Alternde ElternWie bringe ich meinem Vater bei, seinen Führerschein abzugeben?
- Wenn die eigenen Eltern alt, gebrechlich, manchmal auch störrisch werden, müssen die Kinder lernen, was die Wissenschaft „filiale Reife oder filiale Kompetenz“ nennt: den Umgang mit dem Altern der eigenen Eltern.
- Konflikte sind bei diesem Rollenwechsel vorprogrammiert.Wie geht man mit dieser Situation am besten um? Und wie spricht man über heikle Themen – zum Beispiel die Abgabe des Führerscheins?
- Ein Experte gibt Rat und erklärt, welche Fehler man auf keinen Fall begehen sollte.
Wenn erwachsene Kinder irgendwann nicht mehr verdrängen können, dass ihre Eltern in ein hohes Alter kommen, tut das weh. Weil es sie mit der Gebrechlich- und Vergänglichkeit derer konfrontiert, die jahrzehntelang für sie da gewesen sind. Die sich gekümmert haben, seitdem sie denken konnten. Aber es schmerzt auch deshalb, weil sie diese Tatsache daran erinnert, dass sie irgendwann selbst in ähnliche Situationen kommen werden.
Das, was die Kinder in diesen Situationen lernen müssen, nennt die Wissenschaft „filiale Reife oder filiale Kompetenz“. Es meint nichts anderes als den Umgang mit dem Altern der eigenen Eltern. In vielen Familien findet in dieser Umbruchsituation ein gefühlter Rollenwechsel statt. Den Kindern wird bewusst, dass sie nicht erst später, sondern genau jetzt Verantwortung haben für ihre Eltern. Vor allem, wenn sie hilfsbedürftig sind.
Dennoch ist es keine gute Idee, wenn die Kinder nun plötzlich die Elternrolle einnehmen und ihren Eltern sagen, was diese jetzt vermeintlich zu tun und zu lassen haben. „Besser ist ein würdevoller und respektvoller Umgang miteinander, auch wenn eine Partei jetzt hilfsbedürftiger sein mag. Einfach nur den Spieß umzudrehen und die Eltern so zu behandeln, wie man sich vielleicht selbst in der Jugend von ihnen behandelt gefühlt hat, ist keine Option“, findet Professor Dr. Frieder Lang. Er ist Alternsforscher und Leiter des Instituts für Psychogerontologie in Erlangen.
Wie sage ich es ihm am besten?
Es führt kein Weg daran vorbei: Die Kinder müssen sich mit dem Alltag ihrer Eltern auseinander setzen. Etwa wenn diese etwas unternehmen wollen, was nicht mehr so gut funktioniert wie Auto fahren oder längere beschwerliche Reisen. Der Knackpunkt ist: Wie sag’ ich das meinem Vater am besten? Sätze wie „Papa, jetzt lass’ das mit dem Autofahren doch“, helfen nicht wirklich weiter. „Denn Kinder sind ihren Eltern gegenüber ja nicht in der Erziehungsverantwortlichkeit. Die bessere Frage, die man sich selbst stellen sollte, ist: Wie kann ich diesen mir nahestehenden Menschen unterstützen, so dass sein Verhalten für ihn und für andere nicht riskant ist?“ Unter anderem gibt es ja verschiedene Möglichkeiten von Fahrtrainings und Fahreignungsprüfungen, die Senioren freiwillig absolvieren können. Manche sehen nach solch einem Training von selbst ein, dass es nicht mehr geht. Oder sie entscheiden sich, nur noch kurze Strecken zu fahren oder auf Fahrten in der Dunkelheit zu verzichten.
„Klappt alles prima”
Es gibt aber Fälle, in denen die Betroffenen es partout und dauerhaft nicht einsehen. Und die sind gar nicht selten. Professor Dr. Frieder Lang rät: „Dann sollten die Kinder das Gespräch so lenken, dass die andere Person es irgendwann doch einsieht. Also nicht eindringlich hinwirken auf die Eltern, sondern geschickte Fragen stellen: Wie geht es dir mit dem immer schnelleren Verkehr, Papa? Wie fühlst du dich bei Nachtfahrten, Mama?“ Wenn die Eltern dann immer noch entgegnen: „Klappt alles prima, mach dir mal keinen Kopf“, dann hilft manchmal die soziale Kontrolle durch andere. Dann können die Kinder beispielsweise jemand anderen bitten, solche Fragen zu stellen. Etwa eine vertraute Person oder einen Arzt.
Das Autofahren ist aber nicht das einzige kritische Thema. Wenn die Eltern alt werden, empfinden deren Kinder das oft auch deswegen als schwierig, weil sie während dieses Lebensabschnitts mit zwei großen Herausforderungen gleichzeitig konfrontiert sind: Wer im Alter von 50plus ist, erlebt, dass die eigenen Kinder erwachsen werden und aus dem Haus gehen. Vor allem Mütter leiden dann manchmal unter dem „Empty Nest-Syndrom“ und müssen sich der unangenehmen Frage stellen: Was kommt nach den langen Jahren des Erziehens?
Gleichzeitig erleben sie, dass die Eltern alt und pflegebedürftig werden. Die Themen Alter, Entwicklung, Abschied, Tod kommen jetzt also geballt. „Das muss aber nicht immer nur schlecht sein“, findet der Erlanger Alters-Experte Professor Dr. Frieder Lang. „Denn so kann auch wieder Zusammenhalt und Nähe mit den eigenen Eltern entstehen. Denn diese haben ja selbst einmal erlebt, dass ihre Kinder aus dem Haus gegangen sind und dass ihre eigenen Eltern älter geworden sind.“ Gute Fragen könnten zum Beispiel diese und ähnliche sein: „Wie hast du das damals eigentlich mit Oma gemacht? Wie habt ihr Opa versorgt, als er plötzlich nicht mehr laufen konnte?“
Schwierige Gespräche nur auf Augenhöhe
Solche Gespräche funktionieren nicht durch Bevormundung, sondern nur auf Augenhöhe. Die Kernfrage ist: Wie stellt man dabei Vertrauen her? Wenn es gut läuft, gibt es nicht die eine Partei, die es besser weiß und die andere, die sich reinreden lässt. Eine „Patronisierung“, das Aufdrängen der eigenen Vorstellungen auf jemand anderen, ist wenig zielführend. Viel effektiver ist es, den anderen hinzuweisen auf die eigenen Sorgen, Ängste und Probleme.
„Wenn Kinder konstruktiv mit ihren Eltern über das Alter sprechen, dann ist das ein großer Entwicklungsschritt. Für sie selbst und für ihre Beziehung zu den Eltern. So kann auf einer neuen Ebene Intimität entstehen.“ Und trotzdem sollten Kinder wissen: Immer klappt solch ein Gespräch nicht. Eine neue Nähe zu den Eltern lässt sich zum Beispiel dann nicht erzeugen, wenn noch offene Konflikte über andere Dinge bestehen. Dann gilt es erst, diese zu lösen.
Das könnte Sie auch interessieren:
Manchmal hilft es, solch ein Gespräch mit einem vergleichsweise sachlichen Thema zu beginnen. Etwa mit etwas organisatorisch Nötigem wie einer Patientenverfügung. Auch hier gilt dann wieder im Gespräch: Es gibt keine einzig richtigen Lösungen, die pauschal für alle gelten, sondern nur gegenseitiges Verständnis. „Es geht um die wichtigen Fragen am Ende des Lebens und die sind für jeden Menschen individuell zu beantworten. Niemand kann diese für jemand anderen lösen. Auch Kinder für ihre Eltern nicht“, findet Professor Dr. Frieder Lang.
Und hier kommen viele erwachsene Kinder in ein Dilemma. Denn sie verspüren das unangenehm hilflose Gefühl, diese vielen großen und kleinen Entscheidungen nicht alleine fällen zu können. Sie denken, sie müssten ihre Eltern bedrängen, damit diese ihnen endlich sagen, was sie als Kinder im Falle eines Falles zu tun haben. „Ganz häufig geht es nicht um die Sorgen, die die Eltern mit diesem Thema haben. Sondern um die Sorgen, die die Kinder haben. Die Kinder verwechseln oft ihre eigene Angst mit der der Eltern. Eltern sind bei diesem Thema oft viel entspannter als ihre Kinder“, so die Erfahrung des Experten.
