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In Sachen LiebeIch habe mich in meine Therapeutin verliebt – und jetzt?

Lesezeit 3 Minuten
Eine Psychologin zeigt auf ihr Tablet, während sie mit einer Patientin in einem Besprechungszimmer sitzt.

In die Therapeutin verliebt: ein Gefühl, das eigentlich woanders hingehört

Wie umgehen mit einem Gefühl, das eigentlich woanders hingehört? Die Diplom-Psychologin Elisabeth Raffauf gibt eine Antwort.

Ich bin seit einem Jahr in meine Therapeutin verliebt. Ich hatte vier Monate Therapie bei ihr. Als ich ihr sagte, was ich für sie empfinde, hat sie gesagt, dass sie nicht in mich verliebt sei und dass ich mir jemanden suchen soll, der mir hilft. Ich habe es bei mehreren Therapeuten versucht, aber niemand kennt sich mit der Thematik aus. Ich wollte diese Übertragungsliebe gemeinsam mit ihr bearbeiten, habe Literatur dazu gefunden und diese ihr zukommen lassen. Sie lehnt eine weitere Zusammenarbeit ab. Ich vermisse sie und denke fast ununterbrochen an sie, da sie mich aus der Hölle gerettet hat. Vielleicht können Sie mir helfen? Silvia

Was Sie schildern, passiert nicht selten in Therapien und ist genau das, als was Sie es bezeichnen: eine Übertragungsliebe. Wenn man sich vorstellt, dass die Therapie eine hergestellte künstliche Situation ist zum Zweck der Heilung, dann ist bei Ihnen genau das passiert, womit Therapeutin und Patientin in der Therapie gut arbeiten können. Sie haben Ihre Liebe, die eigentlich woanders hingehört, auf Ihre Therapeutin übertragen.

Elisabeth Raffauf

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So könnte man in dieser künstlichen Situation, also in einem geschützten Rahmen, genau das anschauen, was gut läuft, wenn Sie lieben und auch was eventuell dazu führt, dass die Liebe immer wieder scheitert und Sie in Situationen geraten, die Sie unglücklich machen. Das gelingt, wenn die Therapeutin Sie immer wieder darauf hinweist, was gerade passiert und natürlich nicht auf Ihre Liebe eingeht.

Eine aussichtslose Liebe

Das hat sie auch nicht getan. Sie hat ganz klar gesagt, dass sie Ihre Liebe nicht erwidert. Und jetzt fühlt sie sich offenbar nicht in der Lage, mit Ihren Gefühlen umzugehen, die Sie auf sie projizieren, und Ihnen immer wieder vor Augen zu führen, was geschieht, was Sie herstellen und was möglicherweise dazu führt, dass Sie in Liebesdingen immer wieder in schwierige Situationen geraten.

Sie wiederum haben jetzt das Gefühl, dass es bei Ihnen Liebe ist. Sie haben sich in jemanden verliebt, die schon qua Berufsethos keine Liebe mit ihren Patientinnen oder Patienten eingehen darf, und die ganz klar gesagt hat, dass Sie nicht zurück liebt. Also eine aussichtslose Liebe. Vielleicht kennen Sie aus anderen Beziehungen diese Aussichtslosigkeit und können über diese Erkenntnis nochmal etwas über sich selbst erfahren.

Die Gefühle nochmal überprüfen

Dazu kommt, sehr verständlicherweise, dass Sie Ihre Therapeutin verehren, weil sie Ihnen aus einer ganz schwierigen Lage herausgeholfen hat. Ich sage „verehren“ deshalb, weil es vielleicht das ist, was Sie im Moment als Liebe bezeichnen. Es ist schade, dass Ihre Therapeutin die Situation nicht aushalten kann. Sie könnten viel mit ihr daraus lernen. Aber Sie selbst könnten versuchen, Ihre Gefühle nochmal zu überprüfen und sie gegebenenfalls auch nochmal zurechtzurücken. Vielleicht könnten Sie sich wirklich bewusst machen, was Ihre Zuneigung genau beinhaltet.

Welche Art von Liebe ist es, die Sie Ihrer Therapeutin entgegenbringen? Sie sagen, dass Sie ihr sehr dankbar sind. Vielleicht ist es Dankbarkeit und eben – Verehrung. Das wäre so verständlich wie passend und würde Ihnen vielleicht helfen, diese Zuneigung auch genauso stehen zu lassen.


Leserfragen

Unser Team von Expertinnen und Experten beantwortet Ihre Fragen in der Zeitung und online: die Psychotherapeuten Carolina Gerstenberg und Daniel Wagner, die Diplom-Psychologinnen Elisabeth Raffauf und Katharina Grünewald, Sexualberaterin Gitta Arntzen sowie der Urologe Volker Wittkamp. Ihre Zuschriften werden anonymisiert weitergegeben. Schicken Sie Ihre Frage an: in-sachen-liebe@dumont.de