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Null Bock zu lernenWerden Jungs in der Pandemie besonders abgehängt?

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Manche Schüler sind nur noch schwer zu motivieren.

Köln – Seit einem Jahr haben Schülerinnen und Schüler nur selten ihr Klassenzimmer von innen gesehen. Vielen fällt es nach so langer Zeit schwer, sich beim Distanzlernen noch zu motivieren. Manche Kinder haben sich inzwischen ganz vom Lernen verabschiedet. „Einige der Jungs aus meiner Klasse klinken sich total aus beim Online-Unterricht, sie machen die Kamera aus und zocken irgendwelche Spiele“, erzählt ein Schüler. Auch Eltern berichten davon, dass gerade ihre Jungen häufig wenig mitmachen, bis hin zu völliger Antriebslosigkeit und Komplettverweigerung oder Wut. Viele Mädchen, so zeigen Erfahrungsberichte, scheinen eher am Ball zu bleiben. Ist die Lernsituation in der Pandemie also eine besondere Herausforderung für Jungs? Und besteht bei ihnen tatsächlich eine größere Gefahr, dass sie abgehängt werden?

Die Corona-Zeit mit all ihren Einschränkungen ist unbestreitbar für die meisten jungen Menschen eine besondere Herausforderung. Eine Studie hat ergeben, dass nach einem Jahr Pandemie sogar jedes dritte Kind psychisch auffällig ist. Sorgen, Ängste, depressive Symptome und psychosomatische Beschwerden haben zugenommen. Das wirkt sich natürlich auch auf die Lernmotivation aus. Ob Jungen größere Probleme haben als Mädchen, unter den veränderten Corona-Bedingungen zu leben und lernen, dazu gibt es bisher keine Studien. Man kann sich dieser Frage also nur annähern. Und sich umhören.

Flucht in Spielewelten, Depression, Verweigerung

„Besonders im Jugendalter leiden sowohl Mädchen als auch Jungen unter der Pandemie und den Beschränkungen – allerdings aus unterschiedlichen Gründen“, sagt Christiane Federlin-Dahmen vom Schulpsychologischen Dienst in Köln. „Jungen und Mädchen drücken es unterschiedlich aus, wenn sie leiden. Während Jungen eher dazu tendieren sich in bestimmte Spiele- oder Onlinewelten zu flüchten oder auch aggressive Seiten zeigen, sind Mädchen häufiger weiterhin angepasst.“ Das bedeute aber nicht unbedingt, dass es ihnen gut geht. „Bei den Mädchen stehen tendenziell Ängste, Traurigkeit oder auch ein verändertes Essverhalten im Vordergrund.“ Bei Jungen komme es häufiger vor, dass sie morgens gar nicht mehr aus dem Bett kämen und sich nicht mehr zum Online-Unterricht motivieren könnten bis hin zu einer kompletten Verweigerungshaltung.“

Schulpsychologischer Dienst

Eltern und Jugendliche können sich bei Problemen, die im Umfeld von Schule auftreten, also bei Schulängsten, Mobbingfällen und Lern-, Motivations- oder Leistungsdefiziten direkt an den Schulpsychologischen Dienst Köln wenden. Bei einem telefonischen Erstgespräch wird geklärt, in welchem Rahmen Eltern und Kind Hilfe und Unterstützung benötigen.

Telefon: 0221-221-29001 oder -29002Mail: schulpsychologie@stadt-koeln.de

Sie kenne zwar auch Jungs, für die das Lernen zuhause Vorteile habe, weil sie sich sonst im Klassenverband nicht so gut konzentrieren könnten, aber es gebe auch erfolgreiche Schüler, die stark nachlassen, weil ihnen das fehlt, was an Schule nett und motivierend war. „Wenn ein Kind leistungsmäßig ordentlich nachlässt, muss man gut hinschauen, was dahinter steckt.“ Dabei sollten Eltern, wenn das Kind nicht mitkommt, auch in diesen Zeiten Schule nutzen und die Lehrer um Hilfe bitten. „Entscheidend ist, dass die Beziehung zum Kind für Eltern immer im Vordergrund steht. Wenn es ihrem Kind psychisch nicht gut geht, sollten sie nicht noch mehr Leistungsdruck machen.“

„Die Pandemie ist für Jungs eine besondere Herausforderung“

Dass für Jungen die Corona-Situation schwieriger ist, davon ist der Kinder- und Jugendpsychotherapeut Hans Hopf, der sich seit 50 Jahren wissenschaftlich mit Jungen beschäftigt, überzeugt: „Die Pandemie ist für Jungs eine besondere Herausforderung.“ Es sei daher wichtig, dass auch mal explizit der Fokus auf die Jungs gelegt wird. „Jungen und Mädchen haben unterschiedliche Stärken und Schwächen und das zeigt sich auch jetzt.“ Wie immer, wenn Geschlechterzuschreibungen thematisiert werden, geht es hier natürlich nicht um „die Jungen“ oder „die Mädchen“, sondern lediglich um Tendenzen.

Für Jungen sei das Lernumfeld Schule, das lange Zeit weggebrochen ist, besonders wichtig, sagt Hopf, weil ein Präsenzunterricht in Gruppen Struktur, Grenzen und Kontrolle garantiere. Das sei in vielen Familien nicht mehr ausreichend möglich. „Mädchen dagegen haben in der Regel ein gut gefestigtes Über-Ich, in der Alltagssprache auch „Gewissen“ genannt, das sie zum Durchhalten und zu besseren Leistungen befähigt.“ Jungen auf der anderen Seite tendierten dazu, ihr eigenes Können zu idealisieren und sich überlegen zu fühlen. „Sie denken eher, sie können schon alles.“ Dabei gingen sie auch gerne mal Realitäten aus dem Wege, die Mühe und Anstrengungen erfordern. „Sie neigen zum ‚Lustprinzip‘ und zum ‚Chillen‘“.

