Wie gut können Kinder heute noch Rad fahren? Und worauf sollten Eltern beim Üben mit ihnen achten? Ein Kölner Polizist gibt Tipps.
Kölner Polizist„Es gibt Kinder, die in der 4. Klasse noch nicht Rad fahren können“
Wie es sich anfühlt, das erste Mal alleine auf zwei Rädern vorwärtszukommen und den leichten Fahrtwind im Gesicht zu spüren, das ist sicher einer der einprägsamsten Kindheitsmomente vieler Erwachsener. Aber wie geht es Kindern heute damit: Lernen sie überhaupt noch richtig Rad fahren? Das haben wir Verkehrssicherheitsberater Martin Ruppert von der Polizei Köln gefragt. Er kennt sich bestens aus, denn seit Jahren nimmt er an Kölner Grundschulen die Fahrradprüfung ab.
Wie gut können Kinder heutzutage noch Rad fahren?
„Eine klare Einschätzung, ob sie es heute besser oder schlechter können als früher, kann man nicht geben“, sagt Martin Ruppert, „es gibt einfach riesige Unterschiede zwischen den Kindern, abhängig davon, wie früh sie Rad fahren lernen.“ Das zeige sich sehr deutlich bei den Fahrradprüfungen. „Die Kinder, die mit vier oder fünf Jahren angefangen haben, sitzen bis dahin sicher auf dem Rad – ihnen muss ich nur noch erklären, wie sie sich im Straßenverkehr zu verhalten haben.“ Sie könnten Regeln leicht beim Fahren umsetzen. „Die Kinder, die erst seit kurzem überhaupt Rad fahren, haben oft noch Schwierigkeiten, sich überhaupt auf dem Rad zu halten.“
Wovon hängt es ab, ob Kinder gut Rad fahren können?
„Es hängt von den Eltern ab, wie sehr die sich fürs Fahrradfahren begeistern können, ob sie selbst fahren, ihre Kinder fahren lassen und mit ihnen im Straßenverkehr üben“, sagt Ruppert. Manche Eltern hätten überhaupt kein Interesse am Radfahren und stellten ihren Kindern deshalb auch kein Rad zur Verfügung. Die Gründe dafür sind vielfältig. „Manchen Familien fehlt schlicht das Geld, selbst um ein gebrauchtes Fahrrad zu kaufen.“
Können manche Kinder gar nicht mehr Rad fahren?
„Es gibt tatsächlich Kinder, die in der 4. Klasse noch nicht Rad fahren können, weil sie es eben nie gelernt haben.“ Das seien aber erfahrungsgemäß nur wenige. „Ich würde sagen, etwa vier bis fünf Kinder pro Grundschule.“ Ein bis zwei Kinder pro Klasse hätten in der Regel auch kein eigenes Fahrrad. „Manche erzählen mir, dass sie gerne würden, ihre Eltern ihnen aber kein Rad besorgen.“
Fehlen Radfähigkeiten, weil Kinder heute zu viel kutschiert werden?
„Weil berufstätige Eltern morgens unter Zeitdruck stehen oder der Schulweg zu weit ist, werden manche Kinder mit dem Auto oder Lastenrad zur Schule gefahren“, erzählt Ruppert. Oft wollten Eltern ihr Kind auch aus Sicherheitsgründen nicht überall alleine fahren lassen. „Davon hängt aber nicht ab, ob ein Kind gut Rad fahren kann.“ Schließlich gehe ja auch beides, diese Kinder würden dann vielleicht zu Hause Rad fahren. „Irgendwann werden sie ohnehin größer und wollen nicht mehr im Lastenrad sitzen, sondern selbst fahren.“
Viele Kinder bewegen sich zu wenig – zeigt sich das auch beim Rad fahren?
„Es ist für manche Kinder tatsächlich körperlich schwierig, Rad fahren zu lernen. Bestimmte Übungen fallen ihnen dann besonders schwer“, berichtet Martin Ruppert. Sie machten aber oft schnelle Fortschritte, wenn sie erst einmal übten. „Alle Kinder können es lernen und es ist nie zu spät dafür!“
Welche Fähigkeiten erwerben Kinder durch das Rad fahren?
Durch das Rad fahren würden Kinder auf vielen Ebenen geschult. „Sie lernen frühzeitig motorische Fähigkeiten, zum Beispiel das Gleichgewicht zu halten und dabei verschiedene Bewegungen zu machen.“ Auch die Reaktionsfähigkeit werde gefördert, denn Kinder müssten auf unerwartete Situationen reagieren und etwa plötzlich bremsen. „Vor allem aber erlangen sie die Fähigkeit, sich im Verkehrsraum zu orientieren.“ Das sei die Grundlage, um sich später auch mit anderen Fortbewegungsmitteln gut im Straßenverkehr zu bewegen.
