Papa oder Opa?Wieso alte Väter gut für das Kind sein können
Franz Beckenbauer mit 55, Bruce Willis mit 59, Robert de Niro mit 68, Ulrich Wickert mit 69 und Jean Pütz mit 74 Jahren – sie alle sind in einem hohen Alter noch einmal Vater geworden. Jetzt verkündete ein Sprecher von Richard Gere, der US-Schauspieler sei mit 69 Jahren noch einmal Vater geworden.
Geres Frau Alejandra hatte die Schwangerschaft bereits im September auf Instagram öffentlich gemacht. Auf dem Foto war zu sehen, wie der Dalai Lama seine Hand auf ihren Bauch legt. Gere, der als Freund des geistigen Oberhauptes der Tibeter gilt und sich zum Buddhismus bekennt, steht dabei an ihrer Seite.
Späte Vaterschaft rückt stärker in den Mittelpunkt
Es deute sich bei Männern „ein noch größeres Hinauszögern“ des Elternwerdens an als bei Frauen, heißt es auf den Seiten des Bundesfamilienministeriums. Der demografische Wandel, die hohe Scheidungsrate und die moderne Medizin werden in der Regel dafür verantwortlich gemacht. Heute sollen fünf Prozent der Kinder bei ihrer Geburt einen Vater haben, der die Fünfzig bereits überschritten hat.
Ob es sich um einen breiten gesellschaftlichen Trend zu einer sehr späten Vaterschaft handelt, sei nur schwer zu belegen, so Väterforscher Dr. Andreas Eickhorst. Neu sei in jedem Fall, dass das Phänomen „späte Vaterschaft“ stärker in den Mittelpunkt rücke, so Eickhorst, und das öffentliche Interesse daran wachse. Viele medizinische Untersuchungen beschäftigen sich inzwischen nicht mehr nur mit späten Müttern, sondern auch mit späten Vätern. Einige Forscher warnen vor den negativen gesundheitlichen Auswirkungen für das Kind aufgrund der abnehmenden Spermienqualität im Alter, andere sagen Kindern später Väter eine höhere Lebenserwartung voraus.
Sehr alte Väter sorgen für Irritation: Kinderwagen statt Rollator
Die Dokumentationsreihe 37 Grad widmete der späten Vaterschaft gerade eine eigene Sendung mit dem Titel „Der könnte doch Dein Opa sein!“, die in der ZDF-Mediathek zu sehen ist. Einer der Protagonisten ist mit 79 Jahren noch einmal Vater geworden, nachdem er und seine zweite Frau 20 Jahre vergeblich versucht hatten, ein Kind zu bekommen. Der „alte neue Vater“ Günther berichtet von einem Spruch, den er sich beim Spazierengehen von einem Passanten habe anhören müssen: „Sie schieben als Großvater den Kinderwagen und sparen sich den Rollator.“ Günther korrigiert den Mann: Erstens sei er der Vater des Kindes, nicht der Großvater, zweitens brauche er noch keinen Rollator. Das Bild des sehr alten Vaters sorgt in unserer Gesellschaft nach wie vor für Irritation. Auch wenn Männer noch bis ins hohe Alter Kinder bekommen können, ist diese Tatsache noch lange nicht gesellschaftlich akzeptiert.
Einem sehr kleinen Kind ist egal, wer sich kümmert
Sie seien egoistisch, das müssen sich späte Vater in der Regel anhören – das weiß auch Väterforscher Eickhorst. Allerdings betont der Entwicklungspsychologe: „Einem sehr kleinen Kind ist es egal, wer sich um es kümmert, ob die Person männlich oder weiblich, schwarz oder weiß, oder eben alt oder jung ist“. Erst im Kindergarten, wenn es vergleiche und erkenne, dass der eigene Vater womöglich deutlich älter oder gebrechlicher sei als andere, könne es schwierig werden, so Eickhorst.
