Ewige HausfrauenWarum fühlen sich noch immer Frauen für den Haushalt verantwortlich?
Wäsche waschen, aufräumen, putzen, kochen, einkaufen, Kinder betreuen, Verwandte pflegen – all diese und noch mehr Tätigkeiten fallen heute unter den Begriff der Haus- und Care-Arbeit. Und die geht uns alle etwas an! Zumindest rein theoretisch. Denn faktisch übernehmen immer noch viel häufiger Frauen diese Aufgaben – ein wenig wie früher, als das Modell der Hausfrau eine Zeit lang Standard war. Doch warum hat das heute noch so viel Einfluss, obwohl die Rahmenbedingungen längst andere sind? Ein Gespräch mit Evke Rulffes zu ihrem neuen Buch „Die Erfindung der Hausfrau“.
Offen zu sagen „Ja, ich bin Hausfrau!“, das trauen sich heute wenige. Warum hat die Hausfrau ein eher schlechtes Image?
Evke Rulffes: Es gibt mehrere Gründe, warum die Wertschätzung für Hausarbeit in den letzten Jahrzehnten sehr stark abgenommen hat. Zum einen wird sie nicht bezahlt. In einem System, in dem stark nach Geld bewertet wird, hat sie kein großes Ansehen. Hausarbeit wird nicht als Arbeit angesehen und zu einer unentgeltlichen Privatsache gemacht. Wenn ein Partner weniger arbeitet, um sich um den Haushalt und gegebenenfalls die Kinder zu kümmern, gerät er oder sie direkt in eine finanzielle Abhängigkeit vom Hauptversorger und rutscht bei Krankheit, Tod oder Trennung schnell in die Altersarmut.
Aber auch die Art der Haushaltstätigkeit wird nicht gerade hoch anerkannt. Hausarbeit ist täglich die gleiche unsichtbare Arbeit von neuem. Hausarbeit wird nur gesehen, wenn sie nicht gemacht wird.
Und in so einem Fall wird dann vor allem die Frau verantwortlich gemacht, oder?
Der Großteil der Hausarbeit bleibt zumindest auch heute noch an den Frauen hängen, und das trotz Berufstätigkeit. Da es sich die meisten Paare gar nicht leisten können, auf ein Gehalt zu verzichten, muss der Haushalt nebenbei passieren und zusätzlich gemacht werden. Ganz krass wird es in dem Moment, in dem Kinder ins Spiel kommen: Ab da wird Müttern von der Gesellschaft die große Verantwortung für Kinder und Haushalt zugeschoben. Und die Ansprüche, die heute an sie gestellt werden, sind einfach unglaublich. Die können gar nicht erfüllt werden.
Viele Frauen aber haben sie längst verinnerlicht…
Das stimmt. Dabei ist es doch so: Wenn man es auch noch schaffen will, einen perfekten Haushalt zu führen, mit der wenigen Zeit, die man hat, rennt man ja direkt in den Burnout. Ich denke, jeder sollte genau schauen, wo der eigene Anspruch liegt und herausfinden, wieviel davon von einem gesellschaftlichen Bild bestimmt wird. Es hat sicher auch damit zu tun, wie man aufgewachsen ist.
Stichwort Elternhaus: Sehen viele Frauen Haushalt und Kinder immer noch als ihre Aufgabe, weil sie teilweise noch mit klassischen Strukturen aufgewachsen sind?
Buchtipp
Evke Rulffes, Die Erfindung der Hausfrau – Geschichte einer Entwertung, HarperCollins, 2021
Ganz bestimmt. Diese Strukturen haben sich wahnsinnig eingebrannt. Vor allem das Bild der „guten Mutter“, das seit Ende des 18. Jahrhunderts propagiert wurde. Mutterliebe wurde zu einem kulturellen Imperativ. Ab da wurde der Mutter ein schlechtes Gewissen eingebläut, wenn sie sich nicht um ihre Kinder kümmert – was sie gar nicht konnte, weil alle Mütter arbeiten mussten, in allen Schichten. Dieses schlechte Gewissen wirkt bis heute nach. Das Mutterglück wird so sehr beschworen. Und es kommen heute auch immer noch Rabenmutter-Vorwürfe, wenn Mütter mit kleinen Kindern „zu früh“ zurückgehen zur Arbeit. Der Druck gesellschaftlicher Erwartungen ist groß. Den Begriff der Rabenmutter gibt es übrigens nur in der deutschen Sprache.
Woher kommt denn eigentlich das Konzept der Hausfrau – und hatte sie früher auch schon so ein schlechtes Image?
Zunächst einmal gibt es das Modell der Hausfrau noch nicht so lange. Denn über viele Jahrhunderte hinweg konnten es sich wenige Familien überhaupt leisten, auf das Einkommen der Frau zu verzichten. Man ging von einem Arbeitspaar aus, das gemeinsam dem Haushalt vorsteht und gemeinsam das Vermögen erwirtschaftet. Mit dem Anwachsen der bürgerlichen Schicht im 18. Jahrhundert spaltete es sich auf, in dieser Schicht verdiente der Mann das Geld und die Frau führte den Haushalt. Allerdings waren Haushalte früher viel größer und sehr viele Arbeiten wurden ausgelagert, die Wäsche zum Beispiel an Waschfrauen gegeben. Es gab eine Hausmutter, die den Haushalt leitete – im Landadel oder im gehobenen Bürgertum gab es dafür Verwalterinnen. Hausmutter war auf jeden Fall ein Herrschaftsbegriff und gar nicht das, was man heutzutage unter „Hausmütterchen“ versteht.
