Mutter mit MS„Ich bin nicht nur krank und behindert, sondern einfach auch ein Mensch“
Euskirchen – „Mama, du kannst hier nicht lang fahren, hier sind Dornen!“ Während Jonas noch ruft, hängt der Rollstuhl schon halb im Gestrüpp fest, das weit in den Bürgersteig hineinwuchert. Auf der anderen Seite des Gehwegs bilden die Schnauzen parkender Autos eine feste Begrenzung. Kaum ein Durchkommen für jemanden, der nicht auf zwei Beinen unterwegs ist. Carola Arndt kennt das zu gut. Souverän steuert sie ihren Rollstuhl trotzdem weiter durch den schmalen Durchgang und behält dabei immer ihren siebenjährigen Sohn im Blick, der mit seinem neuen Fahrrad bereits die Straße vorgesaust ist. „Das Leben ist einfach nicht barrierefrei“, sagt die Mutter, während sie an weiteren Hindernissen vorbeilenkt. Wer weiß das besser als sie.
Die 44-Jährige aus einem Dorf bei Euskirchen hat Multiple Sklerose und ist durch die Krankheit vielfach körperlich eingeschränkt. Sie hat eine Gehbehinderung und ist zum Teil auf Rollator oder Rollstuhl angewiesen. Außerdem leidet sie unter Hör- und Seheinschränkungen. Sie hat mit Schmerzen zu kämpfen, die manchmal fast unerträglich sind. Damit sich ihr Körper erholen kann, braucht sie regelmäßige Ruhe. All das macht ihr tägliches Leben schwieriger. Erst recht den Alltag als Alleinerziehende mit einem Sohn im Grundschulalter.
Seit Jonas zwei ist, lebt Arndt vom Vater getrennt, der einige Kilometer entfernt wohnt und den Jungen regelmäßig zu sich holt. „Meine vielen Therapietermine lege ich immer so, dass Jonas dann bei seinem Papa oder in der Schule ist“, sagt sie. „Jedes Jahr im Sommer dann, wenn er auch mal länger bei seinem Vater bleibt, gehe ich für ein paar Wochen ins Krankenhaus für eine Art Kurz-Reha.“
Smalltalk: Für andere Eltern normal, für sie ein Kraftakt
Ein Besuch bei ihnen zuhause. Sohn Jonas lässt gerade begeistert eine Mini-Drohne quer durch die Wohnung wirbeln. So schnell, dass es einem wahrlich schwindelig wird. Mutter Carola ist mittendrin im Gesause, bewegt sich aber langsam und bedächtig. Gehen und Stehen sind für sie sehr anstrengend, es fordert einen großen Teil ihrer Konzentration. Vieles, was für Menschen ohne Einschränkungen normal ist, sei für sie ein Kraftakt. „Beim Bäcker die Verkäuferin zu verstehen, wenn die Tüten rascheln und die Kasse klingelt, ist eine große Herausforderung für mich, erst recht wenn sie eine Maske trägt und ich keine Lippen lesen kann“, erzählt sie. „Und ich kann zum Beispiel nicht wie andere Eltern vor dem Schultor Smalltalk halten, ich hab zu viel damit zu schaffen, überhaupt die Wege zu bewältigen.“ Insbesondere die alltägliche Interaktion, der lockere soziale Austausch mit anderen bleibe so auf der Strecke. Sie würde es sich anders wünschen. „Ich bin nicht nur krank und nicht nur behindert, ich bin auch einfach ein Mensch.“
Die Elternassistenz unterstützt dort, wo es Barrieren gibt
Familiäre Unterstützung oder ein breites soziales Netz habe sie nicht, sagt Arndt. Um den Alltag besser bewältigen zu können, bekommt sie deshalb regelmäßig Hilfe von Assistenzkräften. Die Elternassistenz unterstützt im Haushalt und bei Besorgungen, aber auch bei der Logistik und Betreuung des Kindes. „Die Assistenz hilft dort, wo es Barrieren gibt, also beim Putzen, Kinderzimmer aufräumen, von der Schule abholen und bei Ausflügen.“ Wie entscheidend diese Unterstützung ist, wird bereits an einem kleinen Beispiel aus dem Elternuniversum deutlich, von dem sie erzählt. „Vor einiger Zeit, als mein Sohn noch jünger war, besuchten wir zusammen ein Märchenfest und er musste plötzlich ganz dringend aufs Klo, die Toilette aber war am anderen Ende des Geländes und der Weg bestand komplett aus Rollsplit“, erinnert sich Arndt. „Da war es eine große Erleichterung, eine Assistenz dabei zu haben, die schnell mit ihm gehen konnte.“
