Offenbar verbreiten immer mehr Kinder und Jugendliche Kinderpornos in Chats. Wie Eltern ihre Kinder schützen können.
Neue KriminalitätsstatistikKinder verbreiten zunehmend Kinderpornos in Chats – was Eltern tun können
Laut aktueller Kriminalitätsstatistik gibt es einen „Trend“ unter Schülern: Sie verbreiten Kinderpornos in Chats. Bilder von Zwölfjährigen in sexuellen Posen oder ein Video, in dem ein Kind missbraucht wird. Wer kinderpornografisches Material wie dieses im Netz weiterleitet, macht sich strafbar. Laut aktueller Polizeilicher Kriminalitätsstatistik, die am heutigen Donnerstag in Berlin vorgestellt werden soll, gibt es dabei einen deutlich zunehmenden Trend: Schüler verbreiten solche Darstellungen in ihren Chatgruppen, wie die Tageszeitung „Welt“ vorab berichtete.
40 Prozent der Tatverdächtigen sind unter 18 Jahre alt
Bereits 2021 machten Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren fast 40 Prozent der ermittelten Tatverdächtigen bei der Verbreitung pornografischer Fotos und Videos aus, bestätigt der Geschäftsführer der Polizeilichen Kriminalprävention der Länder und des Bundes, Joachim Schneider: „Und diese Zahlen steigen weiter deutlich an“.
Viele Kinder und Jugendliche sind sich laut Experten nicht bewusst, dass sie kinderpornografische Inhalte weitersenden – dazu zählen etwa auch Zeichnungen und Manga-Bilder mit entsprechenden Darstellungen. Andere wissen schlicht nicht, wie sie darauf reagieren sollen. Schneider fordert vor allem mehr Aufmerksamkeit von den Eltern. Eltern müssten nah an ihren Kindern dran sein und mit ihnen vorsorglich darüber sprechen, was ihnen im Netz begegnen kann. Dabei helfe ein gutes Vertrauensverhältnis zum Kind. Wenn es Angst vor einer Strafe habe oder davor, dass ihm das Handy weggenommen wird, wende es sich bei einem entsprechenden Vorfall nicht an die Eltern, warnt Schneider.
Wie Eltern ihre Kinder schützen können
Doch wie können Eltern ihre Kinder davor schützen, dass diese selbst illegale Inhalte per Whatsapp verbreiten? Und welche Bilder oder Videos sind strafbar? Antworten geben der Kölner Medienrechtsanwalt Christian Solmecke und Kristin Langer, Mediencoach bei der Initiative „Schau hin!“.
Ob Bilder, Videos, Textbeiträge – „wie verbotene Inhalte kundgetan werden, ist unerheblich“, weiß Solmecke. Alle Inhalte, die gegen Gesetze verstoßen, können auch geahndet werden. Dazu zählen: das Versenden kinderpornografischer Bilder oder Videos, Volksverhetzung, der Aufruf zu Straftaten, Leugnung des Holocaust und das Verwenden verfassungsfeindlicher Symbole wie beispielsweise das Hakenkreuz, Zeichen der NSDAP, der SS oder SA. Parolen wie „Heil Hitler“ oder „Sieg Heil“ sind auch nicht erlaubt, weiß der Rechtsanwalt.
Eltern sollten Kinder altersgerecht anleiten
Laut Kristin Langer ist es für den Umgang mit allen digitalen Medien wichtig, dass Eltern ihre Kinder in der Nutzung altersgerecht anleiten und begleiten. Um Kinder und Jugendliche auf negative, beängstigende, verstörende und strafbare Inhalte in digitalen Medien wie Chats vorzubereiten, sei es wichtig, den Kindern zu erklären, dass auch im Netz Regeln gelten. Dass es Bilder, Texte und Videos gibt, die Menschen verletzen und zum Teil auch Gesetzesgrenzen überschreiten. Kinder sollten wissen: „Die digitale Welt ist kein Tummelplatz, wo jeder machen darf, was wer möchte.“ Wissen Kinder, was in Ordnung ist und was nicht, sind sie ab einem gewissen Alter auch selbst in der Lage, Nachrichten zu bewerten, sagt die Expertin.
Kinder können sich strafbar machen
Die Grenze, sich strafbar zu machen, ist teils schnell überschritten, weiß Rechtsanwalt Christian Solmecke. „Gerade, wenn Nutzer kinderpornografisches Material in Whatsapp-Gruppen zugeschickt bekommen, ist nach Paragraf 184b und 184c des Strafgesetzbuchs bereits der Besitz solcher Medien strafbar.“ Inwiefern dieser Besitz strafbar ist, hänge im Einzelfall davon ab, „wann Kenntnis über den Inhalt erlangt wurde und ob das Erhalten solcher Bilder ‚billigend in Kauf genommen wurde‘“.