Jungs fehlt Bewegung, um Spannungen abzubauen

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Hans Hopf, Jungen verstehen, Klett-Cotta, 2019

Vor allem aber müssten Jungen tendenziell mehr aggressive Affekte und viele Spannungen verarbeiten und könnten diese weniger gut aushalten als Mädchen. „Jungs führen ihre Spannungen und Ängste oft nach außen ab – über Streit, Wut, Aufmerksamkeitsdefizite und Bewegungsunruhe. Wir nennen das fachlich auch externalisieren.“ Sie bräuchten deshalb dringend Bewegung. Da in Corona-Zeiten viele Sportangebote wegfallen würden, könne sich dieses Verhalten noch verstärken. „Viele Jungs sind deshalb in der Familie gereizter, es kann zu Machtkämpfen kommen, bis hin zu Gewaltausübungen. Die haben laut Kinderschutzbund zugenommen.“ Auch Cybermobbing könne eine Folge dieser Frustration und Aggression sein, sagt Federlin-Dahmen. „Die Angriffe, die möglicherweise sonst auf dem Schulhof stattgefunden hätten, entladen sich dann im digitalen Bereich.“

„Das Computerspiel ist für Jungen regelrecht zugeschnitten“

Die digitale Welt ist durch die vielen Freizeiteinschränkungen noch zentraler geworden für Jugendliche. Viele Jungs tauchen in Online-Spielewelten ab. „Dafür sind Jungen anfälliger. Mädchen tummeln sich eher auf sozialen Netzwerken und suchen dort den Austausch“, sagt Federlin-Dahmen. „Das Computerspiel ist für Jungen regelrecht zugeschnitten“, erklärt auch Hans Hopf, „es fordert all ihre Fähigkeiten heraus: das Risiko, die Angstlust und das Abenteuer. Es appelliert an ihr Rivalisieren, an narzisstische Überheblichkeit und Triumph.“ Fataler Weise seien Computerspiele so konstruiert, dass sie abhängig machen könnten. „Im schlimmsten Falle werden Jungen computersüchtig – aus neurophysiologischen Gründen ist die Suchtgefahr bei Jungen weitaus größer als bei Mädchen.“

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Auch Federlin-Dahmen sieht die Suchtgefahr. Man könne die vermehrte Zeit am Bildschirm aber auch aus einem anderen Blickwinkel betrachten. „Wenn Kinder sich in Online-Spiele flüchten, sollte man schauen, welche Funktion das erfüllt.“ Schließlich gebe es gerade nicht viele Alternativen. „Das Jugendalter ist eine Zeit, in der man sich vom Elternhaus ablöst und in der Gleichaltrige wichtiger werden, und das ist gerade maximal erschwert. Dann ist der digitale Raum möglicherweise der einzige Ort, der den Jugendlichen gehört, in dem sie sich ausprobieren und rebellieren können.“ Entscheidend sei, zu beobachten, wie es der oder dem Jugendlichen emotional geht, ob der Konsum zurückgeht, wenn andere Sachen wieder möglich sind oder er oder sie in der digitalen Welt hängen bleibt.

Was sagen Schulleiter aus Köln: Haben Jungs mehr Probleme, unter Corona-Bedingungen zu lernen?

„Alle Schülerinnen und Schüler leiden auf spezifisch unterschiedliche Art unter den Folgen der Corona-Krise“, sagt etwa Lüder Ruschmeyer, Schulleiter des Gymnasiums Kreuzgasse. „Ob Jungs besondere Schwierigkeiten haben, das ist allerdings nicht zu belegen. Meiner subjektiven Einschätzung nach würde ich sagen, dass das in Ansätzen richtig ist.“ Jungs hätten grundsätzlich größere Anpassungsprobleme im Bildungssystem als Mädchen. Sie seien auch häufiger von Wiederholung und Nichtversetzung betroffen. Jetzt komme noch die Corona-Situation dazu. Die formale und erzieherische Struktur der Schule, an der sich vor allem Jungs reiben und stoßen könnten, würde jetzt in großen Teilen wegfallen.

Auch Martin Süsterhenn, der Schulleiter der Katharina-Henoth-Gesamtschule in Köln-Höhenhaus, kann keine eindeutige Aussage treffen. „Wir machen grundsätzlich die Erfahrung, dass Jungs sich mit schulischen Strukturen schwerer tun. Ich vermute, dass es jetzt im Online-Unterricht bei den Jungs auch heftiger ist.“ Das sei aber nur eine Einschätzung. Insbesondere bei den Schülern, die sie in der Homeschooling-Zeit ganz verloren haben, seien vom Eindruck her mehr Jungen betroffen gewesen, über alle Altersklassen hinweg.

Schulleiter Dirk Külker von der GGS Merianstraße in Chorweiler kann gar keine Tendenz feststellen. „Es gibt Schüler, bei denen wir viel Hilfe einsetzen müssen, um sie überhaupt zu erreichen. Ich kann aber nicht den Eindruck bestätigen, dass Jungs mehr Probleme haben oder sich eher ausklinken, nicht hier bei uns an der Grundschule.“