AboAbonnieren

Autor Tillmann Prüfer„Männer nehmen sich vor ein engagierter Vater zu sein, aber setzen es nicht um“

Lesezeit 7 Minuten
Ein Porträt des Journalisten Tillmann Prüfer

Journalist Tillmann Prüfer ist Vater von vier Töchtern.

Viele Männer nehmen sich vor, als Vater engagiert und präsent zu sein, doch sie tun es nicht. Warum das so ist, beschreibt Tillmann Prüfer, Journalist und Vater von vier Töchtern.

Neue Väter sind schon wieder ein alter Hut, so oft wird über sie gesprochen. Der Papa von heute möchte viel für seine Kinder da sein. Doch schaut man einmal in die Familien hinein, sind die im Alltag engagierten und präsenten Väter kaum zu finden – zumindest nicht vor dem Vollzeitfeierabend. Doch was hindert sie denn daran, die neue Vaterrolle zu leben? Sie könnten, wenn sie denn wollten, sagt der Journalist und vierfache Vater Tillmann Prüfer. Ein Gespräch.

Wann im Alltag mit Ihren Töchtern haben Sie zuletzt gedacht: „Es ist einfach toll, Vater zu sein!“?

Tillmann Prüfer: Wenn unsere neunjährige Tochter Juli morgens ins Elternbett hüpft und wir zusammen dort frühstücken, ist das jeden Tag ein toller Moment. Ich mag auch die ewigen Diskussionen mit ihr, die ich oft gar nicht gewinnen kann. Es ist ein großer Luxus, dass Kinder einen infrage stellen und man sich mit immer neuen Sichtweisen auf die Welt auseinandersetzen muss. Mit Kindern ist es einfach nie langweilig. Ich muss nicht rausgehen, um unterhalten zu sein und mich lebendig zu fühlen, sondern es passiert jeden Tag. Es kommt vor, dass ich nach Hause komme und ein Bettenlager in der Wohnung vorfinde, weil meine Töchter Freunde zum Übernachten eingeladen haben. Für mich ist es großes Abenteuer, Kinder zu haben. Und man verpasst so viel, wenn man nicht wirklich für sie da ist. Ich möchte alle Väter motivieren, ihr Vatersein als etwas Bewusstes, Erfüllendes und Magisches zu empfinden.

Frauen definieren sich häufig über ihre Mutterschaft. Warum gibt es so wenige Väter, die das Vatersein stolz wie eine Fackel vor sich hertragen?

Es gibt natürlich Väter, die es wie eine Fackel voran tragen – leider oft genau acht Wochen lang, solange sie in Elternzeit sind. Hier in Berlin sehe ich zwar etliche Väter, die stolz ihren Kinderwagen schieben. Sie sind aber immer noch eine Minderheit. Nur sieben Prozent der Väter kleiner Kinder sind in Teilzeit, um mehr Zeit mit ihrer Familie zu haben.

Ein Mann steht in gestreiftem T-Shirt mit dem Rücken zur Kamera. Im Arm hält er ein Baby.

Noch immer nehmen wenige Männer in Deutschland Elternzeit. (Symbolbild)

Im Grunde ist heute der Weg für die neuen Väter aber doch bereitet. Der Feminismus ruft sie geradezu. Warum sind sie dennoch eine Seltenheit?

Ich glaube, es ist eine Frage der Sozialisation. Viele Männer definieren sich über ihre Arbeit, über Geld und Prestige. Und genau so werden sie auch von der Gesellschaft bemessen. Sie sollen Leistung bringen und Erfolge vorzuweisen haben. Die Kinderfrage wird einem als Mann gar nicht gestellt. Es wird schlicht davon ausgegangen, dass ein Vater noch mehr arbeitet, weil er für das Familieneinkommen zu sorgen hat.

Dieses alte klassische Rollenbild verschwindet aber doch immer mehr…

Das wäre schön, aber wo genau verschwindet es denn? Wir reden zwar sehr viel über moderne Väter und neue Arbeits- und Rollenverteilung, aber in der gesellschaftlichen Realität tut sich sehr wenig. Der neue Vater wird quasi herbeigeredet. Männer nehmen sich zwar vor, ein engagierter Vater zu sein, doch setzen es später gar nicht um. Auch unsere Väter wollten es schon anders machen als ihre Väter und mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen. Wenn man aber einen 40-Stunden-Job hat, dann bleibt nur noch, abends dem Kind etwas vorzulesen, den Müll rauszubringen und am Wochenende etwas zu erleben. Die Kinder nehmen dann nicht die Rolle eines sehr zentralen Lebensinhalts ein.

Wollen die Väter den Kindern überhaupt so viel Platz einräumen?

Wenn Männern gesagt wird, dass sie sich mehr zu Hause bei den Kindern engagieren sollen, nehmen sie das oft immer noch so wahr, als würde ihnen etwas weggenommen oder aufgedrängt. Sie verstehen nicht, was für sie drin ist. Sie erkennen überhaupt nicht, dass sie gar nicht die Gewinner dieser traditionellen Gesellschaftsaufteilung sind, sondern ihnen eine Menge entgeht. Später haben sie meistens einen viel schlechteren Kontakt zu ihren Kindern als die Mütter. Und dann ist es meist schon zu spät. Würden Männer verstehen, dass sie selbst auch Opfer dieser Arbeitsteilung sind, würden sie auch mehr darum kämpfen. Denn wenn Männer etwas wollen, dann können sie alles Mögliche in Bewegung setzen. Deshalb habe ich auch wenig Mitleid mit ihnen. Es ist nicht so, dass sie sich nicht trauen – sie wollen es einfach nicht.