Auch Urlaub wird für sie erst durch eine solche Assistenz überhaupt möglich. Alleine mit ihrem Sohn wegzufahren, wäre rein praktisch gar nicht denkbar. Jetzt in den Sommerferien hat eine Assistenzkraft sie und Jonas an die Ostsee begleitet. „Es war wirklich sehr schön, Jonas schwärmt jetzt noch von den riesigen Containerschiffen.“
Wie bitter und schwer ein Alltag ohne solche Hilfen aussehen kann, erlebte die Mutter in der Corona-Zeit. „Mein Sohn musste im Frühjahr zwei Mal in Quarantäne und das hatte weitreichende Folgen für uns“, erzählt sie, „denn da durfte keine Assistenzkraft zu uns kommen.“ Das eigene Kind die ganze Zeit zuhause zu haben, das sei ja schon für gesunde Eltern hoch anstrengend. „Aber es musste ja irgendwie funktionieren. Letzten Endes bin nun einmal ich zuständig.“
Recht auf Elternassistenz gibt es noch nicht lange
Verband bbe
Der „Bundesverband behinderter und chronisch kranker Eltern e.V.“ (bbe) unterstützt, informiert, begleitet und vernetzt behinderte und chronisch kranke Eltern bzw. Menschen mit Kinderwunsch. Es gibt dort u.a. die Möglichkeit, sich zum Thema Elternassistenz beraten zu lassen.
Dass Eltern Hilfen bekommen, um ihre Mutter- oder Vaterrolle ausüben zu können, das ist noch nicht lange der Fall. Die Assistenz für Eltern mit Behinderungen ist erst seit 2018 im so genannten Bundesteilhabegesetz festgeschrieben. Ein Gesetz, für das behinderte Eltern lange gekämpft haben, allen voran der „Bundesverband behinderter und chronisch kranker Eltern e.V.“ (bbe). „Vorher gab es da eine völlige Lücke, behinderte Eltern waren nirgendwo in der Gesellschaft präsent“, sagt Kerstin Weiß aus dem Vorstand des bbe. „Jetzt können sich Eltern bei der zuständigen Behörde auf ein Gesetz berufen.“ Nicht immer sei die Regelung bei Müttern, Vätern oder Behörden bereits bekannt. „Aber sobald ein Antrag gestellt wird, muss sich das zuständige Amt kümmern.“
„Ich war damals eine der ersten, die Assistenz beantragt haben“, sagt Carola Arndt. Der Weg, bis sie die Hilfen tatsächlich habe in Anspruch nehmen können, sei da aber noch recht kompliziert gewesen. Auch heute noch gestaltet sich die Antragsstellung komplex, sagt Ellen Romberg-Hoffmann vom Kölner „Kompetenzzentrum Selbstbestimmt Leben“ (KSL). „Es sind riesige Verwaltungswege zu gehen“, erklärt sie. Dann müssten behinderte Eltern erst einmal das Personal finden und immer wieder neu ihren Bedarf nachweisen. Sowohl der bbe als auch das KSL bieten daher Unterstützung bei der Antragsstellung an und informieren über die vielen Möglichkeiten der Assistenz.
„Es gibt für alle Elternteile mit Behinderung eine Unterstützung“
Wie vielfältig die Hilfen für behinderte Eltern aussehen können, das sei für Außenstehende oft schwer vorstellbar, sagt Diplom-Sozialarbeiterin Romberg-Hoffmann. „Es gibt für alle Elternteile mit Behinderung eine Unterstützung“, sagt sie, „ob es sich bei ihnen nun um eine körperliche oder geistige Beeinträchtigung handelt.“ Die Hilfe sei individuell auf die Bedürfnisse zugeschnitten. Sie kenne zum Beispiel eine alleinerziehende Mutter mit vier Kindern, die erblindet sei und 24 Stunden von einer Assistenz bei der Versorgung und Logistik der Kinder unterstützt werde. „Und man darf nicht die Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen vergessen, auch sie und ihre Kinder brauchen manchmal Assistenz, wenn sie eine Krise haben.“
„Zentrum Selbstbestimmt Leben“ (KSL)
Das Kölner „Zentrum Selbstbestimmt Leben“ (KSL) hat zum Ziel, die Lebensbedingungen behinderter Menschen zu verbessern. Es informiert, unterstützt und berät Eltern mit Behinderung, u.a. zum Thema Elternassistenz. In einer Schriftenreihe hat das KSL Informationen zu Bedarfslagen, Rechtsansprüchen und Unterstützungsangeboten für Eltern mit Behinderung zusammengestellt. Die Broschüre steht hier zum Download bereit.
