigentlich das Auto sein, auf dem das Dachzelt steht?
Vogel: Das ist vom eigenen Bedarf abhängig. Dachzelte gibt es beinahe für jedes Automodell. Wenn man schon ein Auto hat, braucht man sich kein Campingmobil kaufen, wenn man sich für ein Dachzelt entschieden hat. Das ist ein super Vorteil. Man kann nutzen, was vorhanden ist. Man muss ja nicht direkt die Sitze ausbauen, so wie ich das gemacht habe.
Mittlerweile ist ein richtiger Hype um das Dachzelt entstanden. Finden Sie das gut?
Vogel: Ich freue mich darüber, dass viele Leute meine Leidenschaft teilen. Ich habe keine Probleme damit, dass immer mehr Menschen auf diese Art und Weise unterwegs sind. Darin sehe ich eher einen Vorteil, und zwar für jeden. Denn es ist eine große Chance, dass ein Umdenken in unserer Gesellschaft stattfindet. In den vergangenen Jahren ging es immer nur ums höher, schneller, weiter. Jetzt hat Corona uns das Stoppschild gezeigt und die Leute gehen zurück zu den Basics.
Welche Menschen machen gerne im Dachzelt Urlaub? Was sind das für Leute?
Vogel: Vom Single bis zur Großfamilie, vom Handwerker bis hochstudiert – sie alle sind dabei. Ich habe festgestellt, dass die meisten sehr aufgeschlossene Menschen sind. Das sind ja eh die meisten Camper, weil man sich viel draußen bewegt. Man ist nicht ab- und ausgeschlossen, muss in Kontakt treten, wenn man irgendwo wild steht. Unter dem Strich aber sind die Menschen, die mit dem Dachzelt unterwegs sind sehr offen und hilfsbereit.
Welches Ziel steht als nächstes an?
Vogel: Als nächstes besuche ich meine Mutter zum Geburtstag. Es ist Familien-Zeit angesagt.
Und welches weitere Ziel ist noch Ihr Traum?
Vogel: Ich würde gerne mit einem VW-Käfer von Alaska bis Feuerland fahren, die ganze Tour durch Amerika. Natürlich mit Dachzelt.