Alleinerziehende erzählen„Mein Mann verließ mich, als unsere Tochter 14 Tage alt war“
- Als Alleinerziehende hat man mit vielen Vorurteilen zu kämpfen:. "Es ist aber nicht so, dass sie per se arm und überfordert sind und Kette rauchend in einem Wohnblock hängen", sagt Silke Wildner, eine unserer Protagonistinnen.
- Hinter jeder Trennung steckt eine Geschichte. Manchmal traurig, manchmal wütend, fast immer zuversichtlich.
- Vier Frauen erzählen hier ihre ganz eigene Geschichte, wie sie die Trennung überwunden haben und heute ihr Leben mit Kind organisieren.
Köln – Die vier Frauen in dieser Geschichte haben alle eine Trennung hinter sich. Manche wurden verlassen, manche haben den Schritt selbst gewagt und sind heute stolz darauf, mutig gewesen zu sein. Alle haben Kinder, die sie entweder alleine oder abwechselnd betreuen. Hier erzählen sie, wie es ihnen geht.
Sarah Zöllner, 40 Jahre alt, Lehrerin aus Köln
Ich habe mich vor drei Jahren von meinem Partner getrennt, da war unser Sohn anderthalb Jahre alt. Wir teilen uns seitdem die Betreuung. Ich bin also getrennterziehend, nicht alleinerziehend. Trotzdem ist das Leben heute natürlich ganz anders als vor der Trennung. Ich fand es zuerst schwierig, den kompletten Alltag alleine zu erleben und zu regeln und habe nach Menschen in einer ähnlichen Lebenssituation gesucht. Mein erster Anlaufpunkt war damals ein Brunch in der Gemeinde St. Bruno in Sülz. Dort habe ich recht schnell viele andere Mütter kennengelernt. Die Frauen dort stehen alle sehr im Leben und entsprechen nicht dem Klischee der armen Alleinerziehenden. Da fühlte ich mich aufgehoben.
Mit meinem Mutter-und-Sohn-Blog habe ich 2018 angefangen. Auslöser war ein Streitgespräch mit einer Kollegin. Es ging darum, inwieweit die Fürsorgearbeit in den Beruf hineinspielen darf. Meine Kollegin hat ihre Mutter gepflegt und ich hatte meinen kleinen Sohn. Eigentlich eine ähnliche Situation, aber sie hatte für mich null Verständnis, wenn ich mal mit dem Kind zu Hause bleiben musste. Das hat mich dazu motiviert, gesellschaftlich etwas verändern zu wollen. Wir brauchen das Bewusstsein, dass man mit Kind anders im Beruf agieren können muss und darf, als wenn man komplett ungebunden ist.
Blog und Buch
Den Mutter und Sohn Blog finden Sie hier: www.mutter-und-sohn.blogSarah Zöllner hat auch ein Buch geschrieben, das mittlerweile in der zweiten Auflage erschienen ist: „Alleinerziehend – und nun? Texte der Stärkung bei Trennung und Verlust“, 12,90 Euro
Gemeinsam mit Christina Rinkl (siehe Protokoll unten) habe ich 2018 in Köln den Alleinerziehenden-Stammtisch gegründet. Vor Corona kamen manchmal bis zu 20 Frauen zu unseren Treffen, Männer dagegen fast nie. Die Kontakte, die ich über den Stammtisch gemacht habe, haben mir schon oft weitergeholfen. Aus einigen sind sogar enge Freundschaften entstanden.
Das Schlimmste nach der Trennung war am Anfang für mich, alleine zu sein. Ich fand es auch schwierig, den Schmerz auszuhalten und gleichzeitig stark für mein Kind sein zu müssen. Aus dieser schweren Zeit ist aber auch etwas sehr Gutes entstanden: Ich habe gelernt, mir Hilfe zu holen und mich mit Menschen zu verbinden. Das ist eine Entwicklung, die mir Kraft gibt. Aus etwas sehr Negativem und Schmerzvollem haben sich richtig gute Dinge entwickelt. Das möchte ich anderen Leuten vermitteln, auch durch mein Buch. Es freut mich, wenn ich damit für andere Allein- und Getrennterziehende ein Vorbild sein kann.
Christina Rinkl, 38 Jahre alt, Journalistin und Coach aus Frechen
Ich habe mich von Anfang an als Getrennterziehende gesehen, nicht als Alleinerziehende, denn der Vater meines Sohnes war immer präsent. Wir betreuen unseren Achtjährigen momentan zu gleichen Teilen. Ich weiß, dass viele Alleinerziehende, die keine oder kaum Unterstützung haben, während des Lockdowns absolut an ihre Grenze gekommen sind – und darüber hinaus.
