Hauptsache alle satt und angezogenWarum Eltern manchmal nur das Nötigste schaffen
Köln – Gestern Morgen, als ich meine zerzausten, vor sich hin nörgelnden Kinder aus der Tür geschoben habe, die bleierne Müdigkeit wie Klötze an meinen Beinen, drehte ich mich kurz um und warf einen Blick zurück ins Chaos. Die Spur einer angebissenen Reiswaffel zog sich über den Boden, ein Klamotten-Haufen türmte sich auf der Bank im Flur und der volle Müllbeutel stand noch genauso am Eingang, wie er dort gestern abgestellt wurde – oder war es vorgestern? Ich zuckte nicht einmal und warf mich in den Tag, wie ein Preisboxer in einen aussichtslosen Kampf.
Das Ziel: Einfach nur den Tag überstehen
Es gibt Zeiten, da fühlt sich Elternsein auch morgens schon wie Schuften an.
Wenn die Nacht kurz war, weil Alpträume, Hustenanfälle oder Klammerattacken alle wach hielten. Wenn man selbst seit Wochen eine ebenso anhängliche Erkältung vor sich her schiebt. Weil der Alltag mal wieder viel zu voll und keine Ende ins Sicht ist. An solchen Tagen geht einfach nur das Nötigste. Da herrscht Durcheinander. Und das einzige Ziel ist es, irgendwie den Tag zu überstehen. Und die Kids heil mit durchzuschleppen.
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Manchmal kann das bedeuten, dass ich sie auch wortwörtlich hinter mir herschleppe. Weil ich an solchen Tagen wirklich keine Energie habe, einen Trotzanfall mit Geduld und pädagogisch aufbauenden Worten zu lösen. Dann lieber schnell das zappelnde Kind ohne Widerrede unter den Arm klemmen. Oder ruhigstellen mit Schokobrötchen. Oder vor dem Fernsehen in der Peppa-Wutz-Dauerschleife parken. Hauptsache keiner stellt Fragen oder will – Gott bewahre – mit mir basteln. An solchen Tagen verdiene ich mir schon vor 17 Uhr mindestens drei Rabenmutter-Auszeichnungen.
Bye Bye Ansprüche: Von der Kunst, alles liegen zu lassen
Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass mir das egal ist. Das schlechte Gewissen ist so hartnäckig wie meine Augenringe. Natürlich will ich eigentlich auch alles so gut wie möglich machen. Und selbst in den vollsten und müdesten Stunden ploppt der ehrenvolle Gedanke auf, den Kindern eine gesunde Mahlzeit zu bescheren, ein wertvolles Spielprogramm zu liefern und die wunderbare Welt zu erklären.
Aber nur ganz kurz. Dann werde ich wieder vom Tag und der Erschöpfung verschluckt. Vom Druck, immer funktionieren und fremde Bedürfnisse erfüllen zu müssen.
Und von der nie enden wollenden „mental load“ – den vielen Kleinigkeiten, an die ich denken sollte und die es zu erledigen gilt. Also eigentlich. Denn ich kann mit Sicherheit sagen, dass ich an solchen Tagen null Komma gar nichts von irgendwelchen Listen geschafft bekomme. Ja, ich vergesse selbst die einfachsten Dinge. Ich kann froh sein, wenn die Kids einigermaßen wettergerecht angezogen und satt das Haus verlassen. An so etwas wie Kuchen backen fürs Sportfest, Geschenk fürs Nachbarskind besorgen, neue Schneehose kaufen oder Zettel für die Kita ausfüllen ist kaum zu denken.
Bitte, ja nicht ansprechen!
Auch der Haushalt dümpelt so vor sich hin – wie der Müll an der Haustür. Ich schiebe einfach Dinge hin und her – und unters Sofa. Und wenn es ein Teil des dauerhaft überquellenden Wäschebergs doch in die Maschine schafft, dann vergesse ich ihn oft da – bis er mir am nächsten Morgen entgegen mieft.
Selbst soziale Kontakte, die ich sonst sehr schätze, sind mir an diesen Tagen zu viel. Beim Abholen in der Kita hoffe ich, den Kopf leicht gesenkt, von Small-Talk verschont zu bleiben. Spieldates sage ich gnadenlos ab. Und Ausgehen am Abend scheint so absurd zu sein wie eine Expedition in die Antarktis. Ja, sogar die Textnachrichten sammeln sich fleißig, ohne dass mein Finger auch nur eine Antwort tippen könnte. Wenn ich nicht sowieso schon um acht Uhr beim Gute-Nacht-Lied-Singen auf dem Boden vor dem Kinderbett in einen tiefen Schlaf falle.
Yeah, alle ohne Schaden durchgebracht!
Während ich mich dann eine Stunde später meist doch noch auf allen Vieren Richtung Couch schleiche, denke ich jedes Mal mehr erleichtert als stolz: Wieder ein Tag geschafft! Alle ohne Schaden durchgebracht, sie schlafen zufrieden! In der Sofaritze finde ich häufig noch einen angebissenen Schokoriegel und nehme das dankbar lächelnd an. Umarme das Chaos, sage ich mir. Sind ja nur noch ein paar Jahre, bis die Kinder aus dem Gröbsten raus sind. Und sie sind ja auch so süß. Möge der nächste Tag kommen (und bitte endlich den Müll mit rausnehmen!)