SchulexpertinManche Eltern misstrauen Lehrern, andere sind übertrieben respektvoll
Die einen Eltern fahren permanent Front gegen Lehrende, die anderen sitzen ihnen quasi auf dem Schoß und die dritten wollen am liebsten nichts mit der Schule zu tun haben. Fakt ist jedoch: Zu jedem Schulkind gehören Erziehungsberechtigte, die an seinem Schulleben teilhaben. Wie das mit Spaß, Gemeinschaft und fairem Aufwand gelingen kann, erklärt Familien- und Schulexpertin Béa Beste. Ein Gespräch.
Das Kind kommt mit mieser Laune aus der Schule und schon hängt der Familiensegen schief. Warum hat die Schule so viel Einfluss auf das Zuhause?
Béa Beste: Jedes Kind bewegt sich zwischen seiner vertrauten Familienwelt und der sonstigen Welt, in dem Fall der Schule als Sozialraum. Es entwickelt sich in beiden Welten aus. Und es trägt aus dem System Schule etwas ins System Familie hinein und umgekehrt. Bildlich gesprochen schwappt bei jedem Übergang sozusagen ein bisschen Schulsoße in die Familiensoße hinein. Wenn in der Schule irgendetwas vorgefallen ist und das Kind heimkommt, ist einfach Stress im Raum. Kinder versuchen, diesen Stress in der Familie abzubauen und die Situation für sich zu lindern. Im besten Sinne haben sie das Gefühl, dass sie das zuhause auch dürfen.
Warum erkennt man sein Kind manchmal kaum wieder, wenn es von der Schule erzählt?
Es muss uns bewusst sein, dass ein Kind in der Schule nicht genauso ist wie zuhause. Mein kleines, kuscheliges, harmoniebedürftiges Kind ist dort vielleicht ein Rabauke. Oder anders herum. Wir sollten ihm auch diesen Raum lassen. Eltern könnten weniger bewertend, sondern mit Ruhe und Neugier an solche Situationen herangehen.
Wie gut ein Kind in der Schule zurechtkommt, scheint häufig von den Lehrenden abzuhängen. Warum ist die Beziehung des Kindes zur Lehrkraft entscheidend?
Die Lehrkräfte haben einen großen Einfluss auf Kinder, sie begleiten sie durch die Schulzeit, haben eine erzieherische Funktion, aber auch eine Vorbildrolle. In der menschlichen Interaktion passiert wahnsinnig viel.
Und manchmal klappt das Verhältnis gar nicht. Was dann?
Menschen sind verschieden und es wird immer Charaktere geben, die einfach nicht zueinander passen. Im Grunde ist es ja eine Zwangsgemeinschaft. Wenn das Kind einen Konflikt mit dem Lehrer hat, würde ich Eltern immer raten, das Gespräch zu suchen. Eine Lehrkraft wird immer anders auf ein Kind schauen, wenn es bestimmte Umstände versteht. Auch ein Kind kann schnell verzeihen. Wenn alles versucht wird und nichts wirkt, ist manchmal aber auch ein Schul- oder Klassenwechsel wichtig.
Hängt es von den Eltern ab, welche Einstellung das Kind zur Schule und zu Lehrkräften hat?
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Das hängt in sehr starkem Maße von den Eltern ab. Nicht selten übertragen die Eltern ihre Erfahrungen aus der eigenen Schulzeit, die immerhin schon 20 bis 30 Jahre zurückliegt, auf die Schulzeit der Kinder. Mein Mann und ich haben zum Beispiel früher gute Schulerfahrungen gemacht und waren Einserschüler. Wir hatten bei unserer Tochter immer den Gedanken im Hinterkopf, dass Schule bei ihr mit Bestleistungen klappt. Das war aber bei ihr deutlich anders. Denn sie ist zwar sehr intelligent, aber auch ein gelassener Mensch, dem Noten einfach nicht so wichtig waren. Unsere Kinder sind eben oft ganz andere Charaktere.
Eltern sollten sich am besten einmal mit den Gespenstern ihrer Schulzeit auseinandersetzen. Welche Unsicherheiten und Erfahrungen haben sie mitgenommen und welche Glaubenssätze verinnerlicht? Das erfordert auf jeden Fall Arbeit an sich selbst. Es geht darum, die frühere Sicht auf Schule zu hinterfragen und stattdessen auf das Kind und seine Bedürfnisse heute und die aktuelle Situation zu schauen.
Finden deshalb manche Eltern keinen entspannten Umgang mit den Lehrern – weil sie früher schlechte Erfahrungen gemacht haben?
Das kann sein. Manchmal sind Eltern besonders misstrauisch, manchmal zeigen sie aber auch einen übertriebenen Respekt den Lehrenden gegenüber. Manche Eltern haben große Angst, etwas bei ihnen anzusprechen, weil sie früher so schlechte Erfahrungen gemacht haben und nun negative Folgen für das eigene Kind befürchten. Und doch würde ich nicht sagen, dass es keine normalen Eltern-Lehrer-Beziehungen gibt. Die Elternschaft ist selten homogen und es gibt eine ganz breite Palette an Verhaltensweisen. Und die Lehrkräfte sind in der Unterzahl, aber für alle zuständig.
Welche Rolle spielen Emotionen in der Beziehung zwischen Eltern und Lehrkräften?
Emotionen spielen immer eine Rolle. Ausschlaggebend ist der emotionale Ton, der das Miteinander bestimmt. Unreflektierte Emotionen von Seiten der Erwachsenen werden oft zum Problem, zum Beispiel wenn jemand Wut, Trauer oder Frust an den anderen auslässt.
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Aber ist es nicht auch verständlich, dass Kinder und Eltern mal über Lehrer meckern?
Natürlich. Meckern macht frei und fröhlich! Manchmal müssen solche Emotionen einfach raus. Meiner Meinung nach geht es aber zu oft darum, wer Schuld hat und wer wem Unrecht getan hat. Ich würde mir wünschen, dass Menschen sich fragen, was ihre eigene Baustelle ist, was man also selbst bewirken kann und was man von anderen verlangen kann. Und dann, wie es sich lohnt, in den Dialog zu gehen. Ich hoffe, dass aus dem Meckern dann etwas Konstruktives wird, ein Problem erkannt und gemeinsam aufgelöst wird. Eine wertschätzende Kommunikationskultur sowie eine Portion Gelassenheit und Humor helfen dabei immer.
Was bringt es den Kindern, wenn Eltern und Lehrer gut zusammenarbeiten?
Die Kinder werden besser lernen, lieber zur Schule gehen. Sie müssen keine Lern- und Lebensenergie darauf vergeuden, sich zu überlegen, was die Eltern wollen und die Lehrer wollen und warum die gerade zerstritten sind. Kinder können dann entspannt und neugierig an die Schule herangehen.
Wie finden Eltern und Lehrkräfte von Anfang an eine gute Ebene?
Eltern begeben sich ja gemeinsam mit ihren Kindern in den Raum Schule. Sie sind das Team Co-Learning, also auf einem gemeinsamen Lernpfad, zusammen mit den Lehrkräften, den anderen Eltern und Kindern. Es geht um das Miteinander von Menschen. Schule ist so viel mehr als nur das Wissen, das dort vermittelt wird. Und jeder kommt doch eigentlich mit guter Absicht in die Schule. Alle wollen, dass es den Kindern gut geht.
Eltern und Lehrkräfte sollten sich deshalb gegenseitig als Menschen mit guten Absichten sehen und grundsätzlich gütig miteinander sein. Ich würde mir wünschen, dass jede Lehrkraft nicht mit einer Mauer vor sich steht, sondern sich auch verletzlich macht und menschlich zeigt. Die Lehrkräfte sind schon die, die den emotionalen Ton setzen. Dann fällt es auch Eltern leichter, sich menschlich zeigen.
Und wie kann das klappen?
Helfen kann zum Beispiel eine kleine Vorstellungsrunde beim Elternabend, die ein wenig anders ist, in Form eines kleinen Spiels oder dass Eltern ein Rätsel zusammen lösen. Im Buch haben wir viele Ideen zusammengestellt, die Menschen auf leichte Art und Weise zusammenbringen. Oft bilden sich gerade Eltern vorschnell eine Meinung übereinander und bewerten sich, ohne sich zu kennen. Der Raum Schule kann uns trainieren, uns zu überwinden, Interesse aneinander zu haben und etwas über den anderen zu erfahren.
Es wird aber nie perfekt sein, weil wir alle verschiedene Menschen sind, die sich auch in der Klassengemeinschaft unterschiedlich einbringen. Mir ist es wichtig, auch jene Eltern im Blick zu haben, die sich nur punktuell engagieren können. Hier geht es darum, realistische Zeitfenster zu finden, an denen man Interesse und Einsatz zeigen kann. Ich konnte zum Beispiel, weil ich beruflich eingespannt war, nie zum Wandertag meiner Tochter mitgehen, habe dafür aber das Sponsoring fürs Schulfest organisiert. Das ist doch ein fairer Deal.