Selber haushalten, selber pleite gehenWie Kinder den Umgang mit Taschengeld lernen
- Taschengeld ist wichtig, damit Kinder den richtigen Umgang mit Geld lernen. Es sollte regelmäßig und bedingungslos ausgezahlt werden.
- Der Umgang mit Geld ist eine zentrale Daseinskompetenz, wer sie früh und spielerisch erlernt, läuft später weniger Gefahr, in die Schuldenfalle zu tappen.
- So lernt der Nachwuchs rechnen, planen, sparen – und darf sich mit kleinen Summen durchaus auch mal Fehlkäufe erlauben.
Köln – Von Not kann keine Rede sein, aber erfinderisch sind meine Söhne und ihr bester Kumpel trotzdem. Sie haben ein Startup initiiert. Sie produzieren und verkaufen Loom-Armbänder. Das sind diese aus kleinen Gummiringen gezwirbelten Bändchen. Der Verkaufsstand im Schwimmbad war ein Flop. Aber bei der Verwandtschaft haben sie schon 21 Euro eingenommen. Seitdem versuchen sie auszurechnen, wie viele Kugeln Eis jeder von ihnen dafür kaufen kann. 21 geteilt durch drei – eine schwierige Aufgabe für die fünf und sieben Jahre alten Jungunternehmer.
Ist es an der Zeit, ihnen ein regelmäßiges Taschengeld auszuzahlen? Der Kleine hat einen Großteil seines Urlaubsgeldes in einen Fünferpack Spielzeugautos investiert. Der Große war sparsamer, einmal wollte er eine Runde Lollis für seine Geschwister schmeißen. Da es gerade Eis und Fanta gegeben hatte, haben wir das verhindert. Aber Halt! Da geht es schon los. Genau dafür sollte Taschengeld ja da sein. Eigenes Geld, eigene Entscheidungen. Nicht die Eltern fragen müssen. Selber haushalten. Und selber pleite gehen, wenn schlecht gewirtschaftet wurde.
Taschengeld ist wichtig für die Entwicklung von Kindern
Die Sozialwissenschaftlerin Alexandra Langmeyer vom Deutschen Jugendinstitut hat sich ausgiebig mit dem Thema Taschengeld beschäftigt und mit ihrer Kollegin Ursula Winklhofer vor einigen Jahren eine Expertise dazu verfasst. Darin wird deutlich, wie wichtig Taschengeld für die Entwicklung von Kindern ist. Die Verwaltung eines eigenen Budgets ermögliche ihnen, den Umgang mit Geld zu üben und so eine „zentrale Daseinskompetenz“ zu erlangen. Konsum verstehen, Sparsamkeit lernen, den Wert von Arbeit begreifen – all das sind entscheidende Fähigkeiten, um später als junge Erwachsene nicht in die Schuldenfalle zu tappen.
Spielend lernen
„Mein erstes Taschengeld“, Kosmos, rund 7 Euro, für zwei bis vier Spieler ab sechs Jahren.
Ziel des Spiels: Taschengeld und andere Einnahmen geschickt sparen und investieren. Macht Spaß, zeigt die Grundzüge des Sparens auf und lehrt erstes Rechnen mit kleinen Geldsummen.
Es gibt das Taschengeld als pädagogisches Erziehungsmittel in Deutschland seit etwa Mitte der 1960er Jahre, seit die Erziehung zu Selbstständigkeit an Bedeutung gewann. Heute ist es hierzulande in den meisten Familien selbstverständlich, dass Kinder Taschengeld erhalten. Der Nutzen ist offensichtlich und geht über die reine Budget-Berechnung hinaus. Fachleute sprechen von „ökonomischer Sozialisation“, die mit dem Taschengeld beginne und neben den ökonomischen auch ökologische und soziale Aspekte beinhalte.
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Bei uns zu Hause heißt das: Licht aus. Wasser beim Zähneputzen nicht laufen lassen. Ab aufs Fahrrad, das Auto bleibt heute stehen. Das mit dem CO2 haben die Jungs halbwegs verstanden. In Sachen Finanzen dagegen sind sie noch ähnlich ratlos wie der Vierjährige einer Kollegin, der sich „auch so eine Karte, mit der man Geld bekommt“ wünscht. Wenn ich sage, etwas sei zu teuer, dafür hätten wir kein Geld, antworten sie: „Dann geh doch zum Automaten und hol Geld.“
Wenn es doch so einfach wäre. Ist es aber nicht. Meine Söhne ahnen das langsam, das hat ihr Loom-Armbäder-Projekt zumindest bewirkt. Und sie haben erreicht, dass wir nach den Ferien das Thema Taschengeld angehen. Wie viel in welchen Alter sinnvoll ist, zeigt ein „Orientierungsrahmen“ des Deutschen Jugendinstituts (siehe Grafik). Worauf es dabei ankommt, erklärt Alexandra Langmeyer.
Kein Einmischen der Eltern
Kinder müssen selbst entscheiden dürfen, wofür sie ihr Taschengeld ausgeben. Sie müssen auch mal Fehlkäufe tätigen, all ihr Geld auf einmal verprassen, in schnell weggefutterte Süßigkeiten investieren. Die praktische Erfahrung lehrt sie das Haushalten nachdrücklicher als jede Ermahnung Erwachsener. „Eltern können ihren Kindern sanft einen Rat geben, aber sie sollten keine Einkäufe mit dem Taschengeld verbieten“, sagt Langmeyer. Ist alles Geld für Süßkram draufgegangen, muss der Kinobesuch eben warten, bis es die nächste Auszahlung gibt. Jede Woche eine Zeitschrift? Oder doch lieber eine Weile sparen und dann in den ferngesteuerten Hubschrauber investieren? Es ist gut, wenn Kinder lernen, diese Fragen ganz allein für sich zu beantworten.
