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Wie es ist, in einer Großfamilie zu leben„Ich kann Sachen auch mal liegen lassen!“

Lesezeit 7 Minuten
Porträt einer Großfamilie: Eltern und fünf Kinder auf einem Sofa

Fünf Kinder und zwei Erwachsene passen gut auch auf ein Sofa.

  1. In unserer Serie „Wie es ist“ erzählen Menschen von einem außergewöhnlichen Schritt in ihrem Leben, einem außergewöhnlichen Hobby, einer Eigenschaft oder einem Beruf.
  2. In dieser Folge: Karolin Schacht, Mutter in einer Großfamilie

Der Ruf der Großfamilie ist heutzutage eher schlecht. Besonders häufig kommen Familien mit vier oder mehr Kindern ohnehin nicht mehr vor in Deutschland. Der überwiegende Teil der Eltern hat laut Statistischem Bundesamt ein, maximal zwei Kinder. Karolin Schacht hat fünf. In unserer Serie erzählt die 37-Jährige, warum das meistens toll, aber manchmal auch ganz schön stressig ist. Und wie sie ihren Alltag meistert, als Mutter in einer Großfamilie.

„Bevor ich fünf Kinder hatte, war mir nicht klar, was für unverschämte Fragen Menschen, die ich gar nicht so gut kenne, in Small-Talk-Situationen stellen können. Meine Favoriten: Sind die alle von dem gleichen Mann? Waren das Unfälle? Oder: Habt ihr noch andere Hobbys? Manchmal habe ich auch das Gefühl, dass ich sofort in eine Schublade gesteckt werde, schlechte Familienverhältnisse zum Beispiel. Ich sage dann immer nur: Ja, das sind alles Wunschkinder!

Ausschnitt aus dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ von 1987: Als Zweijährige war Karolin Schacht, die ebenfalls aus einer Großfamilie stammt, bereits Protagonistin in unserer Zeitung.

Im Juli 1987 war Karolin als Zweijährige schon einmal mit ihrer Familie im „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Ich komme selbst aus einer sehr großen Familie und wollte das immer fortführen. Sechs Geschwister sind wir, die zusammen 16 Kinder haben. Was total lustig ist: Meine Geschwister, meine Eltern und ich, wir waren schon einmal im „Kölner Stadt-Anzeiger“, und zwar zum gleichen Thema: Wie ist es, in einer Großfamilie zu leben? Das ist jetzt 35 Jahre her. Ich bin die mit den vielen Locken bei meiner Mutter auf dem Schoß, da war ich zwei Jahre alt. Und mein Mann Frederik, der hat übrigens auch nochmal drei Geschwister, mit acht Kindern. Bei uns ist also immer was los, besonders auf Familienfeiern. Ehrlich gesagt bin ich manchmal heimlich erleichtert, wenn an meinem Geburtstag mal jemand absagt.

So viele Leute, geht ihr euch da nicht total auf die Nerven? Diese Frage höre ich auch oft. Und die Antwort ist: Klar! Aber vor allem können wir uns alle richtig aufeinander verlassen, und das ist toll! Natürlich gibt es Tage, an denen ich gefühlt nur im Auto sitze. Gegen 14 Uhr hole ich Simon - mit drei Jahren unser Jüngster – und seine Schwester Laura aus der Kita ab. Laura ist fünf und hat zusätzlich zwei Mal die Woche Logopädie. Klara ist zehn und Moritz ist sechs, die beiden haben zwei Mal die Woche Hockey. Und Philip, acht Jahre alt, hat zwei Mal die Woche Fußball. Zum Glück wohnt Frederiks Familie in derselben Straße. Unter der Woche bilden wir Fahrgemeinschaften, manchmal auch mit Freunden. Und wenn Oma und Opa zu Hause sind, können Laura und Simon ganz einfach rüberrennen. Sonst würde das bei dem Programm alles oft gar nicht funktionieren.

Im Zoo bin ich für Huftiere zuständig

Denn ich gehe ja außerdem jeden Tag bis 13.30 Uhr arbeiten. Ich bin Tierpflegerin im Kölner Zoo und dort zuständig für Huftiere, wie die Giraffen. Und für den Bauernhof, wo unter anderem der Geißbock Hennes wohnt – das Maskottchen vom 1. FC Köln. Ich wollte schon immer Zootier-Pflegerin werden, auch wenn das natürlich kein typischer Karriereberuf ist. Und ich habe schon nach der ersten Schwangerschaft gemerkt, dass mir mein Job als Ausgleich total wichtig ist.

Es geht um Kleinigkeiten: Auf dem Weg zur Arbeit nur für mich ganz alleine die Musik im Auto aufdrehen können, das brauche ich manchmal einfach. Und es ist schön, mit Kollegen über etwas anderes als Familienfragen zu quatschen. Mal nicht die Mama zu sein. Viele erwarten, dass ich Hausfrau bin, bei fünf Kindern. Aber das kommt für mich nicht infrage.

Karolin Schacht spielt mit ihrem Mann und vier ihrer fünf Kinder am Kicker.

In dem neuen Haus ist jetzt auch Platz für einen Kicker.

