Pubertier im HausWie Eltern mit ihren Teenagern besser die Corona-Krise überstehen
- Die ganze Zeit zusammen zu Hause: Gerade Jugendlichen fällt das Leben in Zeiten des Kontaktverbots oft schwer.
- Wie das Familienleben harmonischer und einfacher wird – und warum Eltern nicht für jedes Problem ihres Teenies verantwortlich sind.
- Drei hilfreiche Tipps für den Umgang mit älteren Kindern von einer Familientherapeutin.
Köln – „Sobald ihre Kinder 10 Jahre alt werden, bekommen viele Eltern große Angst. Und zwar vor dem, was da noch kommt“, sagt Elke Azrak. Denn dann ist sie in vielen Familien nicht mehr weit, die häufig sehr gefürchtete Zeit der Pubertät. So zumindest ist die Erfahrung der systemischen Familientherapeutin aus Köln, die seit zwölf Jahren Kurse für das Zusammenleben mit Teenagern anbietet. Die „Step-Elterntrainings” vom Elternbildungswerk sind fast immer ausgebucht. Der Bedarf an Hilfestellungen für den Alltag mit wahlweise wortkargen oder renitenten Pubertieren ist groß.
Streit mit Teenagern – Themen oft alltäglich
In den Jahren ihrer Tätigkeit hat Elke Azrak erkannt, dass es immer wieder dieselben Themen und Konflikte sind, die an den Abenden besprochen werden. Oft geht es um alltägliche Reiberein und vermeintliche Machtkämpfe. Der Teenager hat keine Lust auf Schule, Lernen und Hausaufgaben. Hilft nur widerwillig im Haushalt. Und die ganze Stimmung in der Familie ist häufig äußerst angespannt. Vieles fühlt sich schwer und zäh an. Und jetzt in Zeiten von Corona sowieso: „Wenn Kinder oder Teenager zur Zeit genervt sind von den Maßnahmen, die getroffen wurden um das Virus einzudämmen, wenn sie meckern, schlechte Laune haben oder sogar rebellieren, liegt es auch daran, dass sie noch nicht so geübt sind im Umgang mit Krisen“, sagt Elke Azrak.
Eltern dagegen haben schon die eine oder andere Herausforderung durchlebt und die Erfahrung gemacht, dass Krisen auch wieder vorbei gehen. Kinder und Jugendliche sind noch nicht so geübt im Umgang mit ungewöhnlichen Situationen, weil ihnen schlichtweg die Erfahrungen fehlen. „Sie brauchen Erwachsene, von denen sie sich mit ihrem Gefühlschaos angenommen fühlen und die ihnen Orientierung geben bei der Suche nach Lösungen in dieser herausfordernden Lebenssituation. Am Ende dieser Zeit kann so die wertvolle Erfahrung stehen: Krisenzeiten lassen sich meistern.“
Aus ihren Elterntrainings gibt die Familientherapeutin drei Impulse, die das Zusammenleben mit Heranwachsenden im Alltag erleichtern können:
Aktives Zuhören
Viele Konflikte entstehen, weil Eltern im Gespräch mit ihrem Teenager sofort reagieren, anstatt zunächst in Ruhe zu überlegen: Welches Ziel kann sein oder ihr Verhalten haben? Viele Teenies rebellieren, weil sie von ihren Eltern vor allem eines wollen: Aufmerksamkeit. „Biete deinem Kind nicht direkt Lösungen an, sondern zeige ihm, dass es in diesem Moment deine komplette Aufmerksamkeit hat“, rät Elterntrainerin Azrak.
Ganz konkret kann das so aussehen, dass Eltern zunächst ihr Kind ganz in Ruhe ausreden lassen und ihm nicht ins Wort fallen. Hilfreich ist es, die Worte des Kindes dann noch einmal zusammenfassen. „Habe ich dich richtig verstanden, dass du sehr wütend bist, weil du wegen Corona gerade deine Freunde nicht sehen kannst?“ Auf diese Weise merkt der Teenager, dass der Elternteil wirklich zugehört hat, bekommt aber nicht direkt einen Lösungsvorschlag aufs Auge gedrückt. Er sieht seine eigenen Gefühle gespiegelt und fühlt sich verstanden.
Sohn oder Tochter sollten dann in die Selbstverantwortung gehen und zunächst selbst nach Ideen und Möglichkeiten suchen. „Was möchtest du jetzt tun? Was könnte dir jetzt ganz konkret helfen? Gibt es etwas, das ich für dich tun kann?“ Mit solchen und ähnlichen Worten können Eltern ihren Teenager unterstützen, ohne übergriffig zu sein oder stets allwissend zu wirken.
Wessen Problem ist es?
Eltern machen sich oft die Schwierigkeiten und Herausforderungen ihrer Kinder zu Eigen. Im Baby- und Kleinkindalter ist das normal und sinnvoll. Pubertierende dagegen können schon vieles alleine bewältigen und lösen. Den richten Zeitpunkt los- und locker zulassen, verpassen allerdings viele Mütter und Väter. Und das führt im Alltag immer wieder zu Konflikten. „Wenn mein 14-Jähriger keine Lust auf Mathe hat und deswegen schlechte Noten schreibt, ist das in erster Linie und vor allem sein eigenes Problem“, findet Elke Azrak.
