Hype um „Oral Care“Welche neuen Zahnpflege-Methoden machen wirklich schöne Zähne?
- In unserer Serie „Gesund durchs Jahr” widmen wir uns in jedem Monat einem anderen Themenbereich.
- Im Juni geht es um das Thema gesunde Zähne.
- In den letzten Jahren hat sich auf dem Gebiet viel getan. Was sind die Trends und worauf kommt es wirklich an, damit die Zähne gesund bleiben?
Köln – Zähneputzen war doch mal eine einfache Sache, die man mehrmals am Tag machen muss und gut, oder? Das reicht heute nicht mehr: Seit einiger Zeit ist aus dieser alltäglichen Tätigkeit ein neuer Luxus-Sektor entstanden, „Oral Care“ genannt. Nicht nur weiße und gerade Zähne gelten als Statussymbol, sondern auch besonders edle Zahnpflegeprodukte im Bad. Woran liegt das und worauf muss man bei der Zahnpflege tatsächlich achten?
Einer der Gründe für den neuen Hype um die Zähne ist die Corona-Pandemie. „Unter allen Körperpflegeprodukten sind Handwasch- und Mundpflegeprodukte die Segmente, die während der Covid-19-Pandemie ein großes Umsatzwachstum verzeichneten“, haben die Marktforscher von „Mordor Intelligence“ festgestellt, die weltweit Märkte analysieren.
Die Seite Trendhunter schreibt, dass immer mehr Firmen nicht nur Produkte zur Reinigung und Aufhellung anbieten, sondern versuchen, die Kunden mit unkonventionellen und möglichst nachhaltigen Inhaltsstoffen und Formaten zu überraschen.
Viele wollten während Corona nicht zum Zahnarzt gehen
Das mag zum einen am allgemeinen Nachhaltigkeits-Trend liegen, zum anderen auch daran, dass viele während des Lockdowns nicht unbedingt mit offenem Mund vor dem Zahnarzt liegen wollten, um sich die Zähne reinigen zu lassen. Möglicherweise sind uns die Zähne auch einfach deshalb wichtiger geworden, weil wir seit mehr als einem Jahr in Video-Meetings sitzen, bei denen das Gesicht samt Zähnen in den Fokus rückt. Wie man halsabwärts aussieht, ist ja fast egal in diesem Zusammenhang.
Ultraschallzahnbürsten und Aktivkohle für weiße Zähne
Die Angebote rund um den neuen Zahn-Trend sind vielfältig, aber eines der wichtigsten dürften Ultraschallzahnbürsten sein, die die Zähne ganz ohne Druck nur mit Ultraschallwellen reinigen sollen. Zum Teil benötigt man für dieses Gadget auch eine spezielle Zahnpasta. Der Bürstenkopf überträgt rund 1,7 Millionen Ultraschallschwingungen pro Minute auf die Zahnoberfläche, eine direkte mechanische Bearbeitung des Zahns oder Zahnfleisches entfällt. So soll das Zahnfleisch geschont werden.
Schwarze Zahnpasta für weiße Zähne
Ebenfalls beliebt sind neue Aufhellungsprodukte wie etwa schwarze Zahnpasta mit Aktivkohle-Bestandteilen oder Aktivkohle-Tabletten, die vor dem normalen Zähneputzen gekaut werden. Aktivkohle soll in der Lage sein Zahnverfärbungen schonend und effektiv zu bekämpfen. Sie wird als Kapsel, Pulver oder in der Zahnpasta angeboten. Die relativ groben Körner wirken beim Putzen wie Schleifpapier und schrubben Verfärbungen von den Zähnen. Vorsicht: Langfristig kann dabei die Zahnoberfläche aufgeraut werden.
Wer es noch heller will, kann sich beim Zahnarzt die Zähne bleichen lassen. Allerdings spricht nicht jeder Zahn auf die Bleichprozedur an, sagt Dietmar Oesterreich, Vorstandsmitglied der Bundeszahnärztekammer: „Zahnärzte müssen die Patienten aufklären, dass nur eigene Zähne beim Bleaching heller werden können, nicht aber Füllungen oder Zahnersatz.“ Die Kosten dafür übernehmen die Kassen nicht. Wichtige Voraussetzungen für das Bleichen seien zudem gesunde Zähne und gesundes Zahnfleisch.
Kariesbehandlung ohne Bohren
Gute Nachricht für Angstpatienten: Die sogenannte Kariesinfiltration (Icon-Therapie) ist eine Möglichkeit, frühzeitig Karieserkrankungen zu behandeln, ohne dabei ein Loch bohren zu müssen. Bei dieser Behandlung wird der erkrankte Zahn gründlich gereinigt und anschließend unter einem UV-Licht mit speziellen Kunststoffen verschlossen. Dadurch werden säurehaltige Schadstoffe und Kariesbakterien blockiert und die weitere Kariesausbreitung verhindert.
Unsichtbare Zahnspangen: Aligners sind voll im Trend
Ein Riesentrend sind auch sogenannte Aligners. Die herausnehmbaren Gebissschienen aus transparentem Kunststoff funktionieren wie eine unsichtbare Zahnspange und werden von Kieferorthopäden angefertigt, um Zahnfehlstellungen zu korrigieren. Die Schienen sind so gut wie unsichtbar und können beim Essen oder Zähneputzen einfach herausgenommen werden.
