Für Kinder ist der Start in die Schule nicht immer leicht. Wie können Eltern ihr zukünftiges Schulkind gut vorbereiten?
Fit für die EinschulungWas Eltern Kindern vor dem Schulstart beibringen sollten
Es gibt im Leben eines Kindes viele bedeutende Schritte – der Übergang in die Schule aber gehört zu den besonders großen Sprüngen. „Die Einschulung ist eine riesige Herausforderung für ein Kind“, sagt die Grundschulpädagogin, Bloggerin und dreifache Mutter Saskia Niechzial, „denn alles ist auf einmal neu.“ Das Kind komme nicht nur in eine Gruppe unbekannter Kinder und habe auf einmal viele neue Bezugspersonen, sondern müsse sich auch in einer neuen Umgebung mit anderer Tagesstruktur und strengerem Regelsystem zurechtfinden.
Eltern können zuvor aber viel dazu beitragen, damit ihr Kind in dieser neuen Situation besser zurechtkommt. „Es gibt ein riesiges Feld an kognitiven, emotionalen und sozialen Fähigkeiten, die Kinder in der Schule gut gebrauchen können“, sagt Niechzial. Die müssten aber nicht alle zum Schulstart fertig ausgebildet sein. „Eltern müssen in der Vorschulzeit also nicht panisch alles Mögliche in Bewegung setzen, dem Kind auf den letzten Drücker Sachen beibringen oder Lernhefte besorgen. Es geht darum, die Grundlagen zu legen.“ Sie sollten dabei genau schauen, wo ihr Kind gerade stehe, welche emotionalen Voraussetzungen es habe und mit welchen Dingen es sich noch schwertue. „Schulvorbereitung sieht bei jedem Kind etwas anders aus.“
Um später gut in einer neuen Klasse bestehen zu können, sei es grundsätzlich wichtig, die Selbstkompetenz eines Kindes zu stärken. „Dazu gehört zum Beispiel, dass ein Kind erkennen kann, wie es sich fühlt und diese Gefühle und Bedürfnisse auch selbst ausdrücken kann.“ Dann sei es im Unterricht auch in der Lage, auf sich aufmerksam zu machen, etwa wenn es auf die Toilette müsse. „Diese Selbstkompetenz können Eltern bereits ab Geburt bei ihrem Kind stärken, indem sie authentisch mit ihm umgehen und gute Vorbilder sind. Die meisten Eltern machen hier sowieso schon ganz viel richtig.“ Wichtig sei, die gesamte Gefühlswelt des Kindes zuzulassen und ihm beizubringen, wie es seine Gefühle regulieren kann. „Dann gelingt es ihm auch, in der Klasse mit seinen Gefühlen sozial kompatibel umzugehen und wirft nicht vor lauter Wut einen Stuhl.“
Kinder sollten einen guten Wortschatz haben und Mengen erkennen
Um sich aber gut mitteilen zu können, braucht ein Kind kommunikative Fähigkeiten. „Die sprachlichen Fähigkeiten sind deshalb eine wichtige Voraussetzung für ein Schulkind“, sagt Grundschullehrerin Judith Kriebel von der Grundschule Merianstraße in Chorweiler. „Gerade bei Kindern, die mehrsprachig aufwachsen, ist der aktive Wortschatz häufig noch nicht altersgemäß entwickelt.“ Hier könnten Eltern zuvor viel unterstützen, indem sie zu Hause mit dem Kind Bilderbücher und Bildwörterbücher anschauten und darüber ins Gespräch kämen. „Sehr wichtig ist auch das Vorlesen, das im Optimalfall als tägliches Ritual in den Tagesablauf eingebaut wird.“ Auch im mathematischen Bereich müssten Kinder im Vorfeld Grundlagen beherrschen, um überhaupt erfolgreich rechnen zu können. „Ein Kind sollte zum Beispiel kleine Mengen bis vier ohne Zählen erkennen und Sachen klassifizieren und ordnen können.“ Eltern sollten Kindern die Welt der Zahlen am besten spielerisch eröffnen. „Die Tages- und Uhrzeit benennen, den Busfahrplan lesen – Mathematik kommt überall im Alltag vor.“
Aber auch ganz lebenspraktische Fähigkeiten sollten Kinder besitzen, bevor sie in die Schule kommen. „Kinder müssen selbständig ihre Jacke anziehen oder eine Schleife binden können“, sagt Judith Kriebel. In nicht wenigen Fällen gebe es da noch Defizite. „Manche Kinder wissen gar nicht, dass man eine Jacke an einem Haken aufhängen kann oder haben Schwierigkeiten, sich rund um den Sportunterricht zügig umzuziehen.“ Als Lehrkraft könne man hier unmöglich alle Kinder unterstützen. „Selbst wie man sich richtig die Hände wäscht oder eine Toilette gut hinterlässt, ist nicht immer bekannt.“ All das sollte Kindern zuvor bereits zuhause beigebracht werden.
