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Nicht nur AlteWarum Einsamkeit sich durch alle Generationen zieht

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Besonders häufig sind junge Menschen zwischen 16 und 25 Jahren einsam (Symbolbild).

Köln – Ein unangenehmes, schmerzhaftes, quälendes Gefühl im Inneren des eigenen Körpers. Der hoffnungslose Gedanke, nie mit einem anderen Menschen innig verbunden zu sein. Das Gefühl der Ohnmacht, diesen Zustand niemals ändern zu können. So beschreibt Prof. Dr. Michael Klein die Empfindungen, die einsame Menschen plagen.

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Prof. Dr. Michael Klein.

Michael Klein ist Psychologischer Psychotherapeut in Köln und beschäftigt sich bereits seit 1988 mit Einsamkeit. Ein Thema, dass in den vergangenen Jahren immer mehr Aufmerksamkeit in der öffentlichen Diskussion fand. Ein Zustand, der vor allem mit der Corona-Pandemie auf immer mehr Menschen zutrifft. Erst Ende September veröffentlichte die Enquete-Kommission des Düsseldorfer Landtags, dass sich jeder siebte Mensch in NRW einsam fühlt.

Alleinstehend ist ein Risikofaktor für Einsamkeit

Unter diesen Menschen befinden sich besonders häufig Männer und Frauen ab einem Alter von 65 Jahren. Eine Altersgruppe, in der mehr als jede oder jeder Dritte in NRW Single ist, wie das Statistische Landesamt kürzlich mitteilte. „Alleinstehend ist ein Risikofaktor“, sagt Michael Klein. „Für diese Menschen sind die Anforderungen, das Leben zu bewältigen, höher als bei Menschen in Beziehungen.“

Oftmals sind diese Menschen unfreiwillig Single, denn rund 66 Prozent der Alleinstehenden über 65-Jährigen sind verwitwet, 18 Prozent geschieden. „Akute Einsamkeit tritt nach einem Verlusterlebnis, nach einer Trennung, einem Todesfall, aber auch nach einem Umzug auf“, sagt Michael Klein.

Junge Menschen sind besonders einsam in NRW

Doch nicht nur Menschen, die sozial isoliert sind, können einsam sein. „Zahlreiche Forschungen bestätigen, dass wir die höchsten Einsamkeitswerte zudem in der Jugend und im frühem Erwachsenenalter haben“, sagt der Psychologe. Das sind Menschen zwischen 16 und 25 Jahren. Die Enquete-Kommission fand ebenfalls heraus, dass sich jeder dritte Studierende in NRW einsam fühlt.

Obwohl gerade diese Gruppe aufgrund von Schule und Studium fast täglich unter Menschen ist, betrifft sie die emotionale Einsamkeit am häufigsten, sagt Michael Klein: „Das sind Menschen, die gerne mehr Kontakte hätten, es aber nicht hinkriegen, weil ihnen die psychosozialen Kompetenzen fehlen.“

Eine stabile Eltern-Kind-Beziehung ist wichtig fürs Leben

Kompetenzen, die sie aufgrund des gesellschaftlichen Wandels der vergangenen Jahrzehnte nicht erworben haben. Unter anderem ist die Anzahl der arbeitenden Mütter stark gestiegen. Diese jedoch bildet in der Regel als sogenanntes Beziehungsobjekt die Basis für intime und wertvolle Beziehungen im Erwachsenenalter. „Die Qualität der Beziehung zur Mutter ist die Basis der späteren Beziehungen der Menschen im Leben“, sagt Klein.

Dabei unterscheidet die Psychologie zwischen sicher und unsicher gebundenen Menschen. „Die unsicher gebundenen Menschen kriegen schneller Angst, sind leichter irritierbar oder haben ein geringeres Selbstwertgefühl“, sagt Klein.

„Rund 40 Prozent der Kinder und Jugendlichen gehören heutzutage dazu.“ Grund dafür sei die instabile Eltern-Kind-Beziehung: Die Mutter oder der Vater sind gestresst, psychisch krank, haben selbst keine sichere Bindung erfahren oder aufgrund ihres Jobs weniger Zeit für ihr Kind.

„Was wir aber auch vor allem feststellen ist, dass viele Mütter und Väter mehr mit elektronischen Medien beschäftigt sind und dem Kind weniger Aufmerksamkeit schenken.“ Bei sicheren Bindungen hingegen haben Kinder das Gefühl, dass sie sich bei Schmerzen und Ängsten jederzeit an ihre Mutter wenden können und dort auch getröstet werden, sagt Klein weiter.

