Drei Au-pair-Erfahrungen„Ich kam mir wie das Dienstmädchen vor“
- Drei Einzelfälle zeigen, wie schön aber auch wie schrecklich Au-Pair Erfahrungen sein können.
- Christoph Becker fühlte sich in Neuseeland ausgenutzt und wechselte zweimal die Familie.
- Eine junge Frau aus Simbabwe berichtet, dass sie 90 Prozent der Zeit im Haushalt helfen musste und nur zu 10 Prozent die Kinder betreute.
Köln – Die Zeit als Au-pair ist manchmal sehr schön, manchmal sehr schrecklich – in jedem Fall ist sie prägend. Drei Einzelschicksale zeigen, wie groß die Chancen und Risiken sein können.
Ein Au-pair-Jahr planen: Wie hoch die Kosten sind, wie die Vermittlung läuft und was Sie sonst noch wissen sollten, erfahren Sie hier.
Christoph Becker: Von Gasteltern ausgenutzt
Ein Jahr ganz weit weg leben, ein neues Land entdecken und dabei eine sichere Bleibe haben: Deshalb wollte ich als Au-pair nach Neuseeland. Es hätte zwar noch andere Möglichkeiten gegeben: Work and Travel. Freiwilligendienst. Aber nach meinem Lehramtsstudium und mit meiner Erfahrung als Babysitter war ich mir sicher: Ein Au-pair-Jahr ist eine gute Idee, bevor ich in den Schulalltag eintauche. Doch so entspannt, wie ich mir vor meinem Abflug das Jahr vorstellte, sollte es nicht werden.
Bereits vor drei Jahren interessierte ich mich für ein Au-pair-Jahr, hatte schon damals Kontakte geknüpft. Dann musste ich mein Auslandsjahr aber wegen einer Krankheit absagen. 2018 ergab sich zum Glück eine neue Gelegenheit und ich konnte ein Au-pair-Mädchen in einer Familie im neuseeländischen Süden ablösen. Ich telefonierte mit der Familie und auch mit meiner Vorgängerin, um einen Eindruck von der Arbeit und vom Zusammenleben zu bekommen. Alles schien in Ordnung. Die Vorfreude stieg.
Mutter lässt ihre Frühstückssachen stehen
18000 Kilometer von Köln entfernt musste ich aber schnell feststellen: Meine Aufgaben als Au-pair hatte ich mir anders vorgestellt. Klar, ich kümmerte mich viel um die damals vier und acht Jahre alten Kinder, machte Essen für sie, spielte mit ihnen, fuhr sie zur Schule oder zu Verabredungen – und das füllte meine Zeit gut aus. Doch nach und nach pendelte es sich ein, dass ich auch für die alleinerziehende Mutter Aufgaben erfüllen sollte. Es fing damit an, dass sie ihre Frühstückssachen einfach stehen ließ und ich alles wegräumen sollte. Nach kurzer Zeit summierten sich die Zusatzaufgaben – Essen kochen, abwaschen, putzen: Ich kam mir vor wie das Dienstmädchen der gesamten Familie. Ich hatte das Gefühl, die Gastmutter hat nur eine billige Betreuung für ihre Kinder gesucht, die nebenbei auch noch den Haushalt schmiss – doch das ist nicht Sinn eines Au-pairs.
Schließlich reichte es mir – für mich kamen die zusätzlichen Aufgaben schon einer Art Ausbeutung gleich, die ich mir nicht bieten lassen wollte. Ich suchte das Gespräch, aber die Gastmutter hatte nie Zeit oder spielte meine Sorgen herunter. Deswegen traf ich eine Entscheidung: Ich ging. Per Internet suchte ich mir eine neue Gastfamilie. In sozialen Netzwerken suchen viele Eltern auf entsprechenden Seiten Au-pairs. Dort wurde auch ich fündig. Allerdings brachte mir meine zweite Gastfamilie auch kein Glück – im Gegenteil.
Ich wurde rausgeschmissen
Meine neue Gastmutter bat mich bereits nach einer Woche, meine Koffer zu packen. Ich kam abends ins Wohnzimmer, da saß sie mit ihrem Mann und ich merkte schon an der Atmosphäre, dass etwas nicht stimmte. Dann eröffnete mir meine Gastmutter, dass ich gehen solle. Ich war völlig perplex, wollte mit ihr reden, eine Erklärung bekommen, aber sie blockte ab. Meiner Meinung nach hatte sie vor allem ein Problem mit der neuen Situation – ich war nämlich ihr erstes Au-pair. Sie war sich offenbar nicht bewusst, was es bedeutet, mit einem „Fremden“ im Haushalt zu leben.