Eine Grundregel, die Kindern mit an die Hand gegeben werden kann: „Bevor ich etwas schreibe, weiterleite oder versende, muss ich immer erst darüber nachdenken, ob ich es wirklich abschicken sollte“, sagt Kristin Langer. Für Chats müssen Jugendliche wissen, wie eine angemessene und respektvolle Kommunikation funktioniert. „Eltern können ihren Kindern erklären, welche Dinge verboten sind und warum es beispielsweise nicht erlaubt ist ein Hakenkreuz zu malen oder Bilder mit dem Symbol zu verbreiten.“ Zum Grundwissen von netzaktiven Kindern und Jugendlichen zählt, dass beleidigende oder diffamierende Nachrichten nicht in Ordnung sind. Eine wichtige Verhaltensweise für Kinder im Netz: „Ich muss auf mich und andere aufpassen."
Lernen, auch Nein zu sagen
Die Medienexpertin erklärt, dass Eltern mit ihren Kindern eine Mediennutzung aufbauen müssen, die bei Jugendlichen am besten auf Vertrauensbasis funktioniert. „Eltern sollten ihre Kinder ermutigen und stärken, damit sie auch nein sagen können und sich nicht von Klassenkameraden unter Druck setzen lassen.“ Wichtig ist es für Jugendliche zu wissen, was zu tun ist, wenn sie beispielsweise ein Bild mit einem Hakenkreuz gesendet bekommen. „Man kann den Inhalt bei der Plattform melden, den Absender blockieren und sich auch aus Chats löschen“, sagt Langer. Wichtig sei es, dass Jugendliche wissen, dass sie sich bei komischen, beängstigen Inhalten oder Nachrichten, die sie für verboten halten, an ihre Eltern, Lehrer oder Freunde wenden können.
Meist werden die Bilder aus dem Affekt heraus weiter geschickt
Aber warum leiten Kinder solche Bilder überhaupt weiter? „Das kann eine ähnliche Motivation wie bei Gewaltfotos sein: Die Kinder sind geschockt und schicken es aus dem Affekt heraus vielleicht an eine Freundin, weil sie Redebedarf haben und nicht wissen, wie sie damit umgehen sollen“, sagt Diplom-Psychologin Christa Gebel vom JFF Institut für Medienpädagogik in Forschung und Praxis. „Deshalb ist es wichtig, dass Eltern im Vorfeld ein Vertrauensverhältnis aufbauen.“ Sie weist darauf hin, dass selbst eher harmlosere Darstellungen den Heranwachsenden vermitteln könnten, dass sexualisierte Darstellung von Kindern normal sei. „Das schwächt die Abwehr gegenüber Erwachsenen, die versuchen, sich in Chats von Kindern einzuschleichen und von ihnen entsprechende Fotos zu erbitten.“ Wenn ein Kind im Netz härtere kinderpornografische Bilder zu sehen bekomme, sei es wichtig, dass es wisse, dass es sich an seine Eltern wenden könne, um über das Gesehene reden und es verarbeiten zu können, sagt Gebel.
Schockierede Inhalte verbreiten sich besonders schnell
Nacktbilder von Mitschülern, die im Klassenchat geteilt werden oder schockierende Missbrauchsbilder – wo bleibt die Empathie? „Kinder und Jugendliche nutzen das Internet alltäglich und selbstverständlich. Dabei geschieht viel aus der Situation heraus. Inhalte, die Kinder und Jugendliche schockierend oder spannend finden, verbreiten sich daher besonders schnell. Dazu gehören eben auch nackte Menschen“, sagt Lisa Buschmann von der EU-Initiative klicksafe bei der Landesanstalt für Medien NRW.
Vielleicht gebe es beim Versenden von Gewalt- oder Nacktbildern auch einen gewissen „Gewöhnungseffekt“, der die Bilder als ‚normal‘ empfinden lässt, so Psychologin Gebel. Dies sei nicht unbedingt zu verurteilen: „Es ist eine normale Reaktion, dass man sich durch eine Distanzierung schützen will.“ Kinder und Jugendliche sollten jedoch sensibilisiert werden, andere nicht damit zu belasten. Und auch die eigene Betroffenheit rechtfertige nicht, dass man andere mit den Pornos belästigt – zumal Kinder mit eigener Missbrauchsgeschichte dadurch retraumatisiert werden könnten.
Es sei allerdings keine Lösung, die Inhalte auf dem Handy einfach nur zu löschen, betont der Polizeibeamte Schneider. „Tatsache ist: Kinderpornografie zeigt sexualisierte Gewalt an Kindern. Die Verbreitung von Missbrauchsdarstellungen ist ein Verbrechen. Entscheidend ist es, Inhalte konsequent zu melden.“ (mit KNA)
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