Corona-Pandemie als neuer Risikofaktor für Einsamkeit

Ein neuer Risikofaktor für ein erhöhtes Einsamkeitsgefühl ist die Corona-Pandemie, die zahlreichen Lockdowns, monatelanges Homeoffice oder Social-Distancing. Die Forschungen, wie die Pandemie Einsamkeit beeinflusst, sind noch nicht am Ende, „aber was wir bisher wissen ist, dass das Gefühl von Einsamkeit zugenommen hat.“

Viel spannender sind für den Psychologen allerdings die Nachwirkungen. „Ich kann mir durchaus vorstellen, dass die Einsamkeitsgefühle bei vielen betroffenen Menschen nicht nachlassen. Vor allem könnten das wieder die Jugendlichen sein, die diese Sozialtechniken vor der Krise noch gar nicht so richtig erlernt hatten.“

Online-Freundschaften ersetzen keine realen Kontakte

Viele soziale Kontakte hatten die 16- bis 24-Jährigen im vergangenen Jahr vor allem über die sozialen Medien. Nach Auswertungen des Statistischen Bundesamtes nutzen 89 Prozent Instagram oder Facebook für private Kommunikation. Damit fallen die meisten Nutzer unter diese Altersgruppe. In Zeiten, in denen private Treffen nahezu verboten waren, verständlich.

Allerdings mindern Online-Freundschaften das Gefühl von Einsamkeit nicht, sagt Michael Klein. Echte intime Bindungen könnten nur bei realen Treffen aufgebaut werden. „Online wird nicht die gleiche emotionale Tiefe erzeugt.“

Eine große Rolle spielen die Sinne. Das Hören der Stimme, das Sehen von Gestik und Mimik, das Wahrnehmen von Gerüchen, kleine Berührungen, innige Umarmungen. „Digitale Medien können ein guter Türöffner sein, um erste Hemmungen zu überwinden, aber sie sind nicht ausreichend.“

Dabei braucht ein Mensch keinen großen Freundeskreis, um sich nicht einsam zu fühlen. Aus psychologischer Sicht ist die Qualität der Beziehungen wichtiger, sagt Michael Klein, „aber nur wenn ich ein bis zwei enge und verlässliche Freunde habe.“

Folgen von Einsamkeit: Depressionen, Sucht & Suizid

Fehlen diese engen Kontakte, ist das Risiko einsam zu sein höher. Wer mehr als ein Jahr lang das schmerzhafte, quälende Gefühl der Einsamkeit und die Hoffnungslosigkeit verspürt, fällt in eine chronische Einsamkeit.

Die Folgen können unterschiedlich sein. Frauen verfallen öfter in eine Depression als Männer, sagt Michael Klein. Bei Männern sei häufiger eine Alkohol- oder Drogensucht zu beobachten. Suizid ist für einsame Menschen ohne die Aussicht auf Besserung der letzte Ausweg. Vor allem für Männer. „Sie begehen dreimal so häufig Suizid wie Frauen“, sagt Michael Klein.

Zerfall der Gesellschaft aufgrund einsamer Menschen

Einsamkeit hat aber nicht nur Auswirkungen auf die Betroffenen. Die verstärkte Zunahme ist eine Gefahr für die gesamte Gesellschaft. „Die Folge wäre ein Zerfall, die Zerstörung der Gesellschaft. Durch übermäßige Individualisierung, um es positiv zu sagen, oder durch übermäßige Vereinsamung, um es negativ zu sagen.“ Denn beide Faktoren führten dazu, dass der Zusammenhalt der Gesellschaft verloren gehe.

Für Michael Klein ist es daher die Aufgabe der Gesellschaft, Angebote für soziale Aktivitäten, aber auch Selbsthilfegruppen oder Therapieplätze zur Verfügung zu stellen sowie zu vermitteln. „Man muss den Menschen aber auch öffentlich, über zum Beispiel Medien, erklären, was Einsamkeit ist“, sagt Klein.

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„Nur so merken einige, was überhaupt mit ihnen los ist.“ Aber vor allem müsse das Thema in der Gesellschaft enttabuisiert werden. „Menschen sollen sich zugestehen dürfen, dass sie einsam sind und dass sie sich Hilfe holen dürfen.“

Trotz aller Negativität, die mit dem Thema Einsamkeit assoziiert wird, kann der Zustand von Einsamkeit auch positive Folgen haben, sagt Michael Klein: „An einer akuten Einsamkeit kann man auch wachsen. Das ist eine Bewältigungsherausforderung und eine Chance, sich weiterzuentwickeln und offener zu werden. Wenn es gut läuft.“