Ein Jahr AuszeitWie ein deutsches Paar auf einer Südsee-Insel sein Glück fand
Nina und Adrian Hoffmann sind beide Ende 20, als sie sich fragen, was sie aus ihrem deutschen Durchschnittsleben machen wollen. Sie beschließen, einen Ausstieg zu wagen. Sie kündigen ihre Jobs und lassen alles zurück, um ein Jahr auf einer einsamen Insel im Königreich Tonga zu leben. Nur ihren Hund Sunday nehmen sie mit. Ihre Erlebnisse hat das Ehepaar, das in Freiburg lebt, nun in dem Buch „Eine Insel nur für uns“ aufgeschrieben. Im Gespräch erzählen die beiden von Einsamkeit, unentbehrlichen Angelhaken, unwichtigen iPods und ihrem süßen Leben ohne Verpflichtungen.
Ihr habt für ein Jahr allein auf einer kleinen Insel in der Südsee gelebt. Was war der Auslöser, um diesen Schritt zu wagen?
Nina und Adrian Hoffmann: Die Sehnsucht nach einem Leben ohne Verpflichtungen. Wir haben schon ein paar Jahre zuvor bei einem längeren Urlaub auf den Fidschi-Inseln erlebt, wie sich das anfühlt. Wir werden noch so viele Jahre arbeiten. Wir werden Termine haben, mit gestressten Leuten zu tun haben, die ihren Stress großzügigerweise an uns weitergeben, obwohl wir nie zugestimmt haben. Auf diesen kleinen Inseln kann es so gemütlich sein, selbst wenn man auf vieles verzichtet, was für uns in Deutschland eigentlich unverzichtbar ist. Wie zum Beispiel Internet. Es ging uns nie nur um ein Abenteuer oder Survival oder so etwas. Wir wollten einfach eine gute Zeit haben.
Was war euer größtes Hindernis? Was hielt euch am längsten zurück?
Den Job zu kündigen kostet uns Deutsche wohl die meiste Überwindung. Dabei ist das halb so wild. Die Wohnung auflösen, das Auto verkaufen – all das macht auch keinen Spaß. Aber als wir erst mal unsere Entscheidung getroffen hatten, ging vieles wie von alleine. Und vor allem: Wir beide wollten es. Das ist alles eine Kopfsache.
Es ist eine einsame Insel, die noch nicht mal direkt durch ein Schiff angefahren wird. Ihr musstet auf der nächstgelegenen bewohnten Insel einen Fischer finden, der euch weiter zu eurer Insel bringt. Wie kamt ihr auf diese abgelegene, im Nichts liegende Insel?
Das war genau unser Ziel. Möglichst weit abgelegen, möglichst schlecht erreichbar. Das macht die Sache natürlich nicht unbedingt leichter. Aber es ist fast die einzige Chance für uns, wirklich herauszukommen aus dem System. Seien wir doch ehrlich: Wir sitzen doch alle mit unseren Smartphones am Strand und sind bei WhatsApp und dergleichen, sobald wir zwei Wochen Urlaub haben. Wirklich herauskommen, in Gedanken frei sein – das klappt so nicht. Ja, wir geben zu: in gewisser Weise war es eine Flucht.
Es war auch wichtig, dass die Insel nicht nur weißen Sandstrand hat, sondern auch gute Erde, um Gemüse anzupflanzen. Plus jede Menge Kokosnusspalmen. Dass wir dann tatsächlich auf diese Insel konnten, war Zufall. Wir hatten Glück, die amerikanischen Eigentümer ausfindig machen zu können – und dass die auch noch gerade jemanden brauchten, der nach der Insel schaut.
Ihr wart zuvor schon einmal auf einer Fidschi-Insel. Haben euch bei der ersten Reise ähnliche Motive angetrieben? War die Erfahrung vergleichbar oder wart ihr als ganz normale Urlauber unterwegs?
Wir waren ein paar Monate dort und erst auf einer größeren, bewohnten Insel – allerdings war das eine, auf der kaum Touristen unterwegs sind. Am Anfang hielten uns viele Locals für normale Urlauber, das hat sich später geändert. Wer öfter als drei Mal an einem Insulaner vorbeiläuft, kann dort kein Urlauber mehr sein. Dann haben wir von einer einsamen Insel erfahren und die Möglichkeit bekommen, für einige Wochen dorthin zu gehen. So hat alles angefangen.
Im Buch schreibt ihr über die Fidschi-Insel: »Mitten im weiten Ozean, mitten im Nichts. Ein kleines Sandkorn auf der Seekarte, auf den meisten Karten nicht einmal vermerkt. Unerreichbar für jeden, der nicht um ihre Existenz weiß. Sie ist etwa vierhundert mal hundert Meter groß«. Die Situation auf eurer tongaischen Insel sah wahrscheinlich ähnlich aus. Ist das nicht eine beängstigende Vorstellung, komplett abgeschnitten von der Welt zu sein?
