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Eine Hebamme verrät19 Dinge, die alle über die Geburt wissen sollten

Lesezeit 7 Minuten
Ein Neugeborenes

Es gibt viele Halbwahrheiten rund um die Geburt – was stimmt wirklich? 

Sie wissen schon, wie eine Geburt abläuft – wirklich? Spätestens nach der ersten eigenen Geburtserfahrung stellen viele fest, dass einiges ganz anders ist als vorher vermutet. Denn manche Aspekte rund ums Kinderkriegen werden gerne verschwiegen, beschönigt oder schlichtweg falsch weitererzählt – erst recht in Film und Fernsehen. Wir haben die erfahrene Hebamme Kareen Dannhauer gefragt, was wirklich passiert.

An welchen Orten können Geburten stattfinden?

Kareen Dannhauer: In Deutschland kommen Kinder als Hausgeburt, im Geburtshaus oder in der Klinik zur Welt. Etwa 95 bis 97 Prozent aller Kinder werden in Kliniken geboren, die verbleibenden Prozent zuhause oder im Geburtshaus.

Helfen Treppen und Sex wirklich, um die Geburt auszulösen?

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Kareen Dannhauer arbeitet seit 20 Jahren als Hebamme in Berlin. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Sissi Rasche spricht sie im Podcast „Hebammensalon“ regelmäßig über Themen rund um Geburt und Elternschaft.

Nein, das ist ein Mythos. Weder Treppensteigen, noch Sex noch eine Badewanne löst erwiesenermaßen eine Geburt aus. Die Geburt wird ausgelöst von einem fein abgestimmten auch hormonellen Zusammenspiel von mütterlichen und kindlichen Faktoren und ist unabhängig von äußeren Faktoren. Nur der Körper der Frau weiß, wann eine Geburt losgeht, selbst wir Geburtshelfer sind da naturgemäß schlecht mit Prognosen.

Wie kündigt es sich an, dass eine Geburt losgeht?

Bei etwa 80 Prozent der Schwangeren geht die Geburt mit Wehen los. 20 Prozent der Geburten beginnen ohne vorherige Wehen mit einem Blasensprung – die Fruchtblase ist am Ende der Schwangerschaft nicht mehr so stabil und reißt. Ob oder wann das passiert, ist aber eine Laune der Natur. Wenn eine Frau Wehen bekommt, kündigt sich die Geburt manchmal an, indem sich der sogenannte Schleimpropf löst, ein zäher Schleim, der zuvor den Muttermund verschlossen hat. Viele Geburten beginnen aber, ohne dass vorher bestimmte Vorwarnsymptome eingetreten sind.

Kann man eine Geburt planen?

Manche Frauen machen einen so genannten Geburtsplan und formulieren darin, wie sie sich die Geburt vorstellen, also dass sie zum Beispiel keine PDA oder gerne eine Wassergeburt möchten. Aber natürlich kann man eine Geburt in dem Sinne nicht planen. Eine Geburt ist immer unwägbar, und manchmal braucht es medizinische Interventionen, wie etwa einen Kaiserschnitt, ohne dass man das vorher ahnen konnte. Auch der Grund für einen geplanten Kaiserschnitt entwickelt sich oft erst am Ende der Schwangerschaft. Und für einige Frauen ist es auch eine echte Herausforderung, vom ursprünglichen Wunsch oder Plan Abschied zu nehmen. Es ist wichtig, sich auch auf diese Szenarien emotional vorzubereiten.

Wie bereitet man sich auf eine Geburt vor?

Ich finde es wichtig, eine Geburtsvorbereitung bei einer Hebamme zu machen. Frauen sollten realistisch auf die Herausforderungen einer Geburt eingestellt und bestärkt werden in ihrer Kraft, ein Kind gebären zu können. Es geht darum, ohne Angst zu vermitteln, dass eine Geburt eine echte Grenzerfahrung ist und auch krass und hochemotional sein kann. Und dass auch Gedanken wie „Ich kann nicht mehr!“ zu einer Geburt dazugehören.

Welche Dinge sind wichtig, damit sich eine Frau richtig auf die Geburt einlassen kann?

