Menschen mit Bindungsängsten sehnen sich nach Nähe zum Partner, gleichzeitig fürchten sie, ihre Freiheit zu verlieren.
In Sachen LiebeMein Partner hat Bindungsängste, wie kann ich damit umgehen?

Das Liebesschloss abschließen? Für Menschen mit Bindungsängsten ist das nicht so einfach.
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Mein Partner und ich sind seit einem Jahr ein Paar. Er zieht sich zurück, sobald wir uns näherkommen, und vermeidet Gespräche über die Zukunft. Gefühlt hält er mich immer wieder auf Abstand. Gleichzeitig sagt er, wie wichtig ich ihm bin. Wie kann ich damit umgehen, ohne ihn zu drängen oder selbst darunter zu leiden? (Lore, 38 Jahre)
Wie geht man mit einem Partner um, der Nähe sucht, sich aber gleichzeitig zurückzieht? Solche Dynamiken können emotional belastend sein, insbesondere wenn der Wunsch nach einer tieferen Bindung immer wieder durch Distanz unterbrochen wird.
Ich kann mir gut vorstellen, dass das Verhalten Ihres Partners Sie verunsichert und Sie sich hin- und hergerissen fühlen. Sie scheinen sich empathisch auf Ihren Partner einzulassen, und offenbar versuchen Sie, ihn mit seinen widersprüchlichen Bedürfnissen zu verstehen. Das finde ich sehr positiv. Es zeigt, wie wichtig er Ihnen ist. Gleichzeitig stellt sich die berechtigte Frage: Wie kann es Ihnen gelingen, die Beziehung zu gestalten, ohne sich selbst dabei zu verlieren? Hier sind einige Überlegungen, die Ihnen dabei helfen können.
Reflektieren
Regelmäßige Selbstreflexion kann hilfreich sein, um Ihre eigenen Bedürfnisse zu verstehen. Stellen Sie sich regelmäßig die Fragen: „Was brauche ich in einer Beziehung, um glücklich zu sein?“ – „Fühle ich mich in dieser Beziehung gesehen, wertgeschätzt und erfüllt?“ Wenn Sie sich darüber im Klaren sind, können Sie besser einschätzen, ob die aktuelle Dynamik für Sie tragbar ist und ob Sie sich in Ihrer Beziehung wohlfühlen. Sie schaffen damit die Grundlage für eine offene Kommunikation.
Kommunizieren und verstehen
Sprechen Sie offen über Ihre Gefühle und Gedanken. Zum Beispiel: „Ich fühle mich manchmal unsicher, wenn du dich zurückziehst. Es wäre mir wichtig, zu verstehen, was in solchen Momenten in dir vorgeht.“ Solche Gespräche können Nähe und Verständnis schaffen, ohne Druck auszuüben. Möglicherweise leidet Ihr Partner unter Bindungsangst. Menschen mit Bindungsängsten sehnen sich nach Nähe, doch gleichzeitig fürchten sie, sie könnten ihre Freiheit, Sicherheit oder Kontrolle verlieren.
Frühere negative Erfahrungen können dazu führen, dass Nähe als potenziell bedrohlich empfunden wird. Dieses innere Spannungsfeld führt oft zu ambivalentem Verhalten: Mal suchen solche Menschen Verbindung, mal ziehen sie sich zurück. Der Rückzug ist dabei meistens ein Schutzmechanismus und hat in der Regel nichts mit mangelnder Zuneigung zu tun.
Durch eine ehrliche Kommunikation kann gegenseitiges Verständnis entstehen. Sie können Ihren Partner besser kennenlernen und sein Verhalten richtig einordnen. Gleichzeitig können Sie beide durch einen offenen Umgang gemeinsam überlegen, wie Sie Ihre Beziehung gestalten wollen.
Geduld und Verständnis zeigen
Versuchen Sie, seine Perspektive zu verstehen und ihm Raum zu geben, wenn er ihn braucht. Zeigen Sie Empathie, aber machen Sie sich bewusst, dass es nicht Ihre Aufgabe ist, ihn zu „heilen“.
Grenzen wahren
So wichtig Verständnis ist, so sehr sollten Sie auf Ihre eigenen Bedürfnisse achten und sie nicht vernachlässigen. Überlegen Sie, wo Ihre persönlichen Grenzen liegen und welche Kompromisse für Sie machbar sind. Eine Beziehung sollte nicht einseitig auf dem Verzicht einer Person beruhen.
Selbstfürsorge betreiben
Konzentrieren Sie sich auf die Dinge, die Ihnen Freude und Stabilität geben, unabhängig von der Beziehung. Hobbys, Freundschaften oder auch persönliche Projekte können für ein stabiles Fundament sorgen, so dass Sie nicht ausschließlich von der Dynamik der Partnerschaft abhängig sind.
Professionelle Unterstützung einbeziehen
Manchmal kann eine Paar- oder Einzeltherapie helfen, Bindungsängste besser zu verstehen und aufzulösen.Ihr Wunsch, Ihren Partner nicht zu drängen, zeigt große Rücksichtnahme. Dennoch sollten Sie darauf achten, dass Ihre eigenen Bedürfnisse in der Beziehung nicht dauerhaft unerfüllt bleiben. Beziehungen leben von einem Gleichgewicht aus Geben und Nehmen, und ein gemeinsames Gestalten der Balance von Nähe und Distanz ist wichtig.
Vertrauen, eine gute Kommunikation und die Bereitschaft, an sich selbst zu arbeiten, sind entscheidende Bausteine für eine gesunde Beziehung.
Leserfragen
Unser Team von Expertinnen und Experten beantwortet Ihre Fragen in der Zeitung: die Psychotherapeuten Carolina Gerstenberg und Daniel Wagner, die Diplom-Psychologinnen Elisabeth Raffauf und Katharina Grünewald, Sexualberaterin Gitta Arntzen sowie der Urologe Volker Wittkamp. Ihre Zuschriften werden anonymisiert weitergegeben. Schicken Sie Ihre Frage an: in-sachen-liebe@dumont.de