Vier Assistenzkräfte wechseln sich gerade bei Carola Arndt ab und kommen stundenweise zu ihr. Eine riesige Hilfe. Und doch bleiben in ihrem Alltag viele Barrieren und ein hoher organisatorischer Aufwand. „Als eingeschränkter Mensch muss man immer vordenken und vorausplanen“, sagt sie. Wo ist die nächste Schwerbehindertentoilette? Hält der Akku für das Rollstuhl-Zuggerät? Wo gibt es Hürden auf dem Weg? Für Arndt bedeutet das auch ein stetiger Kampf gegen Widerstände, die bei ihr schon zuhause anfangen. Vor ihrem Haus sind viele Stufen, die sie täglich mühsam zu Fuß hochsteigen muss. Im engen Bad gibt es nur eine Badewanne, die nicht barrierefrei ist. „Ich suche im Augenblick eine neue Wohnung, möchte aber am liebsten in meinem Dorf bleiben. Ich mag es hier sehr, vor allem den wunderschönen Wald“, schwärmt sie, „aber ich habe bisher nur Absagen bekommen.“
Stufen, Bordsteine, Rollsplit: Täglicher Kampf gegen Hürden
Und dann gibt es da noch die oben schon erwähnten Hürden im öffentlichen Raum. Weil sie jemand ist, der Dinge nicht einfach so hinnimmt, hat Arndt schon einige Male gekämpft und auch etwas bewegen können. „Als Jonas noch in den Kindergarten ging, gab es auf der Strecke dorthin einige hohe Bordsteine, die für mich ein tägliches Problem waren“, erzählt sie. „Im Rahmen eines Seminars, an dem ich teilgenommen hatte, sollten wir uns dann ein Projekt suchen, für das wir uns stark machen wollten. Und mein Ziel war: Bis mein Kind aus dem Kindergarten raus ist, ist der Weg zwischen Wohnung und Kita barrierefrei!“. Sie blieb dran und schaffte es, dass die Bordsteine innerhalb weniger Monate abgesenkt wurden.
Auch die Grundschule reagierte auf ihre Anfrage: Das Klassenzimmer ihres Sohnes liegt im Erdgeschoss, damit sie dort im Bedarfsfall auch reinfahren kann. Ihr Recht, als „außergewöhnlich gehbehindert“ eingestuft zu werden und auf einem Schwerbehinderten-Parkplatz parken zu dürfen, das musste sie sich dagegen einklagen, auch weil man ihr oft zu wenig ansehe, dass sie Behinderungen habe, sagt sie. „Es ist einfach anstrengend, ständig auf solche Dinge hinzuweisen und dafür zu streiten – schließlich will ich einfach nur in Ruhe leben.“
Als wir am Spielplatz ankommen, wird klar, von welchen konkreten Hürden sie spricht: Ein großer Felsbrocken markiert den Eingang, ein abschüssiger Weg aus Geröll führt hinunter zum Spielbereich. „Neulich bin ich mal mit der Behindertenbeauftragten der Stadt durchs Dorf gefahren und habe ihr das gezeigt, sie hat das sofort eingesehen.“ Unerschrocken und resolut fährt Arndt mit dem Rollstuhl trotzdem den Abhang hinunter, der ganz schön ins Wackeln gerät. „Ich falle auch öfter mal um“, erzählt sie, als sei das nichts.