Ja, das ist die Fidschi-Insel gewesen, die hier beschrieben wird. Die Insel in Tonga ist etwa 1000 Meter lang und 300 Meter breit. Es stimmt schon: Wenn etwas Ernstes passiert, egal was, bist du in dieser extremen Abgeschiedenheit aufgeschmissen. Wichtig war uns deshalb, einen Notfallplan zu haben. Wir hatten Kontakte zu Seglern, die uns zur Not hätten abholen können. Es wäre auch fast so gekommen, aber das Schicksal hat sich im letzten Moment gewendet. Das mit dem Risiko ist immer so eine Sache: Wer in Deutschland auf der Landstraße von einem Ort zum nächsten fährt, lebt vielleicht gefährlicher als derjenige, der in Tonga mit Riffhaien in einer abgelegenen Lagune schnorchelt.
Die Vorteile sind: Du kannst dich auf das Wesentliche konzentrieren und du kannst machen, was du willst. Zum Beispiel nackig durch die Gegend laufen, den ganzen Tag fischen – und niemand will irgendetwas von dir wissen. Du bist raus, als würdest du gar nicht mehr existieren. Dabei besitzt du dein ganz eigenes kleines Universum. Natürlich gibt es auch Nachteile: Ab und an ein kaltes Bier, ein Eisbecher mit Sahne – das wäre schon was. Ehrlich: Wir haben das Essen und Trinken, das wir in der Zivilisation gewohnt sind, genauso sehr vermisst wie unsere Freunde. Eine Ehre für unsere Freunde, finden wir.
Was hättet ihr konkret gemacht, wenn ihr euch nicht mehr selbst hättet helfen können, zum Beispiel bei schweren Verletzungen oder Erkrankungen?
Im Extremfall hätten wir die Insel verlassen. So, wie es eben möglich gewesen wäre. Je nach Wetter hätte es schon mal zwei Wochen dauern können, bis wir zur Hauptinsel und somit zu ärztlicher Versorgung hätten zurückkehren können. Wir hatten Glück, dass nichts passiert ist. Verantwortungslos war unser Handeln trotzdem nicht. Wir waren sehr vorsichtig, planten weit voraus und wussten jederzeit, in was für einer Situation wir uns befanden.
Was war die schwierigste Entbehrung oder Veränderung für euch?
An die Ernährung gewöhnt man sich. Wir hatten ja gut geplant und selbst Obst in Dosen dabei. So hatten wir z. B. Pfirsiche als Abwechslung zu Bananen und Papayas. Schwierig war die Einsamkeit, aber eben auch verlockend. Wir sind im Alltag gesellige Typen, haben Spaß auf Volksfesten, sitzen gerne auf Bierbänken. Eine Zeit lang kann Einsamkeit sehr gut tun. Und danach wussten wir auch umso mehr zu schätzen, was wir in Deutschland haben. Die Mischung macht es. Du kannst auf der Insel zu dir selbst kommen, kehrst mit vielen Ideen, Plänen und Träumen zurück, um dann wenig später wieder von der Insel zu träumen.
Gab es so etwas wie Alltag? Einen normalen Tagesablauf auf der Insel?
Du stellst dich auf den Rhythmus der Natur ein. Wir wachten auf, wenn die Sonne aufging. Dann haben wir erst mal im Hühnergehege frische Eier geholt. Je nach Ebbe und Flut haben wir entschieden, wann der Garten seine Pflege bekommt. Bei kommender Ebbe sind wir an den Strand und haben gefischt. Nina hat beim Fischen nur zugeschaut, denn sie ist Vegetarierin. In der Mittagshitze haben wir gerne mal ein Schläfchen gemacht. Das haben wir von den Locals gelernt. Sehr vernünftig.
Und sobald die »Goldene Stunde« beginnt, geht es wieder an den Strand. Mit Goldener Stunde meinen wir die Abendsonne, die in der Südsee die Inselwelt in Gold taucht. Wirklich wahr. Dann eine Tasse Tee zum Sonnenuntergang trinken. Noch mal fischen. Lagerfeuer. Sternenhimmel. Romantik. Und der Tag ist zu Ende.
»Wenn man die Frage, was man auf eine einsame Insel mitnehmen würde, ernsthaft beantworten muss, kommen am Ende mehr als drei Romane und ein iPod heraus« heißt es in »Eine Insel nur für uns«. Was kommt denn dabei heraus? Und warum habt ihr ausgerechnet das Spiel »Mensch ärgere dich nicht« mitgenommen?