Haben sie vielleicht auch Angst vor der neuen Rolle?

Man kann schon sagen, sie wagen es nicht, ihre alten Koordinaten zu verlassen: dass nämlich ein Mann so wertvoll ist wie das Geld, das er nach Hause bringt. Um für die Kinder ihre Arbeitszeit zu reduzieren oder flexibler zu gestalten, müssten sie aus ihrer Komfortzone heraus. Das ist eine riesige Verunsicherung und kann unangenehm werden. Frauen sind da viel mutiger als Männer, denn sie kämpfen schließlich seit 40 Jahren für mehr Emanzipation. Väter vermeiden zudem oft Care-Arbeit, weil es eben wahnsinnig anstrengend ist.

Und doch gibt es auch immer mehr Väter, die zuhause ihren Part übernehmen…

Das stimmt. Aber selbst dann bekommen sie noch immer oft von der Frau zugeteilt, was zu tun ist. Sie sind wie passive Zuarbeiter oder Praktikanten in ihrem eigenen Zuhause. Das Management der Familie ist häufig die Aufgabe der Frau. Männer sind es gewohnt, von anderen gesagt zu bekommen, was sie zu tun haben – vom Chef oder von der Partnerin. Sie wollen wissen, was zu erledigen ist und sehen sich nicht als jemand, dessen kreative Mitarbeit gefragt ist. Auch bei der Familienarbeit denken sie oft im Sinne von Jobs. Selbst Väterratgeber klingen wie eine Bedienungsanleitung für Kinder. Sich aber auf das Abenteuer Vatersein einzulassen, die Welt des Kindes verstehen zu lernen, eigene Gefühle zuzulassen und sich selbst zu verändern, das fällt Papas oft schwer.

Wussten Sie, als Ihr erstes Kind geboren wurde, welche Art Vater Sie sein wollen?

Ich wusste überhaupt nichts. Ich war 25 Jahre alt und hatte mir alles Mögliche beigebracht, aber was es bedeutet, für einen kleinen Menschen verantwortlich zu sein, davon hatte ich keine Ahnung. Es schien mir jedoch ein vorausgesetztes Wissen zu sein. Denn das Thema Kinder wird zwischen Vätern null besprochen. Männer haben ja oft gar keinen Zugang und keine Sprache für ihre Gefühle. Dann erzählt auch kein Vater dem anderen von einem Problem, das er gerade mit seinem Kind hat oder fragt gar nach Rat. Das passt einfach nicht zum Selbstverständnis, das Männer an den Tag legen.

Fehlt es Vätern auch an Vorbildern?

Als Mann gibt es unzählige Vorbilder dafür, wie man sportliche Leistungen schafft, Karriere macht oder Macht ausübt. Es fehlen aber die gesellschaftlichen Vorbilder, wie man ein guter Vater sein kann. Fast niemand tut sich damit hervor. Das einzige Vorbild, das Väter haben, ist oft ihr einziger Vater. Viele gehen völlig unvorbereitet in die Vaterschaft. Sie wollen für ihre Kinder da sein, aber wissen nicht, wann sie das machen wollen und wie genau das aussehen soll. Mit ein bisschen „quality time“ zwischen Vater und Kind ist es aber nicht getan. Und anwesend sein heißt auch nicht, mit dem Laptop danebenzusitzen oder zu imkern, wie das Christian Linder sich so vorstellt. Ein Kind profitiert sehr davon, wenn ein Vater wirklich seine Zeit mit ihm teilt, aufmerksam und ansprechbar ist. Auch Kinder verstehen schon, welche Priorität sie in seiner Planung einnehmen.

Es geht also vor allem um gute Planung?

Es muss partnerschaftlich organisiert werden. Um Väter zu motivieren, braucht es mehr Gespräche innerhalb der Beziehungen. Es wird in Familien überraschend wenig darüber gesprochen, wie die Zeiteinteilung genau laufen soll. Es geht um Koordination und gegenseitiges Verständnis. Ich würde bereits jedem werdenden Vater empfehlen, sich einen Plan zu machen, in welchem Umfang er sich als Vater engagieren möchte. Dann zeigen sich auch schnell mögliche Bruchstellen. Vor allem aber sollten sich Väter selbst einbringen und fragen, welche Art Vater sie sein wollen: Was sind meine Prioritäten? Welche Welt will ich meinem Kind zeigen? Wann soll es sich von mir unterstützt fühlen? Dann wird es mehr engagierte Väter geben und sie werden auch um diese Rolle kämpfen.

Buchtipp: Tillmann Prüfer, „Vatersein – Warum wir mehr denn je neue Väter brauchen“, Rowohlt Verlag, 208 Seiten, 20 Euro