Ein führender Anbieter für diese Behandlung ist Dr. Smile, in Köln gleich mit vier Filialen vertreten, in denen Zahnärzte und Kieferorthopäden arbeiten. Das Geschäft läuft gut, sagt Markendirektorin Nora Kulling: „Insgesamt haben wir seit unserer Gründung vor vier Jahren mehr als 40.000 Behandlungen durchgeführt, davon knapp 1500 in Köln. Mehr als zwei Drittel der Deutschen sind unzufrieden mit ihren Zähnen, möchten aber keine herkömmliche Zahnspange. Dementsprechend gibt es einen riesigen Markt für unser Produkt.“
Was ist wirklich wichtig für gute Zahnpflege?
Abseits der Schönheitstrends bleibt die Frage, was wirklich wichtig für eine gute Zahnpflege ist. An erster Stelle steht natürlich die Reinigung. Die meisten Zahnärzte empfehlen dafür eine elektrische Zahnbürste, aber auch die normale Handzahnbürste ist in Ordnung, wenn ein paar Punkte beachtet werden: Der Kopf sollte eher klein sein, damit man beim Putzen gut in alle Ecken kommt. Die Borsten sollten abgerundet und weich bis mittelhart und parallel angeordnet sein. Der Bürstengriff muss fest in der Hand liegen und darf nicht rutschen. Nach dem Zähneputzen sollte die Bürste immer gut unter fließendem Wasser ausgespült werden. Sobald die ersten Borsten ausfransen und verbogen sind, muss die Bürste ausgetauscht werden.
Noch wichtiger ist die Putztechnik: Zähne immer in kleinen, kreisenden Bewegungen von „Rot nach Weiß", also vom Zahnfleisch zu den Zähnen, putzen. Am besten nach jeder Hauptmahlzeit, mindestens jedoch zweimal am Tag. Nach säurehaltigen Speisen und Getränken wie Obst, Saft, Wein oder Früchtetee ist es besser, eine halbe Stunde mit dem Putzen zu warten. Der Zahnschmelz wird durch die Säure angegriffen und ist eine Zeit lang empfindlicher.
Unbedingt auch die Zahnzwischenräume reinigen
Auch die Zahnzwischenräume müssen gereinigt werden. Das ist gar nicht so leicht, weil viele Bürsten diese Stellen nicht erreichen. „Schwachstellen sind überall dort, wo sich Zahn an Zahn reiht. In dem kleinen Raum dazwischen siedeln sich Bakterien an und können Karies und Parodontitis verursachen", erklärt Dietmar Oesterreich. Stefan Zimmer, Zahnmediziner und Sprecher der Informationsstelle für Kariesprophylaxe, plädiert dafür, am besten immer abends nach dem Zähneputzen die Zahnzwischenräume zu reinigen: „Alles, was man täglich macht, vergisst man nicht.“
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Die Mühe lohnt sich: „Patienten, die regelmäßig pflegen, haben deutlich weniger Entzündungszeichen“, ist Oesterreichs Erfahrung. Vor allem Ältere litten unter der Zahnbettentzündung Parodontitis. „Das ist im Alter die häufigste Ursache für Zahnverlust, weil sich Zähne durch Knochenabbau als Folge von Parodontitis lockern.“ Für die abendliche Reinigung spreche auch die Tatsache, dass der Speichel im Mund antibakterielle Stoffe enthält und er dadurch der Kariesentstehung entgegenwirkt. „In der Nacht ist der Speichelfluss geringer und damit der Schutzmechanismus reduziert“, erläutert Oesterreich.
Zahnseide mit Vorsicht anwenden
Das bekannteste Hilfsmittel, um die Zahnzwischenräume sauber zu machen, ist Zahnseide. Sie ist relativ leicht zu benutzen, doch bei falscher Anwendung kann das Zahnfleisch leiden. Ohne Blut geht es, wenn man es schafft, ohne zu großen Druck an den gekrümmten Zahnflächen entlangzugleiten.
Älteren Menschen empfiehlt Oesterreich Interdentalbürsten: „Im Laufe des Lebens zieht sich das Zahnfleisch etwas zurück, auch Parodontitis kommt häufiger vor, so dass die Zahnzwischenräume offener liegen“, sagt er. Die kleinen Bürsten können dort effektiver reinigen. Sie sollten nicht mit zu extremem Druck, aber auch nicht zu leicht durchgehen. Wer es gründlich machen möchte, schiebt die kleine Bürste sowohl von außen als auch von innen in den Spalt zwischen den Zähnen. Das Gerät kann mehrmals benutzt werden, wie bei der Zahnbürste ist aber ein regelmäßiger Wechsel ratsam. Auch Interdentalsticks sind eine Möglichkeit: dünne Zahnstocher aus Kunststoff, die mit Silikon und Noppen ummantelt sind.
Ein Tabu sei es, bei der Reinigung der Zwischenräume Zahnpasta zu verwenden, weil diese Schleifkörper enthält. „Wenn man dann noch zu feste schrubbt, kann man sich tatsächlich im Zwischenraum Teile der Zahnwurzel wegputzen“, warnt Zimmer. Sein genereller Rat lautet: „Man sollte nie mit großer Kraft arbeiten. Und wenn man einen Widerstand spürt, darf man nicht versuchen, ihn mit Gewalt zu beseitigen.“ (mit dpa)