Aber dem Haus „zugeordnet“ wurden die Frauen dennoch bereits?
Es wurde im Rahmen der Aufklärung Frauen der wohlhabenden Schicht auch ermöglicht, sich zu bilden, es gab gelehrte Frauen. Doch bereits einige Jahrzehnte später wurde gegen das neue weibliche Selbstbewusstsein Stimmung gemacht und als einziges Rollenmodell nur noch die Hausmutter hochgehalten. Der Haushalt, so hieß es, sei der richtige Ort für die Frauen.
Weil die bürgerliche Mittelschicht im 19. Jahrhundert aber immer mehr anwuchs, sank auch das allgemeine Einkommensniveau. Die Ehefrau bzw. Hausmutter musste deshalb immer mehr der Dienstleistungen, die früher an andere delegiert wurden, unentgeltlich übernehmen – und dabei sozusagen einen Wohlstand vorspiegeln, der eigentlich gar nicht zu halten war.
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Und wie kam es zur traditionellen Kleinfamilie, wie wir sie heute noch kennen?
Während des Zweiten Weltkriegs und in der Nachkriegszeit war kurzzeitig alles über den Haufen geworfen worden, die Frauen haben in dieser Zeit fast alles gemacht, auch den Wiederaufbau. In dem Moment, wo aber das Wirtschaftswunder kam, waren wieder die Männer am Zug. Es wurde als Luxus propagiert, dass die Frauen nun nicht mehr arbeiten mussten. Es gab damals die höchste Verheiratungsdichte und die bürgerliche Kleinfamilie ist zur Norm geworden.
In dieser „Hausfrauenehe“ war die Frau gesetzlich dazu verpflichtet, dem Haushalt vorzustehen. Sie musste unentgeltlich im Geschäft des Ehemanns mitarbeiten, war selbst aber nicht geschäftsfähig. Sie konnte keinen Führererschein machen, kein Bankkonto eröffnen, keinen Arbeitsvertrag unterschreiben ohne die Erlaubnis ihres Mannes, er traf alle Entscheidungen. Das ist der sogenannte „Gehorsamsparagraf“. Bis zur Abschaffung der Hausfrauen-Ehe in der BRD im Jahr 1977 hatte der Mann die Macht, Verträge für die Frau zu kündigen, wenn sie ihre häuslichen Pflichten vernachlässigte.
Und die Hausfrau hatte viele Pflichten…
Genau. Die Hausfrau sollte zuständig sein für das traute Heim, wo sich der Mann nach seiner schweren Arbeit erholen konnte. Sie hatte dabei niemals frei und bekam keine Bezahlung. Sie sollte die Hausarbeit für ihren Mann und ihre Kinder aus Liebe übernehmen – ohne Gegenleistung. Dabei durfte sie sich keinen Kummer anmerken lassen oder den Ehemann mit irgendwelchen Angelegenheiten belästigen, auch nicht wenn es um die Kinder ging. Im Grunde war die Hausfrau sozial isoliert und alleinerziehend – auch weil sie alles mit sich selbst ausmachen musste.
Und trotzdem gibt es auch heute Frauen, die die klassische Rollenverteilung zelebrieren…
Ja. Es gibt die sogenannten „Tradwives“, die sich auf Instagram inszenieren, sich aber klar im rechten Spektrum bewegen. Das ist meines Wissens aber keine breite Strömung.
Ich würde auch sagen, die meisten Paare heute streben eine gleichberechtigte Rollenverteilung an. Wie kann es ihnen besser gelingen?
Entscheidend ist es, die anfallenden Arbeiten offenzulegen und über die Aufgabenverteilung zu reden und dabei auch das Konzept der „mental load“ anzusprechen – ein großer Teil der Haus- und Care-Arbeit ist nämlich eigentlich Organisation. Partner sollten über all diese Aspekte sprechen, und zwar ohne direkt in die Vorwurfsfalle zu tappen, nach dem Motto „du machst nie was – ich mach so viel!“. Stattdessen sollte man sachlich darüber reden, wer was macht und wo er oder sie Hilfe brauchen könnte. Es gilt aber auch, offen zu sagen, was man nicht so gerne tut, um dann zu überlegen, was man sich vielleicht teilen, wo man sich abwechseln und was man ausgliedern könnte. Letzten Ende sollte Haus- und Care-Arbeit ja Team-Arbeit sein.
Und welche Rahmenbedingungen könnten helfen, um Erwerbs-, Haus- und Care-Arbeit besser in einen Alltag zu kriegen?
Der Begriff Haus- und Care-Arbeit müsste neu wahrgenommen werden. Er umfasst ja viel mehr als nur Putzen, sondern es geht auch um menschliche Beziehungen. Vor allem aber sollte der Bereich nicht nur den Frauen zugeteilt werden, sondern gleichermaßen auch den Männern – also allen Menschen. Schließlich können diese Dinge ja von allen übernommen werden.
Viel wichtiger ist aber, Haus- und Care-Arbeit nicht als rein private Angelegenheit zu sehen. Sie hält unser Wirtschaftssystem aufrecht und müsste deswegen gesellschaftlich, wirtschaftlich und politisch als Arbeit anerkannt werden. Es müssten Modelle eingeführt werden, das zu entlohnen, zum Beispiel über Rentenpunkte. Und es geht auch darum, die Arbeitsstrukturen zu verändern – die orientieren sich an kinderlosen Männern statt an Alleinerziehenden. Ich wäre zum Beispiel dafür, dass alle Teilzeit arbeiten, um so auch mehr Zeit für Haus- und Care-Tätigkeiten zu haben.