Braucht es heute noch eine Fahrradprüfung an der Schule?
Die Fahrradprüfung an Grundschulen ist eine schulische Lernzielkontrolle, die die Polizei auf Wunsch der Schulen unterstützt. „Die Radprüfung in der 4. Klasse ist so wichtig, weil Kinder nach dem Schulwechsel in die 5. Klasse oft weitere Strecken alleine mit dem Rad zurücklegen müssen“, erklärt Ruppert. Die Fahrradprüfung sei außerdem eine sehr gute Gelegenheit, Rad fahren aktiv zu üben. „Auch die Kinder, die bisher kaum gefahren sind, beschäftigen sich nun damit.“ Es gehe hier auch um nachhaltige Erziehung: „Wir wollen die Kinder auch deshalb zum Rad fahren ermutigen, weil es klimafreundlich ist und im sehr beengten Kölner Verkehrsraum wenig Platz braucht.“
Fallen manche Kinder durch die Fahrradprüfung?
Die Schulen übten ja mit den Kindern im Vorfeld auf dem Schulhof oder Verkehrsübungsplatz und schauten da bereits, ob ein Kind sicher mit dem Fahrrad umgehen könne. Schon da werde versucht, gewisse Defizite durch Üben aufzufangen. „Wenn ein Kind für die Radprüfung zugelassen ist, lasse ich es in der Regel nicht durchfallen“, sagt Martin Ruppert, „denn mein Ziel ist es, die Kinder zu motivieren, auch in Zukunft weiter Fahrrad zu fahren.“ Die Freude über eine erfolgreiche Prüfung sei immer groß. „In Einzelfällen kommt es vor, dass ein Kind nicht an der Radprüfung teilnehmen kann oder ich abbrechen muss, da es sonst sich selbst gefährden würde, zumal die Prüfung ja im öffentlichen Straßenverkehr stattfindet“.
Gibt es in Köln genug Plätze, wo Kinder Rad fahren (üben) können?
Es gebe offizielle Verkehrsübungsplätze in Köln, auf denen Eltern mit ihren Kindern üben können. „Am praktischsten ist es aber, wenn Eltern mit ihren Kindern frühzeitig in einem Schonraum in ihrer Nähe üben, zum Beispiel im Hof, auf einem Feldweg, im Park oder in einem verkehrsberuhigten Wohngebiet.“ Wichtig sei dabei eine gute Ausstattung: „Das Rad sollte verkehrssicher sein und das Kind einen nicht zu locker sitzenden Helm und im Idealfall eine Warnweste tragen. Eltern sollten da übrigens mit gutem Beispiel vorangehen.“
Wie kann man Kinder zum Rad fahren motivieren?
Kinder ließen sich oft durch ein schönes Ziel zum Rad fahren motivieren. „Eine kurze Strecke zum Freund, zur Eisdiele oder zum Spielplatz fahren, das finden sie meistens toll.“ Auch gemeinsame Radtouren seien perfekt. „Dabei wird das Kind nicht nur beim Fahren routinierter, es werden auch noch der sportliche Aspekt und die Ausdauer gefördert und wertvolle Familienzeit verbracht.“
Tipps für Eltern: Wie kann man gezielt mit dem Kind üben?
- Das Kind sollte zunächst alleine aufsteigen und losfahren können, ohne umzufallen und sich auf dem Rad halten können, ohne zu wackeln.
- Anschließend kann es langsam Slalom und Kreise fahren üben.
- Das Kind kann versuchen, abwechselnd eine Hand auszustrecken.
- Die Ball-Übung: Ein Erwachsener streckt eine Hand mit Ball aus und das Kind versucht, den Ball im Fahren zu greifen und ihn danach jemand anderem zuzuwerfen. Dadurch übt man mehrere Koordinationsfähigkeiten, die später im Straßenverkehr gebraucht werden.
- Bremsen und Vollbremsung üben, damit das Kind im Zweifelsfall in einer Gefahrensituation seine Geschwindigkeit schnell drosseln kann.
- Funktioniert all das gut, kann man obige Übungen in größerer Geschwindigkeit machen und zusätzlich den Schulterblick während der Fahrt trainieren.
- Eltern können schon erste Verkehrsregeln beibringen.
- Infovideo der Kölner Polizei: Kinder sicher unterwegs mit dem Fahrrad