Entwicklungspsychologe sieht mehr Vorteile
Insgesamt kann der Entwicklungspsychologe am Deutschen Jugendinstitut aber eher mehr Vorteile als Nachteile einer späten Vaterschaft aufzählen: „Späte Väter haben mehr Lebenserfahrung und sind in der Regel so finanziell abgesichert, dass sie gut für das Kind sorgen können.“ Das seien beides sehr positive Aspekte, so Eickhorst, der aus seiner Arbeit mit sehr jungen Vätern und den sogenannten „Frühen Hilfen“ auch das Gegenteil kennt: Väter, die mental noch nicht dazu bereit sind, sich um ein Kind zu kümmern und die in solch prekären Verhältnissen leben, dass sie auch für dessen Versorgung kaum aufkommen können.
Späte Väter haben mehr Zeit für ihre Kinder
Eickhorst kann noch einen weiteren Vorteil ausmachen: Väter ab ihren späten 50ern müssten sich in der Regel beruflich nichts mehr beweisen. „Sie haben bereits Karriere gemacht, sind gegebenenfalls in Rente und können sich ganz auf die Erziehung des Kindes konzentrieren“, erklärt der Entwicklungspsychologe. So wie der 76-jährige Heribert aus der 37-Grad-Sendung, der seine inzwischen 21-jährige Tochter intensiv durch ihre Gymnasialzeit und durch ihre gesamte Pubertät begleiten konnte, während seine Frau weiter berufstätig war.
Moderner Rollentausch: Alter Vollzeit-Vater, kleines Kind, berufstätige Mutter
Die alten Väter sorgen so für einen modernen Rollentausch, „ein positiver Nebeneffekt“, wie Forscher Eickhorst findet. „Im Grunde erfüllen diese fürsorglichen älteren Väter das Wunschbild des sogenannten „neuen Vaters““, sagt Eickhorst. „Sie haben sich meist bewusst für das Vatersein entschieden, kümmern sich intensiv um ihre Kinder, sie kuscheln mit ihnen, wickeln sie, und übernehmen nicht nur einen Großteil der Erziehung, sondern setzten sich auch intensiv mit ihr auseinander.“ Gerade bei sehr jungen Vätern sei das oft nicht der Fall, resümiert Eickhorst. Ein sehr alter, aber fürsorglicher Vater sei in jedem Fall besser als ein abwesender Vater oder ein junger Vater, zu dem das Verhältnis aber zerrüttet sei.
Besser kurze schöne Zeit mit altem Vater als lange schlechte Zeit mit jungem
Im Hinterkopf haben die alten Väter oft, dass ihre Zeit mit dem Nachwuchs begrenzt ist, dass sie womöglich nicht mehr mitbekommen, wie ihr Kind einen Schulabschluss macht, wie es heiratet oder selbst Kinder bekommt. Hier sei es wichtig, offen mit der eigenen Endlichkeit umzugehen, sagt Eickhorst, und mit den Kindern über den möglichen Tod des Vaters in den nächsten Jahren zu sprechen. Insgesamt sei es aber, entwicklungspsychologisch gesehen, trotzdem besser für ein Kind, wenn es eine sehr kurze, aber dafür intensive und schöne Zeit mit dem Vater habe, als eine lange und schlechte, so der Experte.
Wird er die Einschulung seiner Tochter noch erleben?
Günther aus der 37-Grad-Sendung hatte mit einem Sohn aus erster Ehe, der 50 Jahre älter ist als seine einjährige Tochter Pauline, lange ein schwierigeres Verhältnis. Günther lebte in seiner ersten Ehe mit seiner verstorbenen Frau das traditionelle Familienmodell, er war in der Familie insbesondere Ernährer und Versorger. Der Sohn berichtet, er habe den Vater früher „nur als graue Eminenz“ im Hintergrund erlebt. Bei Pauline macht Günther jetzt einiges anders: „Das ist das erste Mal, dass ich mich einem Kind richtig widmen kann“, sagt der 80-Jährige. Wie lange er das noch kann? Ob er noch erleben wird, wie Pauline eingeschult wird? „Wie lange das gehen wird“, sagt Günther am Ende des Films, „das weiß wohl keiner.“