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Für Sohn Jonas ist und bleibt Mama eben Mama
Jonas hat indes sein Fahrrad schon auf die Wiese geworfen und ist flink das Klettergerüst hinaufgesprungen. Er hat viel Energie. Seine Mutter stellt den Rollstuhl ab, steht langsam auf und geht zu ihm ans Spielgerät, um ihm, ganz Mama, anzufeuern und ein paar Balanciertipps zu geben. Er wiederum, ganz Sohn in diesem Alter, ist leicht genervt von den Ratschlägen der Mutter. Nach dem Kletterparcours heißt es aber dann doch erstmal kuscheln mit Mama, die sichtlich geschafft wieder im Rollstuhl sitzt. „Wenn er trotzig ist, blockiert er mich auch mal, indem er sich quer über das Gefährt legt“, erzählt sie. Und wenn Fahrrad und Rollstuhl sich mal in die Quere kommen, dann heißt es auch mal schnodderig: „Mama, jetzt fahr doch mal aus dem Weg!“
Für Sohn Jonas, der jetzt in die dritte Klasse geht, ist die Behinderung seiner Mutter Normalität. Er hat sich darauf eingestellt. Auch beim Spielen. Bei unserem Besuch zeigt er seine Kugelbahn und schickt dabei begeistert Murmeln über kleine Brücken, Fahrstühle und Schleudern. Carola Arndt kniet sich beschwerlich zu ihm auf den Kinderzimmerboden, um nichts zu verpassen. „Für mich nimmt er extra die rote Kugel und erklärt mir genau, wo sie lang rollt“, erzählt die Mutter, „damit ich das auch trotz meiner Augen erkennen kann.“ Im Alltag packt der Junge ebenso mit an. „Die Leute sind immer ganz verblüfft, weil er weiß, wo in der Küche die Sachen sind“, sagt sie. Sie achte aber auch darauf, dass alles altersgemäß bleibe. „Ich glaube, Kinder von schwerbehinderten Eltern müssen unterstützen. Jonas leistet mehr als seine Altersgenossen und ist teilweise sehr selbständig, dafür darf er aber auch manchmal ganz bewusst ein Baby sein.“ Erstaunt sei das Umfeld auch, wie viel sie sich mit ihm traue. „Aber ich glaube, das wäre mir auch ohne Krankheit und Behinderung wichtig.“
„Ich habe meinen Sohn sehr bewusst bekommen“
Dass Carola Arndt Mutter aus Leidenschaft ist, spürt man sofort, wenn man sie und ihren Sohn so zusammen erlebt. „Natürlich geht es im Alltag viel um das Kind“, sagt sie. Genauso selbstverständlich war es für sie auch, Mutter zu werden. „Ich hatte einen Kinderwunsch und habe meinen Sohn sehr bewusst bekommen“, sagt sie. Als Jonas damals auf die Welt kam, sei sie noch fitter gewesen und hätte ihn zum Beispiel noch tragen können. „Ich habe aber auch einkalkuliert, dass es schwierig werden könnte.“ Gegenwind habe sie deswegen vom eigenen Umfeld nicht bekommen.
Das ist aber nicht immer so. „Behinderte Menschen sind in der Gesellschaft noch immer nicht als gleichwertig akzeptiert, ihnen wird auch heute noch das Recht abgesprochen, Kinder zu bekommen“, sagt Kerstin Weiß vom bbe. Es fange sogar viel früher an, meint Ellen Romberg-Hoffmann: „Schon das Recht auf Sexualität und Partnerschaft wird Menschen mit Behinderung häufig nicht zugestanden.“ Wenn es dann konkret um einen Kinderwunsch gehe, bekämen vor allem Menschen mit geistiger Behinderung, kognitiven Beeinträchtigungen oder psychischen Krankheiten viel Widerstand. Beeinträchtigten Eltern werde vorgeworfen, dass die Kinder unter der Behinderung ihrer Eltern leiden würden, sagt Kerstin Weiß. „Wenn jemand seinen Kinderwunsch ausdrückt, heißt es dann: ‚Wie soll das denn klappen? Das arme Kind!‘“
Menschen mit Behinderung wird der Kinderwunsch oft abgesprochen