Das bedeute nicht, dass wir unser Kind mit diesem Thema alleine lassen müssen. Wir dürfen und sollten unserem Teenager Begleitung anbieten und gemeinsam nach Wegen suchen. Doch die Verantwortung für die Problemlösung trägt zunächst einmal der Pubertierende selbst. Eltern dürfen ihrem Kind mit zunehmendem Alter verstärkt ihre eigenen Probleme zugestehen und sich daher im Alltag immer wieder selbst fragen: „Wessen Problem ist es gerade? Meins oder das meines Kindes?“
Das könnte Sie auch interessieren:
Doch genau das einzusehen, fällt vielen Eltern sehr schwer. Auch dabei hilft das Step-Elterntraining. Eine Mutter erzählt: „Ich habe hier gelernt meine Kinder mehr auf Augenhöhe zu sehen. Sie sind nicht mehr die Kleinen, vieles können sie tatsächlich schon selbst. Ich versuche jetzt nicht mehr, ihre Probleme zu lösen, sondern ihnen bei der Lösungsfindung zu helfen.“ Wenn Teenager das spüren, honorieren sie das. Zumindest langfristig. Ein anderer Vater gibt zu: „Es fällt mir nach wie vor sehr schwer, beim Thema Schule loszulassen.“ Erziehung ist ein Prozess. Auch und gerade bei Teenagern.
Ermutigen statt loben
Viele Eltern loben ihre Kinder möglichst häufig, um gewünschtes und positives Verhalten zu verstärken. Das ist verständlich, aber aus pädagogischer Sicht nicht immer sinnvoll. „Lob ist immer eine Bewertung. Ermutigung dagegen ist ein Geschenk“, vermittelt Therapeutin Elke Azrak den Müttern und Vätern. Heranwachsende wollen nicht ständig bewertet werden. In vielen Bereichen ihres Lebens möchten sie am liebsten schon ihr eigenes Ding machen – auch eigene Fehler. Ermutigung dagegen tut ihnen gut. „Ich weiß, dass du das schaffen kannst. Trau dich“, könnte solch ein Ermutigungssatz sein.
Training für Eltern
Das „Step-Elterntraining“ ist systematisch aufgebaut und alltagsnah. Angeboten wird es für Eltern von Kindern bis 6, für Kinder ab 6 und für Eltern von Teenagern. Mütter und Väter bekommen konkrete Tipps und Ideen, auch durch Rollenspiele, um das Zusammenleben in der Familie reibungsloser zu gestalten. Der nächste Kurs „Step-Elterntraining für Eltern von Teenagern“ startet vorausichtlich am 26.8.2020.
Mehr Infos gibt es unter: instep-online.de und eb-neubrueck.de
Ein ebenfalls beliebter Eltern-Kurs ist „Starke Eltern, starke Kinder“, der vom Deutschen Kinderschutzbund regelmäßig auch in Köln angeboten wird.
Mehr Informationen finden Sie hier: Kinderschutzbund-koeln.de
Ein weiteres, deutschlandweites Angebot bilden die Kurse von Kess-erziehen. Vermittelt werden den Eltern hier eine achtsame und respektvolle Haltung den Kindern gegenüber sowie ein konsequenter Umgang miteinander in der Familie.
Weitere Infos: kess-erziehen.de
Eltern sollten im Alltag nicht nur auf das schauen, wo es hapert. Sondern vor allem darauf, was gut läuft im Zusammenleben. Ein Vater von drei Töchtern und einem Teenager-Sohn erzählt im Kurs: „Ich gehe jetzt öfter spazieren mit meinem Sohn und von dieser Exklusiv-Zeit profitieren wir beide. Währenddessen spreche ich bewusst Themen an, die positiv oder sogar lustig sind. Humor tut uns beiden bei diesen Gesprächen sehr gut.“
Oft sind es kleine Dinge, die den Familienalltag leichter machen. Zum Beispiel eine regelmäßige Familienkonferenz. Diese kann mit der Frage an alle starten: Was läuft gerade gut bei uns? Und dann kann jeder der Reihe nach über sein Empfinden und seine Wünsche an die anderen reden. Wer sich nicht selbst äußern mag, kann sein Anliegen auch auf einen Zettel schreiben und vorab in den Familienbriefkasten werfen, zum Beispiel in eine beklebte Pappschachtel. Bei der Konferenz wird dann alles vorgelesen und gemeinsam besprochen. So hat jeder die Chance, Gehör zu finden – mit den Themen, die ihm oder ihr gerade auf der Seele brennen.
In ihren Kursen informiert Elke Azrak auch darüber, was entwicklungsbedingt neurologisch und hormonell gerade abläuft im pubertierenden Gehirn. „Das ist vergleichbar mit einer riesigen Baustelle. Daher sollten sich Eltern immer wieder bewusst machen, dass nicht alles, was sie am Verhalten des Teenies stört, persönlich gegen sie gerichtet ist.“ Sondern einfach der besonderen Lebensphase geschuldet.