Eltern haben viele Fragen, wenn der Alltag lang ist. Manche stellen sie nur ungern. Ein Comedian hat trotzdem Antworten.
Comedian beantwortet ElternfragenWas Mütter und Väter sich nicht zu fragen trauen
Ich weiß nicht, wie oft ich als Mutter schon Fragen hatte, die ich lieber unter dem Kopfkissen vergraben hätte. Sowas darf man als Mutter oder Vater doch nicht fühlen und denken, oder?! Das Bild, wie „gute“ Eltern zu sein oder sich zu verhalten haben, ist sehr wirkungsmächtig. Und der ständige Drang, es „richtig“ machen zu müssen, führt zu viel Unsicherheit und öfter auch zu einem richtig schlechten Gewissen. Dabei sind die Fragezeichen und der Gefühlswirbel durchaus normal, schließlich begegnen einem im Alltag mit Kind unglaublich viele Rätsel.
Unangenehme Elternfragen, humorvoll beantwortet
Je länger man Eltern ist, desto mehr wird klar: Auf die meisten Fragen gibt es unendlich viele Antworten – und erst recht keine einfachen Lösungen, die für jedes Kind oder jede Familie gut sind. Natürlich hilft es, etwas über Erziehung zu lesen und mit Freunden Erfahrungen auszutauschen, aber letztendlich muss man auf das eigene Bauchgefühl hören. Und es hilft sehr, mit etwas mehr Lockerheit und Humor an solche Themen heranzugehen.
Genau das tut Comedian und Vater Jörg Schumacher in seinem Buch „Fragen, die sich Eltern nicht zu fragen wagen“. Darin hat er 55 sehr spezifische Fragen gesammelt, die häufig im Erziehungskosmos auftauchen und nicht so gern offen diskutiert werden. Da geht es etwa um Langzeitstillen, fehlende Baby-Glücksgefühle, Urlaub ohne Kind und Dildos im Schrank. Seine Antworten sind augenzwinkernd, anekdotisch und an vielen Stellen einfach sehr komisch. Es kommen aber auch Experten zu Wort, deren Rat in die Texte mit einfließt.
Wir drucken drei Fragen aus dem Buch und Auszüge der Antworten ab:
1. Hilfe, ich finde mein Baby nicht süß! Was habe ich für ein Problem?
„Erst mal gar keines. Zumindest keines, das besonders beunruhigend ist. Unsere Hebamme Claudia Leder-Appiah erklärt nämlich, dass die starken Hormonschwankungen nach der Geburt natürlicherweise dazu führen können, dass wir unser eigenes Baby nicht auf den ersten Blick süß finden. Das hat mit unserem Baby erst mal gar nichts zu tun. „Schuld“ daran ist nur der arg durcheinandergeratene Hormonhaushalt und der daraus resultierende bereits bekannte Babyblues. Wir sind schlichtweg überfordert mit der vollkommen neuen Situation, Verantwortung, sind ängstlich und leicht reizbar. Und die Frauen sind außerdem noch erschöpft von der Geburt. (…)
Eine depressive Phase mit dem eigenen Kind sollte man jedoch trotz aller logischen und natürlichen Erklärungen nicht auf die leichte Schulter nehmen und zumindest aufmerksam beobachten. Denn wenn diese Phase länger anhält, kann sich auch eine Depression entwickeln, und dann sollte man sich professionelle Hilfe holen. Im Gespräch mit der Hebamme lässt sich solch eine Situation aber in der Regel gut klären.
An dieser Stelle muss ich jedoch auch mit einer unbequemen Wahrheit aus der Praxis herausrücken: Tatsächlich sind nicht alle Babys süß. Das merkt man spätestens dann, wenn die Schwiegermutter sagt: „Ach, das wächst sich noch aus …“ Und das stimmt übrigens ausnahmsweise mal: So verändert sich die Kopfform des Babys in den Tagen nach der Geburt manchmal genauso schnell wie mein Gesichtsausdruck, als ich das erste Mal die Windel wechseln musste. Aber das ist eine andere Geschichte …“