Buchtipp

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Kareen Dannhauer/Sissi Rasche: „Willkommen im Hebammensalon“, Kösel Verlag, 272 Seiten, 19 Euro

Außerdem erschienen:

Kareen Dannhauer/Anja Constance Gaca: „Baby-leicht – Was Eltern und Babys wirklich brauchen“, Beltz Verlag, 366 Seiten, 26 Euro

Wichtig ist ein geschützter Rahmen, in dem sie sich gehen lassen kann. Dazu gehört eine wertschätzende Begleitung durch eine Hebamme und die Unterstützung, sich intuitiv bewegen und verhalten zu können. Dabei helfen auch banale Dinge, etwa gedimmtes Licht, um ein Rückzugsgefühl entwickeln zu können.

Wie unterstützen Hebammen den Geburtsprozess?

Eine gute Hebamme gibt der Frau diesen Raum, das Kind kriegt ja die Frau selbst. Die Hebamme ist sehr präsent mit allen Sinnen und tut im Idealfall sehr wenig. Die Geburt geschieht eigentlich von alleine. Überall, wo es nötig ist, wird die Hebamme natürlich als hochqualifiziertes medizinisches Fachpersonal entsprechend helfen.

Welche Rolle haben Partner oder Familienmitglieder bei der Geburt?

Eine Frau ist unter der Geburt sehr bei sich – das sollte sie auch sein. Die Geburtsbegleitung hat die wesentliche Aufgabe, da zu sein, aber die Frau nicht zu stören. Sich zurückzunehmen ist hier eine wichtige Qualität. Männer, die in Aktion treten wollen oder nur quasseln, um ihre eigene Aufregung zu kompensieren, sind da weniger hilfreich. Ich finde es deshalb wichtig, dass auch Begleitpersonen eine Vorbereitung auf die Geburt bekommen, was sie erwartet – dass sie auch mal hilflos sein werden und sie ihre Frau sehr wahrscheinlich so noch niemals erlebt haben.

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Wie lange kann eine Geburt dauern?

Eine Geburt kann drei Stunden bis drei Tage dauern, alles in diesem Zeitraum ist normal. Eine weite Spanne, das ist bei jeder Frau unterschiedlich und nicht voraussehbar. Beim ersten Baby dauern Geburten statistisch länger. Es kommt dabei natürlich auch darauf an, was man als aktive Geburtsphase definiert. Geburten sind nicht linear, es gibt aktivere Phasen und auch Pausen. Manche Frauen verbringen die erste Geburtsphase zuhause und schlafen zwischendurch nochmal. Keine Frau liegt drei Tage in den Wehen im Kreißsaal.

Wovon hängt es ab, wie schnell eine Geburt geht?

Man kann Geburten nicht „machen“, indem man sich irgendwie richtig verhält oder tolle Techniken anwendet. Neben einer guten Begleitung spielen sehr wohl genetische Komponenten eine Rolle, wie „leicht“ oder „schnell“ eine Frau ein Kind auf die Welt bringt.

Darf eine Frau sich rund um die Geburt bewegen?

Selbstverständlich. Die Hebamme unterstützt die Frau, verschiedene Bewegungen und Positionen zu probieren, sich etwa in ein Tuch zu hängen oder auf alle Viere zu gehen. Durch die angespannte Personalsituation in den Kliniken – oft muss eine Hebamme vier Frauen gleichzeitigt betreuen – ist für diese natürliche Geburtsbegleitung leider oft kein Raum mehr. Viele Frauen liegen in den Betten und erfahren an diesen „weichen Faktoren“ wenig Unterstützung in ihrem intuitiven Gebärverhalten.

Kommt ein Kind meist im Liegen zur Welt?

Ich schätze, etwa 80 Prozent der Kinder kommen im Liegen zu Welt, was geburtsanatomisch nicht so besonders schlau ist. Liegen ist für das Gebären aus verschiedenen Gründen die denkbar ungünstigste Position. Es ist in der Geburtsmedizin ein riesiges Dilemma, aus strukturellen Gründen nicht die Kapazität zu haben, gesunde Geburten angemessen zu unterstützen.

