Das erste Handy wird vom Kind ersehnt und von den Eltern gefürchtet. 10 Tipps, wie man Gerät und Nachwuchs fit macht für die digitale Welt.
Zeitlimits, Apps, GruppendruckDas erste eigene Handy fürs Kind – worauf sollten Eltern achten?
Viele Eltern sind zögerlich, wenn es darum geht, ihrem Kind sein erstes eigenes Handy zu schenken. Groß ist die Sorge vor den typischen Streitpunkten und Gefahren, die das Smartphone-Universum mit sich bringt. Ewig herauszögern lässt sich das Thema aber auch nicht, schließlich leben Kinder von heute in einer digitalen Welt, mit der sie vertraut werden müssen. Meistens ist der Wechsel in die weiterführende Schule schließlich der Zeitpunkt, an dem der Nachwuchs ein eigenes Smartphone bekommt. Medienpädagogin Jessica Wawrzyniak gibt Tipps für einen guten, sicheren Start ins neue Handyzeitalter.
1. Geräte-Einstellungen: Standort und Bluetooth ausschalten
Ob man nun ein gebrauchtes oder ein neues Smartphone schenkt, zunächst sollten Eltern die Einstellungen des Geräts überprüfen. „Ich empfehle zum Beispiel, die Standort-Angabe des Handys auszuschalten, weil der Ort von Fremden ausgelesen werden kann“, sagt Jessica Wawrzyniak, „im Zweifelsfall kann so jeder sehen, in welchem Einkaufszentrum klein Lisa sich gerade aufhält.“ Auch Bluetooth sollte deaktiviert sein, damit niemand Daten abgreifen könne. „Sinnvoll ist es auch, am Anfang nur WLAN und keine mobilen Daten zuzulassen – dann kann das Kind nicht überall ins Netz.“
2. Die App-Frage: Soziale Netzwerke am Anfang vermeiden
Die große Diskussion zwischen Eltern und Kindern ist immer, welche Apps das Kind nutzen darf. „Welche Programme für ein Kind in dem Alter wichtig sind, lässt sich pauschal nicht sagen“, erklärt Wawrzyniak. Es komme darauf an, für welche Bereiche sich das Kind interessiere und natürlich, was die Eltern erlauben wollten. „Soziale Netzwerke sollten in diesem jungen Alter aber noch vermieden werden.“ Wichtig sei, vorher immer die Funktionen der App anzuschauen und keine App zu installieren, über deren Gefahren noch nicht vorab aufgeklärt wurde. Um zu verhindern, dass das Kind selbständig Apps installiere, könne man ein Programm aufspielen, durch das App-Käufe nur mit einem entsprechenden Pincode getätigt werden könnten.
3. Bei neuen Apps immer Privatsphäre-Einstellungen checken
Nutzten Kinder später doch Social Media-Apps wie TikTok oder neue Apps, die wir heute noch nicht kennen, sollten Eltern nicht panisch werden, sagt die Medienpädagogin. „Die Mechanismen hinter jeder Social-Media-App sind die gleichen. Und es gilt immer, mit wachem Auge die Datenschutz- und Privatsphäre-Einstellungen zu wählen – am besten gemeinsam mit dem Kind.“ Eltern sollten sich die Apps in Ruhe anschauen und vorsichtig sein, wenn dort zum Beispiel in öffentlichen Gruppen kommuniziert werde oder Fotos und Videos in einer Cloud gespeichert würden. „Sie sollten dem Kind auch zeigen, wie es jemanden blockieren oder melden kann.“
4. Öfter die Perspektive des Kindes einnehmen
„Viele Eltern tun sich schwer, die Handynutzung ihres Kindes positiv zu sehen“, sagt Wawrzyniak. Deshalb sei es ganz wichtig, die Perspektive der jungen Menschen einzunehmen. „Erwachsene müssen lernen, was Kinder zu Themen im Netz denken und warum sie welche Medien nutzen wollen.“ Auch wenn sie die Sicht der Jungen nicht immer nachvollziehen könnten, sollten sie Interesse zeigen. Dabei helfe es, den Medienaspekt auch mal auszublenden und Vergleiche zu analogen Beschäftigungen anzustellen. „Was das Kind am Bildschirm tut, kann genauso ein Hobby sein – auch ein Online Game ist wie ein Brettspiel, das mit Leidenschaft gespielt wird.“
5. App-Gruppen-Druck: Wünsche des Kindes unbedingt ernst nehmen
Im Klassen- oder Freundesverband werden oft Apps genutzt, die das eigene Kind plötzlich auch unbedingt will. „Dass ‚alle‘ die App nutzen, ist kein gutes Argument. Dennoch: Eltern sollten das nicht pauschal ablehnen, sondern erst mal die Motive des Kindes hören“, sagt Wawrzyniak. „Will es nicht ausgeschlossen werden oder geht es ihm um die Kommunikation mit Freunden?“ Möglicherweise finde man einen Kompromiss. „Vielleicht reicht es dem Kind auch, über SMS, Mail oder andere Apps zu kommunizieren.“ Und wenn wirklich alle Kinder in der Klasse die App hätten, sollten Eltern zumindest wohlwollend darüber nachdenken, das auch zu erlauben.
