In Sachen LiebeWenn einer den anderen in der Beziehung schlecht behandelt
- Was gibt es Schöneres und Wichtigeres im Leben als die Liebe? Wie wir sie finden, pflegen und sie uns erhalten; was geschieht, wenn sie vergeht oder wir sie verlieren – darum geht es in unserer PLUS-Kolumne „In Sachen Liebe“.
- Im wöchentlichen Wechsel beantworten die Psychotherapeuten Désirée Beumers, Carolina Gerstenberg und Daniel Wagner sowie die Diplom-Psychologinnen Elisabeth Raffauf und Katharina Grünewald Ihre Fragen rund ums Liebesleben, Sex und Kindererziehung.
- Dieses Mal beantwortet Elisabeth Raffauf die Frage, warum manche Menschen in ihrer Beziehung gemein und respektlos mit ihren liebevollen Partnern umgehen.
Ich bin mit einem sehr lieben Mann verheiratet. Er tut fast alles für mich. Ich selbst tue fast nichts für ihn. Manchmal mache ich ihn sogar richtig runter, bin gemein zu ihm und schicke ihn weg. Er kommt aber immer wieder zu mir zurück. Ich habe das Gefühl, er ist mir nicht gewachsen, aber trennen kann ich mich auch nicht. Was soll ich machen? Was Sie schildern, hört sich in der Tat nach einer sehr ungleichen Beziehung an. Ihr Mann hängt sich rein, und Sie „bestrafen“ ihn dafür. Das klingt sogar richtig widersprüchlich. Eigentlich würden wir ja denken: „Wer mich gut behandelt, den behandle ich auch gut.“ Aber Sie tun das Gegenteil. Vielleicht ist es erstmal wichtig zu verstehen, warum Sie ausgerechnet den Menschen mit Füßen treten, der so nett und liebevoll mit Ihnen umgeht. Was an diesem Umgang können Sie nicht ertragen, so dass Sie ihn respektlos behandeln müssen? Und vielleicht ist auch die Frage interessant, warum Sie sich diesen Menschen als Partner ausgesucht haben.
Ursachen liegen oft in der Kindheit
Es könnte sein, dass liebevoller Umgang in Ihrer Kinderzeit in irgendeiner Art mit Schwäche verknüpft war und nicht so gut angesehen. Vielleicht gab es eine Person in der Familie, die sich schwach gezeigt hat, mit der aber niemand Mitleid hatte. Dann war es damals womöglich wichtig für Sie, sich auf die andere, die vermeintlich starke und mächtige Seite zu schlagen, um nicht auch als „Opfer“ dazustehen und sich klein zu fühlen.
Vielleicht haben Sie auch in Ihrer Kindheit keine klaren Grenzen erlebt, die Ihnen Halt und Schutz und auch Orientierung gegeben hätten. Manchmal ist es so, dass man dann immer weiter nach diesem Halt sucht. Was Sie heute schildern, klingt, als empfänden Sie zunächst Genugtuung, wenn Sie Ihren Mann schlecht behandeln. Allerdings hält dieses Gefühl nicht lange an, und ein irgendwie schales Gefühl kommt hinterher. Für kurze Zeit ein machtvolles Gefühl – und dann die Leere.
Den Partner an Gefühlen und Gedanken teilhaben lassen
Insgeheim vermuten Sie, dass da etwas anderes am Werk ist. Die Abwehr eines alten unangenehmen Gefühls. Sie haben sich unbewusst einen Partner ausgesucht, der Sie gewähren lässt, keine Grenzen setzt. So wie Sie es von früher kennen. Damals hat Ihnen dieses Gefühl, keinen Halt zu haben, Angst gemacht. Das ist vielleicht heute in Teilen immer noch so. Heute suchen Sie vielleicht den Halt bei Ihrem Partner und verhindern diesen Halt zugleich, indem Sie sich nicht in die Karten gucken lassen, nicht offen mit Ihrem Mann darüber reden.
Was wünschen Sie sich? Wie wäre es, wenn Ihr Mann Ihnen Paroli böte und nicht alles mit sich machen ließe? Hätten Sie dann mehr Respekt? Würden Sie sich gleichwertiger fühlen? Respekt können Sie selbst herstellen. Einmal indem Sie ihn an Ihren Gedanken und Gefühlen teilhaben lassen, indem Sie ihm offenbaren, was mit Ihnen passiert und dass Sie da etwas wiederholen, mit dem Sie eigentlich selbst nicht zurechtkommen.
Heute ist nicht damals
Sie können ihm auch von Ihrer Geschichte erzählen. Davon, warum Sie vermeintliche Schwäche nicht gut aushalten können. Warum Sie Freundlichkeit als Schwäche auslegen und es nicht ertragen können, so viel Spielraum zu haben. Sie können deutlich machen, dass es vor allem mit früher zu tun hat. Dabei geht es nicht darum, Ihren Mann zu verändern, sondern etwas von sich zu zeigen, anstatt sich hinter Respektlosigkeiten zu verstecken.
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Andererseits können Sie auch versuchen, Ihren Mann zu verstehen: Warum bist du so freundlich zu mir, während ich so gemein zu dir bin? Wie war deine Geschichte? Und vielleicht können Sie auch sehen: Heute ist nicht damals. Ihr Mann ist nicht Ihr Vater oder Ihre Mutter. Heute muss Ihnen niemand mehr sagen, dass Sie respektvoll sein sollen. Sie können es sich selbst sagen.