Meine Trennung war nicht leicht. Aber das ist für mich bis heute die Motivation, daraus etwas Gutes zu machen und anderen mit meiner Erfahrung zu helfen. Ich hätte mir damals sehr gewünscht, dass mir jemand zur Seite steht, habe aber kaum Angebote gefunden. Es gibt zwar Beratungsstellen, doch dort sitzen mitunter Leute, die selber keine Trennung mit Kind durchgemacht haben. Wer diesen Weg nicht gegangen ist, kann aus meiner Sicht anderen kaum helfen.
Mir ist es wichtig, mit meiner Arbeit als Trennungscoach und Autorin zu vermitteln, dass das Bild der Alleinerziehenden bunt ist. Ich treffe in meinen Coachings sehr viele, die nach vorne schauen. Sie nehmen ihr Leben in die Hand und sehen sich nicht als Opfer der Umstände.
Blog und Beratung
Christina Rinkl unterstützt Frauen und Mütter vor und nach der Trennung. Mehr Informationen und Kontakt: www.trennungs-coach.de
Außerdem schreibt sie einen Blog für Eltern, die nicht mehr zusammen sind. Hier geht es um den Alltag von Getrennterziehenden: www.getrenntmitkind.de
Trennung ist immer hart, für die Kinder und für die Erwachsenen. Daran lässt sich nichts beschönigen. Aber wenn es so kommt, gilt es das Beste daraus zu machen. Man kann daran sehr wachsen, denn eine Trennung wirft uns zurück auf uns selbst und zwingt uns, uns mit unseren eigenen Themen zu beschäftigen. Du darfst dich noch einmal neu ausrichten und fragen: Wie will ich leben? Was ist mir wichtig? Was möchte ich noch umsetzen? Daraus lässt sich viel Kraft ziehen. Viele empfinden es dennoch nach wie vor als großen Makel, getrennt zu sein. Diese Einstellung darf sich noch ändern, in der Gesellschaft, aber auch in den Köpfen der Betroffenen selbst.
In meinen Coachings verdeutliche ich meinen Kunden: Du bist der wichtigste Partner in deinem Leben. Auch wenn du wieder jemand Neues hast. Man kann mit einem neuen Partner schöne Momente teilen, aber letztendlich kann der andere nur das Sahnehäubchen sein. Wichtig ist, dass man sich vor allem selbst gut behandelt. Ich selbst habe mittlerweile einen neuen Partner und vor kurzem sogar noch ein Baby bekommen.
Silke Wildner, 43 Jahre alt, Designerin aus Bad Nauheim
Ich bin den ganz klassischen Weg gegangen: Erstes Kind, verheiratet, Eigenheim. Man denkt ja, wenn man eine Familie gründet, heiratet und ein Haus hat, ist man total angekommen und fertig. Mein Mann hat mich dann verlassen, als unsere Tochter, das zweite Kind, gerade 14 Tage alt war. Zuerst hatte ich große Angst vor dem Alleinsein, aber als er ausgezogen war, ist große Ruhe eingekehrt. Heute haben die Kinder mit ihrem Vater unregelmäßigen Umgang. Er ist so eine Art Satellitenpapa, der ab und zu mal da ist.
Vor den Kindern habe ich als Creative Director in einer Agentur sehr viel gearbeitet. Das ging mit meinem Sohn natürlich nicht mehr. Ich wollte aber trotzdem nicht in Teilzeit arbeiten, weil es einfach nicht lukrativ ist. Also habe ich mich selbstständig gemacht und arbeite seitdem vormittags, wenn die Kinder weg sind, von zu Hause aus. Viele fragen mich deshalb: „Bist du wahnsinnig, alleinerziehend und selbstständig zu sein?“ Aber ich komme gut klar. Für Alleinerziehende ist es besonders wichtig, die Finanzen im Griff zu haben. Alleinerziehende sollten lernen, für sich selbst zu sorgen und nicht so viel Sicherheit auf den Partner zu legen.
Als Alleinerziehende hat man mit vielen Vorurteilen zu kämpfen. Bei uns hing zum Beispiel eines Tages einfach eine Tüte mit Kleidung am Garderobenhaken meiner Tochter im Kindergarten, als könnten wir uns selbst nichts zum Anziehen kaufen. Es ist nicht so, dass Alleinerziehende per se arm und überfordert sind und Kette rauchend in einem Wohnblock hängen. Nur kriegt man in den Medien keine positive Geschichte dazu. Deshalb habe ich meinen Blog ganz bewusst „gut alleinerziehend“ genannt.
