Immer noch ein Tabu?Wenn Mama auszieht und die Kinder zurücklässt
Wenn Eltern sich trennen und die Kinder beim Vater bleiben, dann... Ja, was dann? Noch immer bleiben Kinder in den meisten Fällen bei der Mutter. Läuft es anders herum, ist das Umfeld bestenfalls verständnisvoll, meist aber eher: verwirrt. „Wie konntest Du die Kinder zurücklassen?“ Einen Vater würde das wohl kaum jemand fragen. Pia* hingegen kennt solche Fragen. Sie hat genau das gemacht, was dem deutschen Mutterbild noch so wenig entspricht. Sie ist ausgezogen – allein.
Plötzlich ist Pia allein
„Die erste Nacht war die schlimmste“, erinnert sich Pia. Sie lag allein im Bett und hatte alles zurück gelassen, was ihr lieb war: Ihren Mann, ihre Kinder, ihre vertraute Umgebung. 13 Jahre Ehe lagen hinter ihr. Sie liebte ihn nicht mehr, ihn, der ihr das Eheversprechen gegeben hatte und sie ihm. Er verdiente gut, sie hätte sich die gemeinsame Wohnung nicht leisten können. Sie wollte ihre Kinder, 4 und 7 Jahre alt, nicht aus ihrem gewohnten Umfeld reißen, sie konnten ja nichts dafür. Also entschied sie: Ich gehe. Das wird für alle das Beste sein. Als sie ging, waren die Kinder aufgeregt: „Mama, wann können wir Dich besuchen?“
Pia hat den Schritt gewagt, den auch heute noch nicht sehr viele Frauen gehen. Sie hat das nicht getan, weil sie ihre Kinder weniger liebt als andere, im Gegenteil: Sie wünschte sich die beste Lösung für alle. Natürlich stößt auch sie an Grenzen. Aber sie hatte Glück. Mit ihrem Mann versteht sie sich heute besser als zuvor. Sie teilen sich das Sorgerecht.
„Wie lange möchtest Du noch unglücklich sein? Das ist DEIN Leben, mach was draus.“ Das fragte ein Arbeitskollege Pia und brachte damit etwas ins Rollen. Sie wollte nicht mehr nur noch als Haushaltsmanagerin, sondern auch als Arbeitnehmerin, Freundin, Kollegin, als FRAU wahrgenommen werden. Das war der Anfang vom Beziehungs-Ende.
Nur jeder zehnte Alleinerziehende ein Vater
Nur einer von zehn Alleinerziehenden ist ein Vater, das geht aus dem Mikrozensus 2009 des Statistischen Bundesamtes hervor. Gleichberechtigung ist zwar in aller Munde und Väter setzen sich heute augenscheinlich mehr für die Famlie ein als früher. Das gilt aber noch nicht für die Situation nach Trennungen. Bleiben die Kinder beim Vater, ist das auch heute noch ein Sonderfall.
Zunächst versuchten Pia und ihr Mann es weiter in derselben Wohnung. Doch als Pia einmal nach der Arbeit nach Hause kam und Frauenschuhe vor der Haustür stehen sah, konnte sie das nicht mehr. Sie plante ihren Auszug. Den Kindern verkaufte sie es positiv: „Ihr verliert nichts. Ihr bekommt einfach noch ein Zuhause dazu.“ Sie ging mit einem Regal und einem Bett.
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Darf sie das? Als Mama? Das fragt sich das Umfeld, wenn Pia aus ihrem Leben erzählt. Das Mutterbild ist heute sehr überfrachtet.
Mutterbild: Wunsch und Wirklichkeit passen nicht
Pias neue neue Wohnung hat zwei Zimmer, Altbau, 60qm. Sie liegt zwei Kilometer entfernt von der alten Wohnung, in der ihre Kinder noch leben. Pia kann sie jederzeit sehen, sie teilen sich das Sorgerecht.
Für die Studie „Familienleitbilder in Deutschland“ von der Konrad-Adenauer-Stiftung wurden vor zwei Jahren 5000 Menschen zwischen 20 und 39 zu Wunsch und Wirklichkeit in ihrem Leben befragt. Dabei zeigte sich, dass sich beides oft nicht in Einklang bringen lässt „Frauen sollen heute bitteschön berufstätig sein und am liebsten noch Karriere machen und am Nachmittag mit dem Kind Hausaufgaben machen und dazwischen das Kind fördern und ernähren“, so die Herausgeberin der Studie, Christine Henry Huthmacher, gegenüber dem Deutschlandfunk. Auch gebe es viele negative Mutterbilder wie die „Rabenmutter“ oder das „Heimchen am Herd“. Pia ist weder das eine noch das andere.
Pia meldet sich bei ihrem Ex, wenn der Internetanschluss nicht funktioniert. Er meldet sich bei ihr, wenn er eins ihrer Rezepte nachkochen will. Oft holt sie die Kinder von der Schule ab, verbringt mit ihnen den Nachmittag, bringt sie dann abends nach Hause. Und ihr Exmann fängt plötzlich an zu kochen, zu backen und zu basteln. „Das hat er früher nie gemacht“.
Eine Beziehung muss nicht immer im Streit enden, dass zeigt die Geschichte von Pia. Sie kann auch zu mehr Selbstbewusstsein auf beiden Seiten führen. Pia weiß, dass es sich nicht nach jeder Trennung so gut läuft und ist dankbar, dass es bei ihr so ist. Es ist ein ganz gewöhnliches Nach-Trennungsleben, dass Pia und ihr Exmann da führen. Wäre da nicht der Umstand, dass nicht der Vater gegangen ist – sondern die Mutter.
*Name von der Redaktion geändert