Manchmal wollen die Eltern über ihr Ableben sprechen – und die Kinder wiegeln ab und sagen: „Ach Mama, darüber müssen wir doch jetzt noch nicht reden.“ Viele wollen sich mit dem Abschied von den Eltern am liebsten erst so spät wie möglich befassen. Dabei vergessen sie, dass das Alter eine eigene Lebensphase ist – mit eigenen Rechten. Und das Ende des Lebens gehört eindeutig zum Alter und damit zum Leben dazu.
Die Rechte der Frauen
Bis Ende der 50er Jahre galt das Letztendscheidungsrecht des Mannes in allen Eheangelegenheiten. Nicht nur bezogen auf die Kindererziehung und Anschaffung von Möbelstücken, auch bezüglich Beruf, Führerschein und Geld der Frau.
Bis 1958 konnte der Ehemann den Anstellungsvertrag seiner Frau nach eigenem Ermessen und ohne deren Zustimmung jederzeit fristlos kündigen. Erst seit 1977 dürfen Frauen selbständig einen Arbeitsvertrag unterschreiben.
Ein eigenes Bankkonto durften Frauen in Deutschland erst ab 1962 eröffnen
Erst ab 1969 wurde eine verheiratete Frau in Deutschland als geschäftsfähig angesehen.
Bis 1976 waren Frauen bei der Eheschließung verpflichtet, den Namen ihres Gatten anzunehmen.
Erst seit 1997 gilt eine Vergewaltigung in der Ehe in Deutschland als Straftat
Männer und Frauen erleben die letzte Lebensphase oft sehr unterschiedlich, das belegt auch die Forschung. Bei Frauen findet mit der Menopause eine große hormonelle Umstellung statt. Und auch bei den Männern kann das Alter zu hormonellen Veränderungen führen. Studien zeigen, dass es auch bei Männern eine sogenannte „Andropause“ auftreten kann, meist zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr. Zusammenfassend kommt die Wissenschaft zu dem Schluss, dass Männer im Alter weiblicher werden und Frauen männlicher.
„Oft können wir im Alter tatsächlich einen Rollenwechsel beobachten: Manchmal macht die Frau noch eine zweite Karriere, wird etwa in der Politik oder anderswo aktiv. Sie verwirklicht Lebensträume, die sie viele Jahre vor sich hergeschoben hat. Andere bleiben bewusst in der Kontinuität ihres bisherigen Lebensmodells und finden das in Ordnung“, so Lang. Manche erleben diese Zeit als Verlust, andere als einen Gewinn. Die entscheidende Frage für jeden ist: Wie gestalte ich diesen Übergang in meinem Leben möglichst gut?
Dem Älterwerden Vorteile abtrotzen
Frauen, die sich ihr Leben lang stark über ihre körperliche Attraktivität definiert haben, erleben den Übergang ins Alter manchmal belastender als Frauen, die sich vor allem über anderes, zum Beispiel ihre Leistung und Karriere definiert haben. Manche erleben das Alter als Erlösung von Sachzwängen, die sie beengend fanden und nutzen das nun als neue Chance. Die Kunst ist, dem eigenen Älterwerden Vorteile abzutrotzen. Auf das Positive zu sehen, auch wenn Kraft und Gedächtnisleistung an manchen Tagen nachlassen mögen. Was viele unterschätzen ist, dass diese Lebensphase die Chance bietet zur großen eigenen Souveränität, etwa im Umgang mit der eigenen Zeit.
Alternsforscher Frieder Lang findet: „Letztendlich ist das Alter, wie so vieles im Leben, ein Changieren zwischen den Polen. Mal überwiegt das Hoffen auf das Gute, ein anderes Mal überwiegt die Angst. Und genau diese Situation ermöglicht es uns, persönlich zu wachsen. Wie es Krisen und schwierige Situationen eben immer tun in unserem Leben.“