Es gab kaum Regeln von Seiten der Gasteltern, aber plötzlich ärgerte sich die Mutter, wenn ich morgens duschte oder nachts meinen Handyakku auflud. Was ich erst an jenem Abend erfuhr: Sie hatten einen Strom- und Wassertarif, bei dem es kostenlose Stunden gab. Das wusste ich aber nicht.
Aufgeben kam nicht in Frage
Als ich innerhalb von vier Monaten nun schon aus der zweiten Gastfamilie auszog, wurde mir mulmig. Hätte ich nicht gewusst, dass die vielen Familien in Köln, auf deren Kinder ich in der Vergangenheit aufgepasst hatte, immer zufrieden mit mir waren, hätten sich schon Selbstzweifel eingestellt. Letztendlich führte mich der schnelle Auszug über einen Zwischenstopp bei einer Freundin dann zu meiner dritten Gastfamilie. Aufgeben kam für mich trotz dieser seltsamen Begegnungen nicht in Frage. In dieser dritten Familie blieb ich dann auch bis zum Schluss – dort war ich gut in den Alltag eingebunden, hatte feste Aufgaben, freie Tage und eine Tagesstruktur mit den Kindern.
Im Laufe der Monate merkte ich aber auch, dass ich mit meinen negativen Erfahrungen nicht alleine war. Ich traf viele junge Menschen in Neuseeland, die ebenfalls als Au-pair arbeiteten. Viele erzählten mir von ähnlich schlechten Vorkommnissen in ihren Gastfamilien. Auch sie mussten Aufgaben erledigen, die nichts mehr mit Kinderbetreuung oder „leichten Haushaltsaufgaben“ zu tun hatten. Viele räumten vor allen den Eltern hinterher. Fast allen war bewusst, dass das nicht Aufgabe eines Au-pairs ist. Allerdings wehrte sich kaum jemand dagegen – meiner Einschätzung nach lag das vor allem am Alter. Die meisten Au-pairs gehen direkt nach ihrem Schulabschluss ins Ausland. Das Au-pair-Jahr ist oft die erste große Reise, das erste Mal, dass die jungen Erwachsenen auf eigenen Beinen stehen müssen – und dann wollen sie nicht scheitern, trauen sich nicht, aufzumucken. Und genau das nutzen manche Gasteltern schamlos aus.
Susanne Rohlfing: Au-pair ist Teil der Familie
Als unser zweiter Sohn geboren wurde, waren wir gerade aus Köln heraus in den grünen Speckgürtel gezogen. Jetzt hatten wir einen Garten, aber keinen Kindergartenplatz für unseren Zweijährigen. Als ich dann nach einem Jahr wieder arbeiten wollte, kam nur der Große in die Kita. Der Einjährige war weiterhin zu Hause – eine Lösung musste her und wir landeten bei dem Modell Au-pair.
Inzwischen ist unser drittes Kind, ein kleines Mädchen, anderthalb Jahre alt und wir haben zum zweiten Mal ein Au-pair zu Gast. Die Hilfe entlastet uns im Alltag sehr, na klar. Aber das alleine ist es nicht. So ein Gast aus einem fremden Land bereichert auch unser Leben, erweitert den Blick der Kinder auf die Welt, bringt neue Ideen und Impulse (und Gerichte) ins Haus.
Kosten schrecken zunächst ab
Nicht jedes unserer Kinder hat schon ein eigenes Zimmer, deshalb haben wir einen Raum für das Au-pair übrig. Die monatlichen Kosten mögen im ersten Moment abschreckend wirken. Aber: Der Kindergarten für Unter-Zweijährige ist auch nicht gerade günstig. Und da kämen dann noch gelegentliche Ausgaben für einen Babysitter hinzu.
Für uns war die entscheidende Frage: Mögen wir es, einen fremden Menschen für ein Jahr im Haus zu haben? Wir wussten es nicht. Wir mussten es probieren. Und können heute sagen: Ja, wir mögen es. Aber es muss passen.
Eher ein weiteres Kind statt ein Au-pair
Mit unserem zweiten Au-pair klappte es erst im zweiten Versuch. Wir hatten zwischenzeitlich ein Mädchen aus den USA zu Gast. Sie war sehr jung. Sie war mehr darauf bedacht, gleichaltrige Freunde in der Stadt zu finden als sich in unserer Familie einzuleben. Sie war eher ein viertes Kind als eine Hilfe mit den drei Kleinen. Dazu kam: Von der Versorgung einer Einjährigen war sie sichtlich überfordert – trotz gegenteiliger Beteuerungen ihrerseits in den Vorab-Gesprächen.