2. Sind wir schlechte Eltern, wenn wir es langweilig finden, mit unserem Kind zu spielen?
„Es kam der Tag, an dem meine Frau mich beiseite nahm und sagte: „Jörg, du reist durch die Welt und trittst auf der großen Bühne auf – und ich sitze hier den ganzen Tag mit den Kindern. Wenn wir nicht bald tauschen, verliere ich meinen aktiven Wortschatz!“ Was das mit der Frage zu tun hat? Sehr viel! Denn wenn du immer nur in der Bubu- und Kacka-Welt lebst, mit dem Sandmann herumreist oder es mit Willi wissen willst, dann landest du irgendwann im Irrenhaus. Und natürlich gibt es Väter (und Mütter), die darin aufgehen, also nicht im Irrenhaus, sondern in der Spielewelt. (…) Es gibt unermüdliche Väter und Mütter, denen kein Weg zu weit, kein Spiel zu doof und keine Fantasie zu abgehoben ist, um sie umzusetzen. Unvergessen der Vater, der als Einhorn verkleidet beim Nachbarn nach Zucker fragte …
Ich gehöre zu den anderen. Und unsere Erziehungsberaterin Imke Dohmen fasst meine Haltung ganz gut zusammen, wie ich finde: „Einige Eltern schreckt das Spielen mit dem Kind so sehr ab, dass sie regelrecht auf der Flucht sind vor ihrem Kind, um nicht mit ihm spielen zu müssen.“ Es ist doch so, zu meiner und unser aller Verteidigung: Wir haben einfach ganz andere Interessen. Oft sind das nicht mal unsere Bedürfnisse, sondern die uns antreibenden To-do-Listen, die erledigt werden müssen. Da erscheint uns das Spielen als Zeitverschwendung.
Imke Dohmen aber erklärt: „Gerade bei kleinen Kindern ist es wichtig zu erkennen, worum es eigentlich geht: Da geht es dann gar nicht um ein besonders langes Spiel, sondern schlicht um die Tatsache, dass sie nicht allein sein wollen. Das ist dann ein Bedürfnis des Kindes, welchem wir sicherlich ein Stück weit mit einem Kompromiss begegnen können. Zum Beispiel können wir eine Zeit festlegen, in der wir uns mit voller Aufmerksamkeit unserem Kind widmen. Um danach wieder andere Dinge zu machen. (…)“
3. Darf ich mich in die Erziehung meiner Freunde einmischen?
„Neulich traf ich einen Nachbarn in der Tiefgarage. Seine Kinder (vier und fünf Jahre alt) saßen in einem Fahrradanhänger, der an sein eigenes Fahrrad gekoppelt war. Er wollte mit dem Fahrstuhl nach oben. Beruhigend redete er auf seine offenbar störrischen Kinder ein – die ihn komplett ignorierten. Als ich nach einer Stunde wieder runterkam, stand er immer noch da. Seine Kinder ignorierten ihn auch immer noch. Und er war jetzt leicht genervt. Ich überlegte, was ich tun würde – wahrscheinlich schreien. Was will ich mit der Geschichte sagen? Jeder hat seinen eigenen Stil – und inzwischen auch seine eigene Philosophie. Meine Eltern waren noch streng, bei den Großeltern „setzte es auch mal was“ – das ist heute undenkbar.
Leben und leben lassen wird immer dann schwer, wenn es konträr zu den eigenen Erziehungsmethoden läuft. Ein Beispiel: Ich habe Freunde, die sind tiefenentspannt bei dem Thema Eis auf dem Sofa oder Kekse oder Krümel – vor allem in fremden Wohnungen. Das Problem: Ich habe nur eine Couch, und wenn die schon Eisflecken bekommt, dann wenigstens von mir (also von meinen Kindern)! Aber was tun? Eingreifen (und dastehen wie der Spießer, der peinlich darauf bedacht ist, dass nix dreckig wird?). Oder die einfach nie wieder einladen (was ich am liebsten tun würde)? Aber es sind ja Freunde, an denen ich auch viele Dinge schätze … Na ja, ich klebe jetzt jedes Mal die Wohnung ab und behaupte: „Morgen kommt der Maler!“ (…)
Ich bin der Meinung: Natürlich sollte man Kindern möglichst früh Grenzen aufzeigen. Zum Beispiel, wenn es darum geht, nachts ins elterliche Bett zu kriechen. Das haben wir ganz gut geschafft: Unser jüngerer Sohn schläft immer noch bei uns – mit 27, äh, zwölf! (...)“
Buchtipp: Jörg Schumacher: „Fragen, die sich Eltern nicht zu fragen wagen“, Leben & Erziehen, 144 Seiten, 14,95 Euro