Warum helfen Geräusche vielen Frauen beim Gebären?

Geräusche sind ein Teil der intuitiven Gebärkompetenz. Die Geburt ist eine autonome Körperfunktion, die man im Idealfall ungestört ablaufen lässt. Je weniger man dabei „denkt“ und den Körper machen lässt, umso leichter fällt man in einen tranceartigen Zustand – ganz ähnlich wie beim Sex, deshalb klingen Gebären und Sex auch ähnlich. Es gibt auch Frauen, die gebären in einem Zustand von Trance und machen sich das als Technik zu Nutze, zum Beispiel beim Hypno-Birthing.

Brauchen viele Frauen medikamentöse Unterstützung?

Ja, allerdings. Tatsächlich ist es so, dass in Deutschland etwa 70 bis 80 Prozent der Frauen eine PDA kriegen. Auch das liegt im Wesentlichen an der wenig guten Betreuung. Das zeigen auch Studien: Von den Frauen, die im Geburtsprozess 1:1 durch eine Hebamme begleitet und bestärkt werden, brauchen viel weniger Frauen medikamentöse Schmerzlinderung.

Wieviel Körperflüssigkeiten fließen bei einer Geburt?

Ungefähr alle: Blut, Schweiß, Tränen, auch Stuhl. Es ist das Normalste der Welt, berührt aber Grenzen der Intimsphäre und von Scham. Für viele Frauen ist es eine Herausforderung, die Kontrolle über ihre Körperfunktionen zu verlieren. Es ist hilfreich, das vorher zu wissen und sich innerlich darauf einzustellen. Den meisten ist es dann im Geburtsprozess dann tatsächlich völlig egal. Und wir Hebammen zucken da noch nicht einmal mit der Wimper.

Wie normal sind Geburtsverletzungen?

Sie kommen zumindest häufig vor. Etwa 70 bis 80 Prozent der Erstgebärenden erleiden eine Geburtsverletzung, die aber graduell unterschiedlich ausgeprägt ist. Ob es zu einer Verletzung kommt, ist abhängig von vielen Faktoren. Die Veranlagung spielt eine Rolle, Anatomie und Gewebe sind bei Menschen eben sehr unterschiedlich. Ein beeinflussbarer Faktor ist aber der Rahmen der Geburt: Wenn die Frau ungestört ist, funktionieren ihre natürlichen Geburtsreflexe besser und der Körper wird im richtigen Moment weich und lässt das Kind heraus.

Gibt es Frauen, die die Geburt genießen?

Ja, das gibt es, klar. Manche Frauen haben eine ekstatische, ergreifende Geburtserfahrung. Aber das weiß man vorher nicht und kann es nicht herbeiführen. Manchmal muss man auch Abschied nehmen von dem, wie man sich die Geburt gewünscht oder gar romantisiert hat. Ein Teil der Geburtsvorbereitung ist es, vorher eine positive Haltung zur Geburt zu entwickeln. Es macht einen Unterschied, ob man denkt „Oh Gott, die Geburt“ oder mit Neugier heran geht. Es gibt auch Frauen, die sehen die Geburt als Fest und Transformation.

Haben manche Frauen wirklich einen Orgasmus bei der Geburt?

Man sagt das, aber ich habe das bei meiner Arbeit noch nicht beobachtet. Es wird wohl mehr darüber geschrieben, als dass es in der Realität stattfindet.

Was passiert direkt nach der Geburt?

Ein kleines Baby ist auf diesem Planeten gelandet und ein Elternpaar wurde geboren. Emotional ist das kaum in Worte zu fassen, wenn man das eigene Baby zum ersten Mal im Arm hält. Eine Geburt ist eine absolut existenzielle Erfahrung. Eine Mutter muss erst einmal verarbeiten, was sie körperlich und seelisch erlebt hat und sich innerlich wieder sortieren, ein Vater auch. Wir können nur staunen und erst allmählich begreifen, dass wir ein Kind geboren haben. Definitionsgemäß ist die Geburt erst mit der Geburt der Plazenta abgeschlossen, eine viertel bis halbe Stunde nach dem Baby wird diese geboren.