6. Blockinglisten für unpassende Netz-Inhalte
Auch ohne Apps können Kinder über Suchmaschinen im Netz alles finden. „Um für jüngere Kinder Inhalte zu sperren, kann man zum Beispiel über den Jugendschutzfilter JusProg bestimmte Seiten blocken“, sagt die Medienpädagogin. Ältere Kinder hingegen fänden immer Wege, um an die Inhalte zu kommen, die sie sehen wollten.
7. Statt fester Zeitlimits Medienzeit individuell anpassen
„Ich bin dagegen, die Medienzeiten zu streng zu sehen und technische Zeitlimits einzustellen, bei denen das Gerät irgendwann einfach ausgeht“, sagt Jessica Wawrzyniak, „Es sollte die Möglichkeit bleiben, ein Gespräch ordentlich zu beenden, ein Spiel abzuspeichern oder einen Beitrag zu Ende zu lesen.“ Die Medienzeit sollte individuell abgesprochen werden, abhängig davon, was das Kind gerade am Handy mache. „Dauert ein Spiel-Level 45 Minuten, wäre das eine Zeiteinheit, die man vorgeben kann. Will das Kind mit Freunden schreiben, könnte die Länge einer Schulpause veranschlagt werden – solche Einheiten sind auch für das Kind nachvollziehbar“ Sinnvoll sei es auch, Smartphone freie Zonen einzuführen – zum Beispiel am Esstisch, weil dort der Austausch mit der Familie im Vordergrund stehe oder vor dem Schlafengehen, weil man da zur Ruhe kommen solle.
8. Bei exzessiver Nutzung Apps deinstallieren und genau hinschauen
„Kommt ein Kind gar nicht mehr weg vom Handy, dann müssen Eltern natürlich irgendwann durchgreifen“, sagt die Medienpädagogin. Zur Not könne man eine App auch wieder deinstallieren. „Eltern sollten das aber mit Feingefühl angehen und erklären, warum sie das tun.“ Vor allem aber sollten sie herausfinden, was hinter der exzessiven Handynutzung ihres Kindes stecke. „Manchmal geht es nicht nur um Zeitvertreib, sondern um etwas Ernstes: Fehlt dem Kind etwas in der analogen Welt? Will es sich ablenken? Anschluss finden?“
9. Mit Kindern früh über Gefahren im Netz sprechen
Ganz wichtig sei es, mit Kindern schon am Ende der Grundschulzeit über die Gefahren und Stolperfallen im Netz zu sprechen. „Zur Sprache kommen sollte, dass im Internet nicht alles wahr ist, dass es Falschnachrichten, Bild- und Videomanipulation gibt, aber auch, dass Inhalte oft schnell und anonym verbreitet werden und diese Anonymität zu Mobbing, Hassrede oder Cybergrooming führen kann.“ Ratsam sei, auch mal zusammen mit den Kindern Fakten zu checken, zum Beispiel auf der Seite mimikama.de.
10. Am Anfang Smartphone-Nutzung des Kindes begleiten
„In der ersten Zeit mit Smartphone sollten Eltern das Kind begleiten und immer auch mal dabei sitzen und draufschauen“, erklärt Jessica Wawrzyniak. Aber der Ton müsse stimmen: Nicht einfach sagen ‚Zeig mir jetzt dein Handy!‘, sondern lieber fragen ‚Darf ich mal mit hineingucken?‘. „Ein No-Go ist, ungefragt das Gerät zu checken. Das Kind hat nämlich auch ein Recht auf Privatsphäre.“ Wenn Eltern spionierten, könne dies das Vertrauen des Kindes erschüttern. „Und dieses Vertrauen ist immens wichtig, denn früher oder später sind Kinder selbständig im Netz unterwegs und Eltern darauf angewiesen, dass das Kind freiwillig mit Fragen oder Bedenken zu ihnen kommt.“
Buchtipp: Jessica Wawrzyniak: „Screen Teens – Wie wir Jugendliche in die digitale Verantwortung begleiten“, Kösel Verlag, 224 Seiten, 18 Euro