Mein typischer Tag startet um 20 vor sechs. Ich mache mich schnell im Bad fertig, gehe in die Küche und trinke meinen ersten Kaffee. Ganz in Ruhe, bevor alle anderen wach werden. Danach kümmere ich mich erst um mein eigenes Frühstück, das ich mit auf die Arbeit nehme. Und dann um die fünf Brotdosen und Trinkflaschen. Um kurz vor sieben verlasse ich das Haus. Dann übernimmt Frederik, frühstückt mit allen und bringt Simon und Laura in den Kindergarten. Die anderen können ja inzwischen schon alleine in die Schule laufen – zum Glück sind die Grundschule und das Gymnasium direkt um die Ecke. Danach fährt Frederik auch auf die Arbeit, bei den Stadtwerken in Solingen. Das klingt jetzt so, als wären wir wie ein Uhrwerk, und das stimmt meistens auch. Aber unsere Kinder können auch echte Morgenmuffel sein. Und wenn wir die Fünf dann noch motivieren müssen, kommen wir auch mal aus dem Takt. Manchmal wird mir auch alles zu viel, ich habe ja den Kalender von mir selbst und weiteren sechs Personen im Kopf. Und manchmal gehen mir auch alle einfach nur auf den Keks mit ihrem ständigen 'Mamaaaa, Mamaaaa!'. Und das sage ich meinen Kindern dann auch.

Karolin Schacht mit ihrem Mann und den fünf Kindern am Küchentisch

Karolin mit ihrer Großfamilie

Mein Mann und ich haben uns nie bewusst dazu entschieden, die Haushaltsaufgaben aufzuteilen. Das hat sich bei der Größe unserer Familie automatisch ergeben, jeder hat seine Rolle gefunden. Ich habe die stärkeren Nerven und kann im Gegensatz zu Frederik Krach gut aushalten. Dafür hat Frederik Geduld für Dinge, bei denen ich mir wünsche, dass sie schnell vorüber sind: Mit fünf Kindern basteln oder backen zum Beispiel. Freddy ist ohnehin ein toller Hausmann. Er kann Kochen so richtig zelebrieren. Ich kann auch gut kochen - aber ich tue es nicht gerne.

Bei einer so großen Familie muss man lernen, Prioritäten zu setzen: Ist es wichtiger, die Wäsche zu falten oder eine halbe Stunde auf dem Sofa zu entspannen? Natürlich gibt es den Punkt, an dem es mich nervt, wenn die Wäschekisten überquellen. Aber ich kann solche Sachen gut auch mal liegen lassen.

Porträt Karolin Schacht

Karolin arbeitet als Tierpflegerin.

Bis vor zwei Jahren haben wir noch zu siebt in einer 100-Quadratmeter-Wohnung in Köln gelebt. Eine Küche, ein Wohnzimmer, ein Schlafzimmer und ein Kinderzimmer, in dem die Fünf zusammen in Hochbetten geschlafen haben. Ich hatte wirklich nicht das Gefühl, dass es uns schlecht ging. Aber in unserem neuen Haus in Bergisch Gladbach hat jetzt jedes Kind ein eigenes Zimmer und wir einen schönen Garten. Dieses Haus, das wir kurz vor dem ersten Corona-Lockdown gefunden haben, ist eines von vielen Beispielen dafür, dass wir manchmal mehr Glück als Verstand haben. Das war auch bei den Kita-Plätzen und den Schulanmeldungen schon so. Irgendwie hat am Ende immer alles geklappt.

Fünf Schwangerschaften gehen natürlich nicht an einem Körper vorbei. Als Tierpflegerin habe ich mich immer sehr viel bewegt. Während meiner ersten Schwangerschaft musste ich aber plötzlich von heute auf morgen damit aufhören. Da habe ich echt zugelegt. Und die Kilos sind nicht mehr weggegangen, es kamen ja noch drei Schwangerschaften hinzu. Bis ich irgendwann gesagt habe: Es reicht. Ich habe jeden Tag zu Hause mit Hanteln und einem Hula-Hoop-Reifen trainiert. 22 Kilo habe ich so abgenommen. Und schwupps, war ich wieder schwanger! Auch wenn das blöd klingt, ich habe schon kurz gedacht: Oh Mann! Ich war gerade so zufrieden mit meinem Körper! Heute denke ich: Zum Glück ist unser Simon da!

Nach dieser letzten Geburt kam das Problem hinzu, dass sich meine Bauchmuskeln nicht mehr geschlossen haben, weil ich immer sehr große Kinder bekommen habe. Dadurch hatte ich sehr starke Rückenschmerzen bei der Arbeit und musste letztlich einer Operation zustimmen. Na ja, und wo ich eh schon mal da lag, habe ich in einem meinen Bauch straffen lassen. Es gibt ja Frauen, die sind stolz auf die Bauch-Falten, weil sie sagen: Da waren doch die Kinder drin! Aber ich bin mit meiner Entscheidung sehr zufrieden. Wie mit eigentlich allem in meinem Leben.“

Karolin Schacht hat fünf Kinder. In unserer Serie erzählt die 37-Jährige, warum das meistens toll, aber manchmal auch ganz schön stressig ist. Und wie sie ihren Alltag meistert, als Mutter in einer Großfamilie.

Haben Sie auch etwas absolut Außergewöhnliches zu erzählen? Ein Hobby, das sonst keiner hat? Etwas, auf das Sie jeden Tag angesprochen werden oder etwas, das Ihr Leben auf den Kopf gestellt hat? Dann schreiben Sie uns mit dem Betreff „Wie es ist“ eine E-Mail an leserforum@kstamedien.de.