AboAbonnieren

Wartelisten, SchließungenDie wahren Gründe, warum Kinder heute so schlecht schwimmen

Lesezeit 4 Minuten
Neuer Inhalt

Ein Mädchen planscht mit Schwimmnudel im Wasser (Symbolfoto).

Schwimmende Kinder in öffentlichen Bädern – früher war das normal. Da verbrachten die Kleinen ihre Sommer im Freibad, trafen Freunde, aßen heimlich Eis und erfrischten sich im kühlen Nass. Heute können viele Kinder nicht mehr schwimmen. Mehr als die Hälfte der heutigen Zehnjährigen sind keine sicheren Schwimmer. Das ergab jüngst eine repräsentative forsa-Umfrage.

Als sichere Schwimmer werden Kinder bezeichnet, die mindestens das Jugendschwimmabzeichen Bronze erreicht haben. Das ist heute nicht mehr selbstverständlich. „Im Durchschnitt besitzen nur 40 Prozent der Sechs- bis Zehnjährigen ein Jugendschwimmabzeichen“, sagte der Vizepräsident der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG), Achim Haag, auf der Pressekonferenz zur Vorstellung der Studie. Wie kann das sein?

Wir haben uns in der Redaktion nach persönlichen Erfahrungen unserer Mitarbeiter umgehört.

Wartelisten! Es gibt zu wenige Schwimmkurse für Kinder

Jenny Meyszner: „Wir wohnen in Köln, also in einer Großstadt mit mehr als zwei Hallenbädern. Trotzdem ist es fast leichter, einen Kitaplatz zu ergattern als einen Seepferdchen-Kurs für unsere fünfjährige Tochter.

Die werden zweimal im Jahr vergeben und wer an Verkaufstag 1 nicht um 18 Uhr am Rechner sitzt, hat keine Chance auf einen Platz im Schwimmbad um die Ecke. Manchmal noch nicht mal dann, wie in diesem Jahr, als die KölnBäder ein neues Buchungssystem eingeführt hatten und die Internetseite aufgrund des großen Andrangs abstürzte.“

Vereinbarkeitsprobleme! Es gibt keine Geschwister-Kurse

Lisa Harmann: „Wir haben drei Kinder und lange scheiterte ein Schwimmkurs für sie daran, dass ich nur zwei Arme habe. Ich hätte mit einem Zwilling ins Wasser gehen können, aber was hätte ich mit dem anderen machen sollen? Dem Papa geben? Gute Idee, aber wir haben ja noch ein drittes Kind.

Nun sind die Kinder so groß, dass ich nicht mehr mit ins Wasser muss. Die Kurse sind aber so rar, dass ich nehmen muss, was ich kriegen kann. Und wenn dann der Kurs für Kind 1 in Bad A stattfindet und der Kurs für Kind 2 gleichzeitig in Bad B, dann kann eins der Kinder noch immer nicht schwimmen lernen.“

Achtung! Immer weniger Schulkinder können richtig schwimmen.

Schließungen! Es gibt zu wenige Schwimmbäder im Umkreis

Jenny Meyszner: „Schwimmen gelernt habe ich in meiner Heimatstadt Marburg im Luisabad, ein schönes altes Stadtbad. In den Ferien planschten wir im Sommerbad. Als wir in einen anderen Stadtteil umzogen, war das Europabad das Hallenbad meiner Wahl. Und das waren immer noch nicht alle Bäder. Übrig geblieben ist das Sommerbad, das heißt jetzt aber AquaMar und ist vor allem ein Spaßbad.

Marburg ist klein, etwa 73.000 Einwohner. In Köln gibt es mehr Schwimmbäder, aber bei weitem nicht genug für eine Großstadt. Das sieht man sofort an heißen Tagen, wenn man zwei Stunden und länger auf Einlass wartet. Dann lieber im Einkaufszentrum abzuhängen, den Gedanken könnte ich keinem Kind verdenken.“

Kosten! Viele können sich regelmäßige Schwimmbad-Besuche nicht leisten

Lisa Harmann: „Der Tagestarif im elf Kilometer entfernten Ort liegt bei 5,50 Euro pro Erwachsenem und 4 Euro pro Kind. Das mag einzeln nicht viel klingen, aber für mich und die drei Kinder würde ich 17,50 Euro pro Tag bezahlen. Das kann man sich ab und zu mal leisten, aber um im Sommer jeden Tag schwimmen zu gehen, ist das eindeutig zu viel.“

Das könnte Sie auch interessieren:

Diese subjektiven Einschätzungen zeigen: Tatsächlich wird es Eltern nicht leicht gemacht, ihren Kindern regelmäßig Spaß am Wasser zu vermitteln. Das Betreiben von Schwimmbädern ist teuer, also schließen immer mehr. Die Eltern müssen Strecken auf sich nehmen - wenn sie denn überhaupt einen Platz im Schwimmkurs ergattern. Längst hat nicht mehr jeder Ort ein eigenes Bad, in dem die Kinder schwimmen gehen können.

Achim Haag von der DLRG sagt: „Wer Bäder schließt, um Kosten zu senken, handelt fahrlässig und verantwortungslos. Die DLRG sieht in diesem Umfrage-Ergebnis eine Bestätigung ihrer Position und versteht das Ergebnis als Auftrag, ihre Arbeit für den Fortbestand der Schwimmbäder auf allen Ebenen fortzusetzen.“ Wir Eltern würden uns darüber jedenfalls freuen. Genauso wie über einen Ausbau der Schwimnmkurse und Rabatte für Großfamilien. (lha)