Selbständig sein können Eltern Kindern im Alltag vermitteln
Für manche Kinder sei auch die Organisation im Klassenraum noch schwierig. „Sie haben Mühe, ihre Stifte in die Halterung des Mäppchens zu schieben, ihr Fach wiederzufinden oder ein Blatt abzuheften.“ Um diese Grundlagen mit ihnen zu üben, müssten Lehrer viel Zeit aufwenden. „Wir machen die Erfahrung, dass die Eigenverantwortung der Kinder noch nicht so weit entwickelt ist, wie es zu Schulbeginn sein sollte.“ Wenn Trinkflasche oder Jacke verloren gingen, hätten Kinder teilweise gar kein Bewusstsein dafür, dass Dinge einen Wert hätten.
Buchtipp: Saskia Niechzial: „Hallo Schulanfang! – Den Übergang vom Kindergarten in die Schule beziehungsorientiert begleiten", Beltz Verlag, 272 Seiten, 18 Euro
Wie man selbständig handelt und auf seine Sachen achtgibt, das könnten Eltern ihren Kindern ganz leicht zu Hause im Alltag vermitteln. „Sie könnten ihm kleine Aufgaben übertragen, wie den Müll runterzubringen oder die Spülmaschine auszuräumen.“ Dabei dürften sie ihm ruhig etwas zutrauen. „Auch in diesem jungen Alter können Kinder schon ganz viel schaffen. Sie wollen von sich aus vieles alleine machen und sind mehr als stolz, wenn sie ohne Begleitung zum Bäcker gehen dürfen.“ Aber auch was die Selbständigkeit betreffe, müsse man auf das einzelne Kind schauen, sagt Saskia Niechzial: „Manche Kinder haben von Natur aus ein hohes Selbständigkeitsstreben, andere Kinder muss man in bestimmten Bereichen etwas anschubsen.“
Eltern sollten Kinder auch mal an Hindernisse stoßen lassen
Nicht immer falle es Eltern leicht, das Kind Dinge selbst ausprobieren zu lassen. „Mein Eindruck ist, dass Kinder heute viel abgenommen bekommen“, sagt Judith Kriebel. Manche bekämen den Schulranzen bis ins Schulgebäude getragen. „Aber nur wenn Kinder schon im häuslichen Umfeld gelernt haben, Dinge selbstverantwortlich zu tun, sind sie auch fähig, Eigenverantwortung für ihr Lernen zu übernehmen.“ Selbst handlungsfähig zu sein, stärke wiederum das Selbstwertgefühl und die Resilienz eines Kindes. „Wichtig ist deshalb, dass Eltern nicht alle Hindernisse aus dem Weg räumen, sondern die Kinder auch mal an Hürden stoßen lassen und blöde Gefühle erleben lassen“, sagt Saskia Nichzial, „damit das Kind die Erfahrung macht: Auch wenn mal etwas schiefläuft, weh tut oder gar keinen Spaß macht, kann ich trotzdem damit umgehen.“
Bereits Erfahrungen gemacht zu haben, hilft auch im Kontakt mit neuen Schulkameraden. „Es ist wichtig, dass Kinder sich in den Jahren vor der Schule regelmäßig mit Gleichaltrigen treffen, um soziale Kompetenzen entwickeln zu können“, sagt Kriebel. „Ich empfehle besonders Sport im Verein, denn da kann ein Kind neben der Bewegung lernen, in den Austausch mit anderen Kindern zu gehen und in einem Team auch mal zurückstecken – so wie es das auch in der Klasse später tun muss.“ Wie schnell ein Kind nach der Einschulung im neuen Klassenverband Kontakte knüpfe, sei aber unterschiedlich, sagt Saskia Niechzial. „Schüchterne Kinder brauchen manchmal länger, um Kontakte aufzubauen. Deshalb sind sie aber nicht weniger sozial kompetent.“ Wichtig sei es, dem Kind diese Zeit zuzugestehen. „Früher oder später finden alle Kinder ihren Weg in die Schule, wenn man jedes von ihnen in seinem Charakter ernst nimmt.“
Mit Vorfreude auf die Einschulung blicken
Davor aber dürfe vor allem eins nicht vergessen werden: „Die Vorfreude auf diesen großen, tollen Schritt, auf den sind die meisten Kinder unglaublich stolz sind.“ Eltern sollten mit ihrem Kind deshalb auch positiv und optimistisch auf den Moment Schule schauen, zum Beispiel, indem sie gemeinsam mit dem Kind einen Schulranzen kauften oder eine Einschulungsparty planten.
Und auch nach der Einschulung blieben die Eltern natürlich die wichtigsten Bezugspersonen für ihr Kind. „Klar bedeutet das Loslassen für die Eltern auch Arbeit“, sagt Saskia Niechzial, „aber es ist nicht so, dass Eltern ihre Zuständigkeit am Schultor abgeben.“ Auch wenn sie nicht beeinflussen könnten, was das Kind in der Schule erlebe, seien sie trotzdem der sichere Hafen für das Kind. „Sie können es begleiten, auffangen und trösten.“ Und auch was die Lernunterstützung betreffe, seien Eltern nach wie vor gefragt, sagt Judith Kriebel. „Die Bildung liegt nicht komplett in den Händen der Schule. Übungs- und Lernphasen müssen auch nach dem Unterricht unterstützend zu Hause laufen.“
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