Durch solche Reaktionen werde den Menschen das Vertrauen in sich selbst schnell genommen, sagt Romberg-Hoffmann. „Wenn einem der Kinderwunsch von Anfang an immer nur abgesprochen wird, von wegen ‚Das kannst du nicht!‘ und ‚Das darfst du nicht!‘, dann traut man sich natürlich immer weniger.“ Viele wagten es dann gar nicht erst, andere einzuweihen. „Ich kenne auch behinderte Menschen, die so große Angst vor Bevormundung hatten und dass sie dazu getrieben werden, ihr Kind nicht zu bekommen“, berichtet sie, „dass sie ihre Schwangerschaft zunächst verschwiegen haben, teilweise bis zum fünften Monat.“ Auch gynäkologische Praxen seien oft nicht auf Menschen mit Behinderung eingestellt, zum Beispiel wenn es darum gehe, Informationen über eine Schwangerschaft in einfacher Sprache zu vermitteln. „Die größte Hürde ist es also, die Umgebung erst einmal davon zu überzeugen, dass man als behinderter Mensch ein Recht darauf hat, sich einen Kinderwunsch zu erfüllen.“
„Da ist diese diffuse Angst im Rücken, dass einem das Kind weggenommen wird“
Das setzt sich oft fort, wenn das Kind auf der Welt ist. „Die Elternkompetenz behinderter Menschen wird nicht selten angezweifelt“, sagt Romberg-Hoffmann. „Doch nur weil sie im Alltag Hilfe und Unterstützung brauchen, heißt das ja nicht, dass sie nicht in der Lage sind, ihre Kinder gut zu betreuen.“ Das Gefühl, die eigenen Elternfähigkeiten immer wieder beweisen zu müssen, sei bei vielen präsent. „Es ist ein riesiger Druck, denn da ist auch immer diese diffuse Angst im Rücken, dass einem das Kind weggenommen wird, wenn nicht alles gut funktioniert.“
Es gehe hier vor allem um Offenheit und Toleranz. „Wir müssen anders sein auch in dem Sinne akzeptieren, anders Eltern zu sein.“ Eltern mit Behinderung hätten ja dieselben Wünsche und Bedürfnisse wie alle Eltern: „Sie lieben ihr Kind und wollen, dass es ihm gut geht. Sie wünschen sich Spaß und Freude und eine gewisse Leichtigkeit miteinander.“
Babykurse sind auf behinderte Eltern kaum eingestellt
Und sie wollten einfach teilhaben am gesellschaftlichen Leben. „Es gibt auch im Alltag mit Kind immer noch viele Bereiche, die für sie nicht richtig zugänglich sind“, sagt Romberg-Hoffmann. Kerstin Weiß vom bbe kennt einige Beispiele: „Wie gut sind denn zum Beispiel Babykurse auf blinde oder hörbehinderte Menschen eingestellt? Wie viele Hallenbäder gibt es denn, die für einen Rollstuhlfahrer zugänglich sind, der mit seinem Kind zum Babyschwimmen möchte?“ Auch hier spiele die Assistenz eine entscheidende Rolle, denn dadurch werde es vielen Eltern erst ermöglicht, teilzuhaben, sagt Romberg-Hoffmann. „Und damit eröffnet sich auch dem Kind die Chance, in einem Sozialgefüge eingebunden zu sein.“
Ein wichtiges soziales Netz sind auch andere behinderte Eltern, die viele Erfahrungswerte teilen. „Hier bei uns im KSL haben alle Mitarbeiter/innen selbst eine Beeinträchtigung. So können die Eltern, die zu uns kommen, das erste Mal mit jemanden über ihre Ängste, Befürchtungen und Sorgen reden, ohne dass sie beschreiben müssen, was es heißt, eine Behinderung zu haben“, sagt Romberg-Hoffmann. Kontakte zu anderen Eltern mit Behinderung seien aber auch für die Kinder wichtig, so Kerstin Weiß. „Bei uns im bbe können sich die Familien und auch die Kinder mit Gleichgesinnten treffen und austauschen, wozu sie sonst meist keine Möglichkeit haben.“
Auch Carola Arndt engagiert sich im bbe. „In der Beratung anderer Behinderter bin ich schon seit Jahren tätig“, sagt die studierte Sozialarbeiterin. In Kürze beginne sie sogar eine Weiterbildung zum „peer counselor“, um dann noch besser andere Menschen mit Behinderung beraten zu können. Menschen, die einfach nur am Leben in der Gesellschaft teilhaben und vielleicht auch Eltern sein wollen.