Blog und Podcast
Silke Wildner „Gut leben als Alleinerziehende“, 23,99 Euro.
Blog und Podcast www.gut-alleinerziehend.de
Mittlerweile kann ich mich für meine Rechte sehr gut einsetzen, aber auch erst, seitdem ich mich selbst wertschätze und mich nicht mehr als mangelhaftes Wesen betrachte. Als Alleinerziehende muss man erst lernen, für sich selbst einzustehen. Am Anfang ist es allerdings ziemlich schlimm und harte Arbeit. Man muss sich Netzwerke aufbauen und Hilfe suchen. Es ist die größte Lebenskrise, die ich jemals hatte. Aber Lebenskrisen schaffen zugleich etwas Neues. Man schaut sich sein Leben noch einmal aus einem anderen Blickwinkel an und fragt sich: Was war gut, was war schlecht? Und vor allem: Was will ich eigentlich selbst? Was sind meine Bedürfnisse und nicht nur die meiner Kinder oder meines Partners? Es ist wichtig, sich selbst nicht dauerhaft zu vernachlässigen. Viele Alleinerziehende vergessen das. Nachdem ich durch diese Krise durch war, konnte ich sagen: Ich habe mich noch nie so gut gekannt wie jetzt.
Lioba Lepping, 47 Jahre alt, Redakteurin aus Köln
Der Traum von der eigenen Familie, den meine Eltern, mein Bruder und meine Schwester mit je drei Kindern so scheinbar perfekt vorleben, war bei mir schnell ausgeträumt. Mein Sohn war ein Jahr alt, als sein Vater und ich uns trennten. Das Gefühl von Scheitern und „es nicht geschafft zu haben“ begleitete mich lange. Familie ist ein fast so stark mit Heils-und Glücksversprechen überfrachteter Begriff wie Mutter. Nun war ich sogar doppelt gescheitert, denn die perfekte Mutter hat ja den perfekten Vater an ihrer Seite und lebt glücklich mit ihm bis ans Ende ihrer Tage. Stattdessen zog ich aus der Dreizimmer-Altbauwohnung im angesagten City-Viertel in die Zweizimmer-Schublade in Ehrenfeld. Und verschlechterte so erstmal meine Lebenssituation für mich und mein Kind – zumindest materiell.
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Inzwischen bin ich stolz. Stolz darauf, nicht verharrt zu sein in einer unglücklichen Beziehung, nur um den Anschein der „happy family“ zu wahren. Stolz, dass ich mutig war und nicht verzagte. Dankbar, dass ich Freunde und Familie an meiner Seite hatte, die mich unterstützt haben. Vor allem auch ganz praktisch, wenn es darum ging, meinen Sohn zu betreuen in den Ferien oder im Alltag, so dass ich auch meinen Vollzeit-Job durchziehen kann, ohne ständig in Babysitter investieren zu müssen.
Ich habe mein soziales Netzwerk ausgebaut und gelernt, mit dem ständig schlechten Gewissen der Chronisch-zu-wenig-Zeit-habenden-Mutter umzugehen. Mein Sohn lebt nur bei mir, ein Wechselmodell kommt für mich nicht infrage. Ein Kind hat ein Zuhause, nicht zwei. Der Vater hat sich zum Glück nicht dagegen gewehrt und leistet verlässlich seinen Betreuungs-und Erziehungsbeitrag, im Übrigen auch den finanziellen, was ja in vielen Fällen leider nicht so ist. Weshalb Alleinerziehende ja auch gerne in die Armutsfalle rutschen. Aber es gibt auch Alleinerziehende, die durchaus über die Runden kommen. Auch wenn Medien und manche Politiker beharrlich ein anderes Bild zeichnen.
Alleinerziehend im wortwörtlichen Sinne bin ich übrigens nicht, schon weil mir dafür die Zeit fehlt. Dafür kann mein Sohn sich glücklich schätzen, von einem ganzen Bataillon an Erziehenden umgeben zu sein: Von der Klassenlehrerin bis zum Cousin, von Freundinnen bis zu Patentanten, vom Papa bis zum Onkel. Erziehungsarbeit, die ich ganz alleine leisten müsste, würde mich in der Tat überfordern.