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Psychologin warnt„Zu viele Geschenke können Kindern auch schaden“

Lesezeit 5 Minuten
Kind trägt ein riesiges Geschenk

Überfordert oder enttäuscht: Ist der Geschenkeberg zu groß, können Kinder das gar nicht verarbeiten.

  1. Ein beliebter Artikel aus unserem Archiv.
  2. Bei manchen Familien bekommen die Kinder unglaublich viele Geschenke zu Weihnachten. Kann in so einem Geschenkerausch überhaupt noch Freude aufkommen?
  3. Psychologin Svenja Lüthge erklärt, warum Geschenkberge Kinder auf Dauer einsam machen können und wie Eltern auf unrealistische Wünsche reagieren sollten.

Die Weihnachtszeit ist ja für Kinder heute ein wahres Geschenke-Feuerwerk: Spielzeug im Adventskalender, Pakete vom Nikolaus und ein Geschenkeberg an Weihnachten. Können Kinder das überhaupt noch schätzen?Svenja Lüthge: Wenn Eltern ihre Kinder mit Geschenken zuschütten, dann kann das zu viel für sie werden. Sie wissen das Geschenkte dann nicht mehr zu schätzen. Kleinere Kinder kann man damit sogar überfordern. Sie können gar nicht so viel auf einmal spielen. Und freuen sich eher über nur ein großes Geschenk, mit dem sie sofort losspielen können.

Was macht es psychologisch mit einem Kind, wenn es oft mit Geschenken überhäuft wird?

Zu viele Geschenke können Kindern auf jeden Fall schaden. Wenn das Kind schon im Kindergartenalter ständig alles kriegt, was es haben will, dann merkt es sich das. So verstehen Kinder nicht, dass sie auch mal verzichten müssen, lernen keine Frustrationstoleranz. Sie werden verwöhnt und haben keine Wertschätzung mehr für materielle Dinge. Und sie merken, dass Eltern quasi für die Zeit bezahlen, in der sie nicht da sind. Wenn die Kinder dann ins Schulalter kommen, verstehen sie ganz schnell, dass sie nur so viel wert sind, wie das, was sie haben. Sie definieren sich über ihren Status. Diese Kinder werden sehr einsam.

Überhäufen manche Eltern ihre Kinder auch mit einem riesigen Berg an Geschenken, um etwas wieder gut zu machen?

Ja. Das gibt es. Dass Eltern sonst zu wenig Zeit für ihre Kinder haben. Dass sie nur genervt und gestresst sind und das dann mit vielen Geschenken zu kompensieren versuchen. Der Schuss geht aber nach hinten los.

Verstehen Kinder Geschenke als einen Ausdruck dafür, dass sie geliebt werden?

Nein. Kinder haben ein ganz gutes Gespür dafür, wenn Eltern versuchen, über Geschenke fehlende Zeit zu kompensieren. Kinder brauchen Aufmerksamkeit, Wertschätzung, Liebe und Zuneigung. All das kann man nicht kaufen, sondern nur geben. Dass Eltern für das Kind da sind, das ist ihm so viel wichtiger, als wenn es alle Playmobil-Häuser der Welt durchgeschenkt bekommt. Für Kinder ist es mehr wert, wenn sie sich in den Arm der Mama kuscheln können und vorgelesen bekommen, als wenn auf dem Nachttisch das neueste Spielzeug liegt.

Und trotzdem haben manche Kinder eine riesige Erwartungshaltung. Wie geht man damit um?

Besonders ältere Kinder sehen vieles in der Werbung oder bei anderen Kindern und wünschen sich dann gerne die ganze Palette rauf und runter. Darüber müssen Eltern schon vor Weihnachten sprechen.

Um Enttäuschungen zu vermeiden? Wie kann man Kindern erklären, dass nicht alle Wünsche erfüllt werden können?

Enttäuschungen sind ja eigentlich immer falsche Erwartungen. Wenn sich also ein Kind ein Pferd wünscht, dürfen Eltern nicht die ganze Weihnachtszeit über sagen: „Mal sehen, was der Weihnachtsmann tun kann“. Kinder glauben ja oft noch daran, dass der alles möglich machen kann. Deshalb müssen die Eltern das realistisch einordnen und klar sagen, dass so ein Wunsch nicht erfüllt werden kann, dass es definitiv zu Weihnachten kein Pony gibt. Wenn das Kind das vorher schon weiß, ist es auch nicht so enttäuscht.

Wie können Eltern dennoch Wünsche der Kinder erfüllen?

Wir haben als Eltern viel Einfluss darauf, was wir schenken und was wir aus dieser gesamten Weihnachtszeit machen. Wenn Eltern in der Adventszeit den Fokus auf Rituale legen, dann können sie ganz viel erfüllen, auch mit wenigen Geschenken. Gemeinsames Plätzchen backen, Weihnachtssingen, Adventsbasteln – das sind alles Dinge, die man nicht kaufen sondern nur arrangieren muss. Und man muss sich vor allem dafür Zeit nehmen.

Trotzdem wollen die Kids ja auch etwas auspacken. Wie findet man das richtige Geschenk?

Schenken soll immer etwas Besonderes sein – auch für uns Erwachsene. Wenn ich ein besonderes Geschenk machen will, gehört auch immer Zeit dazu. Aus psychologischer Sicht ist an Weihnachten immer besonders wichtig, dass der Herzenswunsch des Kindes erfüllt ist.

Der Herzenswunsch ist nicht unbedingt immer das, was ganz oben auf dem Wunschzettel steht. Manchmal wird das von den Kindern gar nicht ausgesprochen. Es können auch Kleinigkeiten sein. Eltern sind Experten für ihre Kinder. Wenn sie sich Zeit nehmen, darauf zu horchen, was die Kinder für Wünsche äußern, dann lässt sich das schnell raushören. Um im Zweifel darf man seine Kinder auch gerne fragen, was der größte Wunsch ist.

Wie können Eltern das Schenken altersgemäß gestalten?

Im Kleinkindalter lautet die Devise: weniger ist mehr. Und je größer das Geschenk, desto besser. Im Kindergartenalter freuen sich Kinder über Spielzeug, mit dem man etwas nachspielen kann. Am schönsten ist es für die kleineren Kinder, wenn sie etwas bekommen, mit dem sie sofort losspielen können.

Im Schulalter wird es schwieriger. Auch weil die Geschenke immer größer werden. Da geht es oft um das Thema Smartphone oder iPad. Man kann dem Kind natürlich diesen Wunsch gerne erfüllen, aber es müsste dann bei dieser einen Sache bleiben. Und Eltern sollten sich Zeit nehmen, das Kind in das neue Gerät einzuweisen.

Wie können Eltern den Geschenkansturm von Verwandten verhindern?

Natürlich wollen Großeltern, Freunde und Paten Kindern gerne eine Freude machen. Das muss aber nicht immer in Form eines Geschenkes zum Auspacken sein. Sie könnten zum Beispiel eine gemeinsame Unternehmung schenken – einen Kinobesuch, ein Picknick, einen Ausflug. Das ist auch etwas, das Kinder glücklich macht.

Eltern sollten sich nicht scheuen, den Verwandten zu kommunizieren, wie sie es haben möchten. Sie sollten freundlich und diplomatisch bleiben, sich bedanken, aber klare Ansagen machen. Wenn Oma und Opa unbedingt das teure iPad schenken wollen, dann könnten Eltern eine Alternative vorschlagen, die weniger kostet und dem Kind trotzdem gefällt. Wollen Verwandte um jeden Preis größere Summen ausgeben, könnten sie das Geld auf einem Konto sammeln, das dem Kind später zugutekommt.