AboAbonnieren

Tupperware, ThermomixWarum der Hype um Produkt-Partys nervt

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt

Wir feiern Plastikschüsseln oder Putzutensilien: Es gibt einen neuen Hype um Produktpartys.

Früher feierten wir um des Feierns willen. Wir feierten unsere Freunde, den Rausch oder einfach den Freitagabend. Heute feiern wir Plastik-Dosen, Küchengeräte und Putz-Utensilien. Richtig, die Rede ist von den sogenannten Tupperware-, Thermomix- oder Jemako-Partys, zu denen jetzt auch zunehmend Menschen eingeladen werden, die höchstens eine Plastikschüssel und zwei Brotdosen aus Studentenzeiten besitzen.

Frauen um die 30 müssen anscheinend häuslich werden

Frauen um die 30 müssen anscheinend häuslich werden. Und zwar auch solche, die niemals auf die Idee kommen würden, ein Küchengerät im Gegenwert einer halben Weltreise zu erstehen, oder sich einen schicken Wischmop zuzulegen, weil das alte Ding es schließlich immer noch tut.

Wir belächelten den Staubsauger-Vertreter – jetzt sind wir Tupperparty-Veranstalterin

Jedenfalls flattern in unsere Briefkästen auf einmal Tupperware-Kataloge und in unseren E-Mail-Postfächern landen Einladungen zu Jemako-Putz-Parties. Putzen und Parties – was uns früher widersprüchlich erschien, gehört von jetzt an zusammen. Während wir den Staubsaugervertreter einmal belächelten – übertrumpfen wir ihn heute als Tupperparty-Veranstalterin.

Tupper Party

Tupperware-Präsentation während einer Verkaufsveranstaltung.

„Bei uns ist die Gastgeberin Königin“, wirbt etwa Tupperware. Wer sich als Gastgeberin verdingt – von männlichen Gastgebern ist nicht die Rede – und Bekannte und weniger Bekannte zur als Party getarnten Werbeveranstaltung einlädt, bekommt ein „hochwertiges und topaktuelles Tupperware-Produkt". So verspricht es der deutsche Internet-Auftritt des Unternehmens. Und bei Jemako darf man aus einem von zehn Geschenken (unter anderem Filztaschen und natürlich Putz-Utensilien) wählen, wie es auf der Vertriebs-Homepage Piccobellosauber.de heißt.

Hype um Produktpartys

Natürlich sind Verkaufspartys nicht erst gestern erfunden worden, aber es scheint einen neuen Hype um die Werbeveranstaltungen zu geben. Das legen zumindest auch die aktuellen Zahlen von Tupperware Deutschland nahe. Im April dieses Jahres verkündete das Unternehmen das „Tuppern“ in Deutschland habe ein „Rekordniveau“ erreicht. 11.000 neue „Partymanager“ habe Tupperware allein im letzten Quartal des Jahres 2015 hinzugewinnen können. Das habe auch mit der wachsenden Anzahl an Partygästen zu tun. Alle 1,2 Sekunden beginnt angeblich irgendwo auf der Welt eine Tupperparty. Auch beim Thermomix-Vertreiber Vorwerk sind Produkt-Partys nach eigenen Angaben rege nachgefragt – genauso ist es bei Jemako.

Hausfrau 50er Jahre bügelt

Hausarbeit als Ermächtigungsstrategie für Frauen - wirklich?

Das US-Unternehmen Tupperware gratuliert sich auf seiner Homepage gar zu einem „mehr als 50 Jahre währenden unerschütterlichen Engagement in der Aufklärung, Erziehung und Ermächtigung von Frauen und ihrer Familien rund um den Globus.“ Wirklich? Macht Tupperware sich nicht eher ein rückständiges Klischee zunutze? Frauen ab in die Küche und wenn ihr Plastikschüsseln verkaufen wollt, dann wenigstens im eigenen Wohnzimmer? Mag sein, dass das einmal anders war, dass Frauen mit Verkaufspartys die ersten Schritte in die freie Wirtschaft machen konnten. Aber heute? Im Jahr 2016?

Die Presseabteilung von Tupperware Deutschland war zu dem Thema leider wiederholt nicht zu erreichen. Vorwerk wirbt auf seiner Homepage zwar: „Erhalten Sie als Gastgeberin ein tolles Geschenk, zum Beispiel ein Thermomix Kochbuch Ihrer Wahl oder 50 Euro Rabatt auf Ihren Thermomix“. Allerdings teilte eine Sprecherin auf Anfrage mit, dass sich das Marketing des Küchengeräts sowohl an Frauen als auch Männer richte und auch die Thermomix-Parties beiden Geschlechtern offen stünden. Nur: Die Mehrheit der Interessierten seien nun einmal weiblich – was sich auch in der Ansprache und in den Werbebildern wiederspiegele.

Tupperware-Werbung für Badausstattung

Beseelte Frauen umgeben von Plastik: Tupperware-Werbung aus den 50er-Jahren für das Bad-Dekor „Crystal Symphony“.

Jemako preist seine Produkte – insbesondere die Putzutensilien fürs Auto – zwar auch für männliche Kunden an, auf dem Werbevideo sind aber ausschließlich Frauen zu Gast bei der Putz-Party im heimischen Wohnzimmer. Das Saubermachen im Haushalt und in der Küche sei nun einmal nach wie vor ein Frauen-Thema, sagte eine Jemako-Sprecherin. Die überwiegende Kundschaft sei weiblich. Die Frauen im Video haben augenscheinlich viel Spaß beim Saubermachen des Badezimmers oder Auswischens des Spülbeckens. Kommt ja nicht so häufig vor.

Dabei übernehmen Frauen selbst in Doppelverdiener-Haushalten den Löwen-Anteil im Haushalt, wie eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung erst kürzlich wieder gezeigt hat. Nun könnte man sagen, umso besser, wenn Produkte von Tupperware, Jemako und Vorwerk Frauen den Alltag erleichtern.

Beseelte Männer putzen im Kreis ihrer Freunde mit dem neuen Putzteufel das Bad

Doch das ist falsch! Damit sich wirklich etwas ändert, müssten Männer durch das Marketing der Unternehmen genauso angesprochen werden. Beseelte Männer, die im Kreise ihrer Freunde verträumt die Armaturen im Bad putzen oder ausflippen vor Freude angesichts der vielen Aufbewahrungsmöglichkeiten aus Plastik: Mit solchen Bildern sollten die Marketing-Experten werben. Dann würden selbst entschiedene Produkt-Party-Gegnerinnen vielleicht über den Kauf einer neuen Brotdose nachdenken.

Das könnte Sie auch interessieren: