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Kölner Hautarzt„Warum in aller Welt sollte eine Neunjährige Anti-Aging-Cremes benutzen?“

Lesezeit 5 Minuten
Kleines Mädchen steht vor einem Regal bei Sephora

Kosmetik-Ketten wie Sephora, aber auch Drogeriemärkte wie dm oder Rossmann haben die jüngste Zielgruppe fest im Blick.

Heute begeistern sich schon Kinder für Make-up und Hautpflege. Wann geht die Spielerei zu weit? Und welche Rolle spielen Influencerinnen?

Wer regelmäßig in den Drogeriemarkt geht, der wird sich vielleicht schon einmal über die Grüppchen junger Mädchen gewundert haben, die dort regelmäßig unterwegs sind. Tuschelnd findet man sie in der Schminkabteilung, fachsimpelnd vor Regalmetern mit Pflegecremes und anderen Kosmetik-Utensilien. Dass sich Jugendliche für solche Dinge interessieren, ist natürlich ein alter Hut. Neu ist das ausgeprägte Interesse von Grundschulkindern und Prä-Teens daran.

Da stehen inzwischen Neunjährige vor Gel-Pads gegen Augenringe und Tuchmasken zur Behandlung von fahlem Teint. Und während man sich selbst noch die müden Augen reibt, merkt man plötzlich: Die Läden haben die Zielgruppe der ganz jungen Mädchen längst für sich entdeckt. Oder haben Sie vor, sich eine Tuchmaske mit süßem Faultier-Motiv über die pinken Glitzer-Eye-Patches zu legen?

„Skinfluencer“ auf Social Media geben den Teint vor

Woher ihre Faszination für diese Themen kommt, ist leicht zu ergründen. Viele folgen sogenannten Beauty-Influencerinnen auf Social Media. Das sind junge Menschen, die auf TikTok, Instagram und Youtube Hautpflege- und Schminkroutinen zeigen und Kosmetikprodukte testen und vorstellen. Lässig und nahbar, mit viel „oh my god!“-Ausrufen und Selfcare-Mantras reden diese „Skinfluencerinnen“ (dt. skin = Haut) von den perfekten „smoky eyes“, dem echten Weg zum „Porzellanteint“ und bauen zwischendurch kleine „challenges“ (dt. Herausforderungen) ein. Viele der Beiträge sind emotional, bunt und voller Smileys und sprechen von der Machart junge Mädchen an, die das natürlich selbst ausprobieren wollen und sich plötzlich Kosmetik zum Geburtstag wünschen.

Anti-Faltencreme und Fruchtsäure für die junge Haut

Mit solchen Videos holen deutsche Influencerinnen wie etwa Paula Wolf, Beauty Benzz oder N.orthcarolina Hunderttausende Klicks, auf ihren Profilen folgen ihnen teils Millionen. In den USA sind sogar ganz junge Mädchen als Skinfluencerinnen unterwegs, um auch teure Hautpflegeprodukte und Luxus-Kosmetik auszuprobieren und anzupreisen. Für sie hat sich der Begriff „Sephora Kids“ etabliert, angelehnt an die bekannte Kosmetikmarke, für deren Produkte manche mehr als profitable Werbeträger sind.

Die beworbenen Präparate haben allerdings nicht mehr viel mit kleinen Schminkspielereien zu tun, da geht es kaum um Glitzerlidschatten oder Nagellack. Sie empfehlen in den Videos inzwischen auch Anti-Aging-Cremes und Fruchtsäure-Peelings zur „Pflege“ der jungen Haut. Die Verwendung solcher Mittel sehen viele kritisch. Eine schwedische Apothekenkette hat den Verkauf solcher Produkte an unter 15-Jährige kürzlich sogar verboten. Doch ist die frühe Nutzung solcher Mittel wirklich gesundheitlich bedenklich?

Manche Produkte schaden der kindlichen Haut

„Anti-Aging-Präparate haben als Zielgruppe Menschen über 40“, sagt der Kölner Hautarzt Dr. Herbert Kirchesch, „sie schleifen die Hautoberfläche ab, um beginnende Falten zu glätten. Da stellt sich mir zunächst die Frage: Warum um alles in der Welt sollte ein Kind das machen?“ Auch Fruchtsäure-Peelings, sogenannte Schälkuren, seien für reifere Haut entwickelt, sie reizten die oberste Hautschicht und hobelten sie leicht ab. „Nutzen Kinder solche Produkte über längere Zeit, schadet das der Haut. Davon rate ich dringend ab.“ Als Folgen einer Fruchtsäurebehandlung könnten zum Beispiel Reizungen oder eine Herpes-Infektion auftreten. „Ich hatte schon Fälle, dass junge Menschen deshalb mit Hautauffälligkeiten in die Praxis kamen.“

Aus diesem Grund nun bestimmte Produkte zu verbieten, halte er jedoch nicht für effektiv. „Dann besorgt eben die ältere Freundin die Cremes, das kennt man ja von Themen wie Alkohol. Wichtiger finde ich, hier mehr Aufklärung zu betreiben.“ So brauche die Haut bis zum Alter von etwa zwölf Jahren eigentlich gar keine besondere Pflege. „Kinderhaut sollte man in Ruhe lassen, sie ist biologisch gesehen noch in der Entwicklung. Falls keine Hauterkrankung vorliegt, ist die kindliche Haut völlig unproblematisch“, sagt Kirchesch. Ein Kind schwitze und rieche auch nicht wie ein Erwachsener. „Die Haut sollte vor der Sonne geschützt werden und wenn sie ein bisschen trocken ist, kann man leicht nachfetten, alles andere ist nicht sinnvoll. Die Industrie erfindet leider trotzdem Produkte für diese Zielgruppe, die aber völlig unnötig sind.“

Hautarzt Dr. Herbert Kirchesch aus Köln

Dr. Herbert Kirchesch betrieb 30 Jahre eine Hautarztpraxis in Pulheim, ist heute als Vertretung in verschiedenen Praxen im Einsatz und engagiert sich im Berufsverband der deutschen Dermatologen (BVDD). Er lebt in Köln.

Schon Kinder wollen einem bestimmten Körperbild entsprechen

Besonders beliebt bei jüngeren Social-Media-Nutzern sind auch Schmink-Anleitungen. In Videos wird Schritt für Schritt gezeigt, wie man Grundierung, Konturen und Make-up übereinander schichtet. Das wird dann bisweilen zu Hause fleißig nachgeschminkt. „Für die junge Haut ist das nicht sinnvoll, denn wird sie zu stark abgedeckt, nimmt man ihr die Luft zum Atmen“, sagt Herbert Kirchesch. Es könne zu Akne-artigen Reaktionen kommen. „Ich sehe das aber vor allem als psychisches Problem: Denn wenn sich Kinder bereits so stark schminken, fangen sie in einem ganz frühen Alter an, ihre Wesensarten zu kaschieren oder zu verstecken – weil sie sich, so wie sie aussehen, nicht okay finden.“

Er beobachte auch mit Sorge, dass mehr junge Leute ihr Aussehen durch stärkere Eingriffe veränderten. „Ich sehe Mädchen mit 15, 16 Jahren, die aufgespritzte Lippen, Wimpernverlängerungen und Haar-Extensions haben.“ Der Perfektionsdruck, den eigenen Körper zu verändern, zementiere sich früh. „Kinder versuchen dann bereits vor und erst recht während der Pubertät, bestimmten Körper- und Rollenbildern zu entsprechen.“ Dabei sei es gerade Teil des Erwachsenwerdens, sich so akzeptieren zu lernen, wie man sei. „Nicht nur zu Hause, auch in der Schule müsste mehr darüber gesprochen werden, was Schönheit eigentlich heißt“, sagt Kirchesch. „Denn man wird ja älter, die Falten kommen – und niemand möchte ewig unzufrieden sein.“

Eltern sollten ein Vorbild sein, denn Kinder schauen sich vieles ab

Dass Kinder sich aus Spaß mal gegenseitig schminkten, Tuchmasken benutzten und spielerisch mit dem Aussehen experimentierten, sei dagegen völlig in Ordnung. „Sie wollen selbst erleben, was sie bei den Erwachsenen beobachten, ein bisschen Farbe auflegen und miteinander Spaß haben“, sagt Herbert Kirchesch, „aber das sollte alles mit Augenmaß passieren, denn es sind eben noch Kinder.“ Hier sehe er vor allem die Eltern in der Verantwortung. „Sie sollten herausfinden, warum das Kind sich für Kosmetik interessiert und sich darüber mit ihnen austauschen.“ Gleichzeitig seien sie zudem Vorbilder, was den Umgang mit der eigenen Haut betreffe. „Und die Erwachsenen haben auch Einfluss darauf, wie viel Geld das Kind für Produkte zur Verfügung hat und was es damit erwirbt.“