Abgesehen vom Trinkwasser braucht man auf jeden Fall: ein Satellitentelefon, Solarpanels, Angelhaken, Macheten und Medizin. Und tatsächlich vieles mehr. Vergessen darf man nichts! Sonst hat man ein Problem. »Mensch ärgere dich nicht« haben wir mitgenommen, damit wir wenigstens ab und zu einen Grund haben, uns zu streiten.
Nächste Seite: Nina und Adrian Hoffmann über Streit auf engem Raum, neue Erkenntnisse und die schwierige Rückkehr nach Deutschland.
Geht man sich nicht automatisch an den Kragen, wenn man so lange auf engstem Raum zusammensitzt und bei einem Streit nicht einfach mal weg kann? Welche Rolle spielte dabei euer Hund?
Das glaubt uns so gut wie niemand, aber wir versuchen trotzdem immer wieder, es glaubhaft zu versichern: Wir haben uns kaum gestritten. Wir erklären uns das so, dass die äußeren Einflüsse fehlten, die uns in der Zivilisation sonst gewöhnlich zum Streiten bringen. Keiner kommt schlecht gelaunt von der Arbeit heim. Klar, unser Hund war dabei auch sehr wichtig. Deshalb heißt er auch Sunday. Er war unser Freitag – wir haben ihn an einem Sonntag gefunden. Er hat weniger die Vermittler-Rolle übernommen, als vielmehr Streit vorgebeugt. Wenn wir mal betrübt waren, konnten wir ihm unsere Sorgen mitteilen. Er versteht uns immer. Und wegrennen kann er auch nicht.
Konntet ihr etwas von diesem Insel-Leben für euch mitnehmen? Vielleicht eine wichtige Erkenntnis oder Erfahrung, die ihr während des einjährigen Aufenthalts gemacht habt?
Das ist schwierig. Es lässt sich leicht sagen und hört sich gut an, wenn man behauptet, man habe ja so viel gelernt auf Reisen. Wir hatten anfangs gehofft, eine neue Gelassenheit mitnehmen zu können und das Insel-Feeling nach Deutschland zu bringen. Die Wahrheit ist: Bist du in Deutschland, bist du wieder drin. Der Alltag holt dich schnell ein. Du musst wahrscheinlich versuchen, den Alltag nicht Alltag sein zu lassen. Oder noch besser: ab und zu mal wieder auf die Insel zu gehen. Und wenn auch nur für ein paar Monate. Vielleicht will das ja jemand im Wechsel mit uns machen. Mittlerweile könnten wir uns das gut vorstellen.
Wie war es, nach so langer Zeit wieder zurück in die Zivilisation zu kommen? Hattet ihr erst einmal einen Kultur-Schock?
Definitiv. Die ersten Tage konnten wir kaum schlafen. Uns hat das Rauschen der Wellen gefehlt. Uns war alles zu viel. So viele Dinge. So viele Leute, die auf einen einprasseln. Ein paar Tage später hat sich das aber auch schon wieder gelegt und alles ist wie vorher. Allerdings gibt es da noch diesen einen Ordner auf dem Desktop deines Hirns mit dem Namen »Eine Insel nur für uns«. Ab und zu klicken wir drauf und starten die Bildergalerie.
Denkt ihr, dass es jedem gut tun würde, einmal auf einer einsamen Insel zu leben? Und kann jeder diesen Schritt gehen?
Einmal ja, einmal nein. Abraten würden wir davon, so etwas ganz alleine zu machen. Die Erfahrungen dort miteinander zu teilen – das ist es, was Spaß macht. Leute, die naiv sind, geraten auf der Insel unter Umständen in Lebensgefahr. Deshalb kann leider nicht jeder diesen Schritt gehen. Leute, die zum Beispiel auf die Idee kämen, alleine in der Lagune herumschwimmen zu können, während der andere am Strand sitzt. Die Strömungen sind nicht zu unter- schätzen. Träumen darf aber jeder.
Wie sieht eure aktuelle Situation aus? Wart ihr nicht neulich erst wieder auf einer einsamen Insel?
Wir konnten nicht anders. Wir waren Anfang 2016 für einige Wochen mit unserer dreijährigen Tochter wieder auf derselben Insel. Wir sind zur Einsicht gekommen, dass die Insel zu unserem Leben dazugehört. Einfach abhaken geht nicht. Wir wollen spätestens alle paar Jahre immer mal wieder für einen längeren Urlaub dorthin. Hoffentlich machen unsere Arbeitgeber da mit. Wobei wir ja genau das auf der Insel gelernt haben: Wir machen das, was wir uns vornehmen. Jeder ist sein eigener Chef.
(edenbooks)
Informationen zum Buch
Nina und Adrian Hoffmann: „Eine Insel nur für uns – eine wahre Geschichte von Einsamkeit und Zweisamkeit“, erschienen im Eden Books Verlag, 319 Seiten, 9,95 Euro.
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