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Verteidigung der BoomerVeganes Essen in Plastik bestellen? Wir braten lieber ein paar Eier!

Lesezeit 4 Minuten
Ein Dinosaurier frisst die Welt auf.

Die Boomer sind nicht nur selbstgefällige Streber, sondern auch Kreative, Individualisten und Revolutionäre.

Die Boomer sind die Feindbild-Generation schlechthin. Aber kann man sie wirklich auf hedonistische Porsche-Fahrer mit Privatpool im Garten reduzieren? Kann man nicht!

Wie viel Schuld trifft die Generation der Boomer? Sie gelten als Umweltzerstörer und überhebliche Hedonisten und sind vor allem eines: Immer zu viele. Sagt Christian Bos. Sie haben bei allen Verfehlungen unseren Wohlstand aufgebaut und Großartiges erfunden, von dem wir heute noch profitieren, sagt Claudia Lehnen.

Na klar, Boomer nerven. Allein schon deshalb, weil sie, egal welch gute Ideen man ihnen entgegensetzt, am Ende immer ihre eigenen durchboxen. Einfach in dem sie sagen: Wir sind aber immer einer mehr als ihr! Für Nachfolger wie mich – Generation X – ist das, als wäre man in einen vollen Bus hineingeboren worden, in dem aber leider alle Plätze schon von gut gelaunten älteren Damen und Herren besetzt sind. Alle Jobs schon weg, aller Wohnraum auch, alle Ressourcen verfeuert.

Aber vielleicht ist es an der Zeit zuzugeben, dass die Boomer auch deshalb so nerven, weil sie einfach Streber waren. Individualisten, Kreative, Revolutionäre. Und dadurch viel Großartiges vollbracht haben, von dem alle heute noch profitieren. Allem voran den Frieden und die Freiheit. Aber auch das Internet, das Smartphone, den Punk. Sie haben die Gesellschaft demokratisiert, die Verschreibungspraxis der Anti-Babypille liberalisiert, die Regenbogen-Fahne gehisst. Sie haben NGOs gegründet und unterstützen diese auch heute finanziell maßgeblich. Fast 60 Prozent der Spender für Greenpeace sind laut der Organisation zwischen 50 und 70 Jahre alt.

Claudia Lehnen

Claudia Lehnen

Claudia Lehnen, geboren 1978, ist Chefreporterin Story/NRW. Nach der Geburt ihres ersten Kindes begann sie 2005 als Feste Freie beim Kölner Stadt-Anzeiger. Später war sie Online-Redakteurin und leitet...

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Apropos Greenpeace. Was ist eigentlich mit dem Vorwurf, die Boomer hätten sich aus Hedonismusgründen und Wachstumsfetisch nicht die Bohne für Umwelt und Klima eingesetzt? Hätten sich mit Porsche und Privatpool im Garten in einen Rausch konsumiert, als ob‘s kein Morgen gäbe?

Der klimaaktivistische Satz meines Vaters: Die alte ist ja noch gut

Wenn ich bei meiner Mutter zu Besuch bin, dann ahne ich, dass das so flächendeckend gar nicht stimmt. Da ist nichts mit: Ich habe heute Lust auf Spaghetti, obwohl von gestern noch Kartoffeln übrig sind. Sind Kartoffeln übrig, gibt es Kartoffeln. Da gibt es gar keine Diskussion. Denn weggeschmissen wird nichts. Natürlich, mein Vater wird kein Veganer mehr, aber wenn ich vorschlage, Essen zu bestellen, dann runzelt er die Stirn und sagt: „Immer dieser Verpackungsmüll, wir braten lieber ein paar Eier.“ Oder Urlaubsreisen: Als ich Kind war, waren Flugreisen im klassisch kleinbürgerlichen Boomer-Familienleben nicht vorgesehen. Ein paarmal avisierte mein Vater eine Ägyptenreise mit der ganzen Familie, realisierte sie aber nie, weil man für das Geld auch eine neue Schrankwand im Wohnzimmer hätte kaufen können. Eine Anschaffung, die er letztlich auch wieder verwarf. Und dazu den fast schon klimaaktivistische Satz sagte: Die alte ist ja noch gut. Und das mittlerweile seit über 50 Jahren.

Meine Eltern sind da keine Ausnahme. Die Boomer haben gegen das Waldsterben protestiert, den Katalysator flächendeckend eingesetzt, gegen Atomkraftwerke gekämpft. Eine Umfrage des Fraunhofer Instituts ergab, dass Menschen zwischen 50 und 65 ein Drittel weniger Privatflüge unternehmen als die Gruppe der 16- 25-Jährigen. Eine Studie des Wuppertaler Instituts für Klima, Umwelt und Energie besagt, dass gut zwei von drei Über-60-Jährigen der Aussage zustimmen: „Ich achte im Alltag sehr darauf, Ressourcen zu schonen.“ Von den Unter-30-Jährigen behauptet das nicht einmal jeder Zweite von sich.

Aber was soll auch das Sich-Gegeneinander-Ausspielen? Vielleicht täten wir gut daran, nicht auf die Versäumnisse anderer Generationen zu schielen, sondern bei uns selbst anzufangen. Denn zur Wahrheit gehört auch: Wer heute jung ist, der profitiert häufig nicht nur finanziell und kulturell von seiner Elterngeneration. Er verfügt auch über andere technische Möglichkeiten, die Digitalisierung schärft den Blick für Ungerechtigkeit, Diskriminierung und Klimakatastrophe. Aus diesem demokratisierten Wissen erwächst eine noch größere Verantwortung als der Boomer-Generation je zukam. Werden wir Jüngeren der alle gerecht? Auch die Generation X, Y und Z besteht nicht nur aus Klimaaktivisten, sondern auch aus denen, die gern nach der Schule erstmal mit einem riesigen Koffer voller Billigklamotten um die Welt jetten.

Einigen wir uns auf ein Unentschieden. Und darauf, dass die allermeisten Boomer so verkehrt gar nicht sind.