Konflikt zwischen Eltern und Kinderlosen„Man muss Mütter einfach hassen“
Es sind Welten, die Kinderlose von Eltern trennen – so wirkt es manchmal. Kinderlose gelten als selbstverliebte Hedonisten, deren Leben sich nur um Selbstoptimierung, Karriere und Freizeit dreht.
Eltern hingegen kreisen wie Helikopter über ihre Kinder, sprechen nur noch über Windelinhalte und wählen nicht nur plötzlich bürgerliche Parteien, sondern sind auch noch total unflexibel geworden. So weit die Klischees.
Wie groß die Kluft zwischen Eltern und Kinderlosen wirklich ist, darüber haben die Autorinnen Susanne Garsoffky und Britta Sembach nun ein Buch geschrieben: Der tiefe Riss – Wie Politik und Wirtschaft Eltern und Kinderlose gegeneinander ausspielen.
Es gibt nicht mehr viele Berührungspunkte, wenn aus Menschen Eltern werden und aus anderen nicht, schreiben die Autorinnen. Bereits mit ihrem Vorgängerwerk „Die Alles ist möglich-Lüge“ haben sie ein Debattenbuch vorgelegt, das laut und konträr diskutiert wurde. Ist es wirklich nicht möglich, Familie und Job zu vereinbaren? Es war vor allem ein Denkanstoß.
Der tiefe Riss zwischen Eltern und Kinderlosen
Nun nehmen sich Sembach und Garsoffky also den Riss zwischen Eltern und Kinderlosen vor. Sind die Differenzen zwischen ihnen wirklich unüberbrückbar? „Wie fühlt es sich an, das Leben in einer geteilten Welt?“, fragen die Autorinnen, „Hier die leistungsfähigen und total flexiblen Singles und kinderlosen Paare, dort die abgekämpften Familienarbeiterinnen und -arbeiter?“
Doch ist dieser Riss wirklich so tief? Im Internet verschärft sich der Ton in der Debatte unüberhörbar. „Man müsse Mütter einfach hassen“, heißt es auf der Seite thenotmom.com, auf der sich Kinderlose austauschen, „weil sie ihr rotz- und sabbelverschmiertes Glück so aufdringlich vor sich hertrügen“.
Dagegen heißt es in einer Studie des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung, 61 Prozent der Befragten würden der Aussage „Kinderlose verhalten sich egoistisch, weil sie ein bequemes Leben führen wollen“ zustimmen.
„Es scheint kaum eine Grenze zu geben für gegenseitige Beschuldigungen und Vorwürfe, ausführliche Rechtfertigungen und die permanente Verteidigung des eigenen Lebensentwurfes“, heißt es im Buch. Und auch im Job und in der persönlichen Begegnung regt sich Protest.
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Familienfreundlichkeit – der Fehler liegt im System
Da ist die Arbeitnehmerin, die sich auf der Veranstaltung ihrer Gewerkschaft zu Wort meldet: „Wissen Sie, ich habe oft den Eindruck, ich bin die Einzige in meiner Abteilung, die wirklich noch arbeitet.“ Sie könne im Sommer nie in den Urlaub, weil da Schulfreien seien. „Denn ich habe keine Kinder.“ Es sei ja schön und gut, dass ihr Betriebe familienfreundlicher werden wolle „Aber doch nicht immer auf meine Kosten.“
Familienfreundlichkeit, diese Eigenschaft schreiben sich moderne Unternehmen gern auf die Fahne. Aber diese darf natürlich nicht auf Kosten der Kollegen umgesetzt werden, die keine Kinder haben.
Wenn eine Mutter oder ein Vater in Elternzeit gehe und dann mit einer Teilzeitstelle zurückkomme, würden häufig keine neuen Kollegen eingestellt, sondern die Arbeit schlicht auf den Schultern der anderen Kollegen verteilt. Der Fehler liege also im System. Verständlich, dass das einen Graben zwischen Kinderlose und Eltern reißt.
Genauso gilt das andersherum. Da ist die Mutter, die mit ihrer dreijährigen Tochter vom Kinderturnen kommt, als diese einen Trotzanfall bekommt. Sie tobt und stampft auf dem Bürgersteig. Eine junge Frau fährt auf dem Fahrrad vorbei und äfft das Kind nach: „Bäh, bäh, ich mag das nicht, ich will das nicht.“ Die Mutter stellt sie zur Rede. „Selber wohl nie Kind gewesen, was?“ Da antwortet die Radfahrerin „Doch, natürlich. Aber nicht so eins!“
Mehr Verständnis: Es braucht Akzeptanz zwischen den Welten
Letztlich ist auch dieses Buch ein Denkanstoß. Eine Anregung, sich immer wieder in die Menschen hineinzuversetzen, die ein ganz anderes Leben führen als man selbst. Beide Seiten, die Eltern und die Kinderlosen, müssten sich aufeinander zubewegen, so die Schlussfolgerung. Die Vorurteile könnten nur durch Annäherung abgebaut werden. Es brauche Verständnis.
Denn ja: Den meisten Eltern sind nicht plötzlich nur noch ihre Kinder wichtig. Und den meisten Kinderlosen nicht nur ihre Karriere und ihre Freizeitaktivitäten. Das können sie aber nur voneinander erfahren, wenn sie miteinander ins Gespräch kommen.
Mag die Säuglings- und vielleicht auch noch die Kleinkindphase noch so anstrengend sein und die Berührungspunkte von Eltern mit Kinderlosen vielleicht tatsächlich in dieser Zeit weniger – danach kommen auch wieder andere Phasen.
Dann wird es Zeit für eine Annäherung. Und zwar von allen Beteiligten. Denn wenn die Kluft zwischen Eltern und Kinderlosen überwunden werden will, braucht es eine Brücke. Und die ist nur tragfähig, wenn sie von beiden Seiten gebaut wird.