Nach drei Wochen haben wir das Gespräch gesucht und es stellte sich heraus, dass auch sie sich nicht wirklich wohl fühlte. Warum? „It is not a match“, es passt nicht, sagte sie. Wir ließen ihr Zeit, eine neue Familie zu finden und suchten selbst nach einem neuen Au-pair. Für kurzfristige Wechsel-Lösungen ist Facebook das Medium der Wahl. Dort sind wir auf unser neues Au-pair aus Simbabwe gestoßen, das bei einer anderen Familie unglücklich war. Diesmal für uns – wie schon bei unserem ersten Au-pair aus Kirgisien – ein absoluter Volltreffer.
Komplizierte Videochats
Wir haben unsere Au-pairs immer selbst gesucht (aupair.com, greataupair.com, Facebook), da wir uns das Geld für eine Agentur sparen wollten und die Formalitäten nicht all zu kompliziert sind. Das braucht allerdings relativ viel Vorlauf. Potenzielle Au-pairs aus visumspflichtigen Ländern müssen oft sehr lange auf einen Termin bei der Botschaft warten. Kandidatinnen, die aus Europa stammen oder schon in Europa sind, sind schwieriger zu finden. Manchmal bekommt man auch eine Absage, nachdem man schon mehrere Tage viel Zeit in Chats und Videochats mit einer jungen Frau investiert hat – und fängt dann wieder von vorn an. Oder, unser krassester Fall, diejenige, mit der beim Videochat gesprochen wurde, ist überhaupt nicht die, die nach Deutschland kommen will. Sie hat sich von ihrer besser Deutsch sprechenden Freundin vertreten lassen.
Nach der Ankunft des Au-pairs gilt: Klare Regeln und eine offene Kommunikation sind unabdingbar, damit das Zusammenleben harmonisch läuft. Ein Au-pair ist keine Dienstmagd, sondern Teil der Familie. Das heißt nicht, dass sie am Abend mit uns Gasteltern auf dem Sofa vor dem Fernseher sitzt oder unser Familienbad mit uns teilt. Aber sie nimmt zum Beispiel auch am Wochenende an unseren Mahlzeiten teil, wir plaudern, erzählen von unserem Leben, unternehmen gemeinsame Ausflüge, haben Spaß zusammen.
Au-pair muss nicht die Toilette putzen
Während ihrer Arbeitszeit kocht unser Au-pair Mittagessen und hilft, die Küche und die Kinderzimmer in Ordnung zu halten – aber sie ist nicht fürs Toiletten putzen oder Wäsche waschen zuständig. Ihre Hauptaufgabe sind die Kinder – für nicht mehr als 30 Stunden pro Woche. Für uns heißt das: Das Au-pair schafft mir Freiraum, um zu arbeiten. Sie ist flexibler als ein Kindergarten, kann auch mal zwei lange Tage machen oder am Abend Babysitten, wenn dann wieder Tage mit weniger Arbeitsstunden folgen. Das ist Luxus. Wer allerdings glaubt, mit einem Au-pair verschwänden die Strapazen des Alltags mit Kindern vollends, der täuscht sich. Ein Au-pair hilft. Nicht mehr. Aber auch nicht weniger. Und wenn es gut läuft, wird der Gast tatsächlich zu einer Art großer Schwester für die Kleinen. Wenn unser erstes Au-pair heute zu Besuch kommt, fallen die Kinder ihr fröhlich jauchzend um den Hals.
Varaidzo Faith Magodo Matimba: Putzen statt spielen
Eine Freundin bei mir zu Hause in Simbabwe ist als Au-pair nach Deutschland gegangen und hat sehr positiv davon erzählt . Da fing ich an, mich auch dafür zu interessieren. Ich habe einen Bachelor in Jura, wollte meinen Job als Assistentin in einer Anwaltskanzlei aber sowieso gerade wechseln. Ich war schon zu Praktika in der Schweiz und in Italien, und ich hatte Deutsch bis zum Level A2 gelernt. Als Au-pair noch mehr Auslandserfahrung sammeln und dabei mein Deutsch weiter verbessern – das hat mich sehr gereizt.
Die Suche nach einer Familie war allerdings nicht einfach. Über eine der Internetplattformen ist es mir nicht geglückt und mein Termin für die Beantragung des Visums in der Botschaft rückte immer näher. Also musste ich jemanden bezahlen, sie nennen sich Agenten, nutzen aber nur aus, dass viele junge Leute in Simbabwe nicht wissen, dass eigentlich die Familien in Deutschland für den Vermittlungsservice bezahlen.