Taschengeld ist kein Druckmittel
Die Zahlung von Taschengeld sollte nicht an Bedingungen geknüpft sein. Es sollte Kindern verlässlich zur Verfügung stehen und nicht zur Strafe für schlechte Noten oder Aufsässigkeiten einbehalten oder gekürzt werden. Es ist kein Almosen, sondern ein Anspruch auf einen Teil des Familienbudgets. Wem das zu weit geht: Es ist ein wichtiges Teilchen in dem riesigen, unübersichtlichen Erziehungs-Puzzle, das Eltern zur Geburt ihrer Kinder ungefragt mitgeliefert wird. „Im familiären Zusammenleben alltägliche Arbeiten wie Müll raus bringen oder Spülmaschine einräumen sollten nicht mit Geld belohnt werden“, betont Langmeyer. Extraaufgaben wie Laub aufkehren oder Auto putzen dagegen könnten durchaus auch mal ein kleines Extrasümmchen einbringen. So lernen die Kinder den Wert von Arbeit kennen.
Geldgeschenke Dritteln
Kinder und Jugendliche haben heute oft mehr als das reine Taschengeld zur Verfügung. Sie bekommen Geldgeschenke zum Geburtstag und zu Weihnachten oder Extra-Zuwendungen beim Besuch von Oma und Opa. Sollten sie dieses Geld wie das Taschengeld zur freien Verfügung haben? Langmeyer rät zur Drittellösung: „Ein Drittel auf ein langfristiges Sparkonto, ein Drittel auf ein normales Girokonto für größere Wünsche und ein Drittel zum Taschengeld ins Portemonnaie.“ Bekommt der Sechsjährige, der sonst einen Euro Taschengeld pro Woche erhält, zum Geburtstag 100 Euro von der Oma, sollte allerdings auf die Relation geachtet werden. „Dann sind 30 Euro in den Geldbeutel vielleicht etwas viel.“
Budgetgeld für Jugendliche
Ihr Taschengeld investieren Kinder und Jugendliche gern in Süßigkeiten, Getränke, und Fastfood, in Zeitschriften, Comics und Sticker sowie in Spielsachen. Je älter sie werden, desto häufiger erhalten sie zusätzlich zum Taschengeld ein so genanntes „Budget-Geld“ (siehe Grafik). Wenn genau festgelegt wird, wofür das gedacht ist (etwa Kosmetik, Schulsachen, Kleidung), erspart das einige Diskussionen im Familien-Alltag. („Mein Shampoo ist alle. Diese Hose trage ich nicht. Meine Stifte sind alle verschwunden.“) Und es bereitet den Nachwuchs darauf vor, eines Tages komplett eigenverantwortlich mit einem bestimmten Budget auszukommen.
Verzicht lernen
Um den Wert des Geldes schätzen und einschätzen zu lernen, sollten Kinder auch mal verzichten müssen. Eltern, denen es finanziell gut geht, fällt das oft schwer. Sie haben selber Spaß daran, die Spielzeugsammlung aufzustocken oder möchten ihrem Nachwuchs gönnen, was sie selbst nicht hatten. Irgendwann platzt das Kinderzimmer aus allen Nähten und die Sprösslinge werden zu Dauerquenglern, die immer alles sofort haben wollen. „Aber gerade für Kinder, die immer alles bekommen, ist es sehr wichtig, Verzicht zu lernen“, betont Langmeyer. Ein gutes Mittel gegen überquellende Spielzeugregale ist auch: Aussortieren und auf dem Flohmarkt verkaufen. Einen Teil des Geldes dürfen die Kinder dann in Neues, oder neues Gebrauchtes investieren. Das macht Spaß. Und fördert zudem den Nachhaltigkeits-Gedanken.
Umfrage
Grundschüler bekommen oft kein Taschengeld
Nur etwas mehr als die Hälfte der Grundschüler bekommt derzeit regelmäßig Taschengeld. 45 Prozent der Eltern zahlen ihren Kindern nichts, wie eine repräsentative Umfrage von Forsa im Auftrag von Cosmos Direkt zeigt. Bei der letzten Erhebung 2018 zahlten nur 39 Prozent der Eltern ihren Kindern kein Taschengeld.
Im Durchschnitt bekommen Kinder zwischen 6 und 9 Jahren der Umfrage zufolge derzeit 3,30 Euro pro Woche. 2018 waren es mit durchschnittlich 3,50 Euro nur wenig mehr.
Die meisten Eltern (67 Prozent), die ihren Kindern Taschengeld zahlen, machen die Höhe vom Alter abhängig. 17 Prozent knüpfen die Höhe an die Klassenstufe. Für 12 Prozent der Eltern ist hingegen das Verhalten ihres Kindes ausschlaggebend und für 6 Prozent die Schulnoten.
Gezahlt wird das Taschengeld bei den meisten wöchentlich (74 Prozent), seltener monatlich (24 Prozent). Nur 1 Prozent der 6- bis 9-Jährigen bekommt täglich Taschengeld.
Für die repräsentative Umfrage wurden zwischen dem 1. und 20 Juli 2020 insgesamt 501 zufällig ausgewählte Eltern von 6- bis 9-jährigen Kindern telefonisch befragt. (dpa)