800 Euro für den Agenten
Der Agent in Simbabwe hat mich für 800 Euro an eine deutsche Agentur vermittelt und über die habe ich Kontakt zu drei Familien bekommen. Ich habe mich schließlich für ein Angebot aus Mannheim entschieden. Die Familie hatte noch nie ein Au-pair und ich war noch nie ein Au-pair – das schien mir passend. Es würde eine neue Erfahrung für beide Seiten sein. Wir haben ein Skype-Interview gemacht und danach viel über WhatsApp geschrieben. Sie hatten zwei Kinder, ein Jahr und vier Jahre alt. Es schien alles zu passen.
Aber es hat nicht gepasst. Die Gasteltern waren der Meinung, ich würde mir nicht genug Mühe geben, eine Verbindung zu den Kindern aufzubauen. Aber meine Aufgaben waren auch anders verteilt als ausgemacht: 90 Prozent Hausarbeit und nur etwa zehn Prozent Kinderbetreuung. Sie wollten, dass ich das Haus putze, alles – von oben bis unten. Sie haben mir einen Tagesplan geschrieben. Zwischen 8 und 8.30 Uhr habe ich die Kinder zum Kindergarten gebracht, dann sollte ich die Supermarkt-Einkäufe erledigen, die Spülmaschine ausräumen, putzen, waschen, bügeln. Und um drei die Kinder wieder abholen. Dann sind die Eltern auch wieder nach Hause gekommen.
Es lag Spannung in der Luft
Die Gasteltern waren der Meinung, ich hätte ein leichtes Leben bei ihnen und würde meine Arbeitsstunden nicht erfüllen. Sie haben mit dem Finger die Regale nach Staub kontrolliert, waren aber der Meinung, die ganze Putzerei sei in zwei Stunden zu erledigen. Ich habe vorgeschlagen, dass sie das Putzen vom Plan streichen und ich dafür am Nachmittag noch mehr mit den Kindern spiele. Das haben sie abgelehnt. Dabei hätte ich dann vielleicht eine bessere Beziehung zu den Kindern aufbauen können. So lag Spannung in der Luft und ich musste auch an den Wochenende morgens noch arbeiten. Diese Familie wollte eher eine Putzfrau als ein Au-pair. So, wie sie sich verhalten haben, so geht man nicht mit jemandem um, mit dem man zusammen in einem Haus wohnt.
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Als mein Visum dann nach den ersten Wochen verlängert werden musste, habe ich weder von der Familie noch von der deutschen Agentur Unterstützung beim Papierkram und beim Termin bei der Ausländerbehörde bekommen. Ich war auch in der deutschen Agentur und habe das Problem mit der Hausarbeit angesprochen. Dort hat man mir gesagt, es gebe keine genauen Regeln dafür, was die Aufgaben eines Au-pairs sind. Das sei eine Frage der Absprache. Wenn ich einverstanden gewesen wäre mit Hausarbeit, dann wäre ich nun mal einverstanden gewesen. War ich aber nie. Doch das hat niemanden interessiert.
Keine Hilfe beim Wechseln
Ich habe dann mitbekommen, dass meine Familie schon nach einem neuen Au-pair gesucht hat – gesagt haben sie mir das nicht. Da habe ich auch angefangen, mich wieder umzusehen. Die deutsche Agentur hat mir nicht geholfen, der Agent in Simbabwe auch nicht. Aber über Facebook habe ich schließlich in Bergisch Gladbach neue Gasteltern mit drei Kindern zwischen einem Jahr und sechs Jahren gefunden. Und diesmal passt es.
Ich arbeite sechs Stunden am Tag, kümmere mich vor allem um die einjährige Tochter, koche Mittagessen, helfe beim Küche sauber machen und Spielsachen aufräumen. Putzen muss ich nicht. Und an den Wochenenden habe ich frei. Ich bin zufrieden, und ich glaube, meine Gasteltern sind es auch.
Ich habe immer wieder Heimweh
Aber es ist eine Herausforderung, ein Au-pair zu sein. Du fragst dich ständig, wie du am besten hinein passt in die Familie. Oder was du zu den Kindern sagen darfst und was nicht, wenn sie Unfug machen. Die Sprachbarriere ist natürlich manchmal ein Problem, die Kinder verstehen nicht immer, was ich sage. Und dann das Heimweh. Es packt einen schon immer mal.
Von meinen ersten Gasteltern gab es keinerlei Anstrengung, mit mir zu kommunizieren. Ich war da, ich sollte meinen Job machen, und das war es. Wahrscheinlich brauche ich noch ein bisschen Zeit, um mich von dieser Erfahrung zu erholen.