Mikrobiologe„Die Zahnbürste kann ein Weg für resistente Keime in den Körper sein“
Köln – Zähne putzen am Morgen, Zähne putzen am Abend – das tägliche Ritual der Mundhygiene lässt wohl die meisten von uns mit einem erfrischten Gefühl zurück. Doch was viele nicht wissen: Auf jeder Zahnbürste tummelt sich ein Cocktail aus Millionen von Bakterien. Eine neue Studie aus den USA hat diesen jetzt untersucht und herausgefunden: Neben vielen typischen Mundbakterien finden sich auch Darmbakterien und solche, die resistent gegen Antibiotika sind. Ist das so schlimm, wie es sich anhört? Wir haben einen Mikrobiologen gefragt.
Zunächst zur Studie: Das Team um Ryan A. Blaustein vom Fachbereich Mikrobielle Ökologie an der Northwestern University in Evanston (Illinois), hat 34 Zahnbürsten von Probanden untersucht, um herauszufinden, wie Mikroorganismen des Körpers mit denen der Umwelt interagieren. Denn auf der Zahnbürste treffen sie zusammen: Keime aus dem Körper, aus dem Wasser, aus der Luft.
Die meisten Bakterien auf der Zahnbürste sind aus dem Mund
Das Ergebnis zeigt, dass die meisten Bakterien aus dem Mund stammen. Das sei zu erwarten, sagt der Mikrobiologe Dirk Bockmühl, Professor an der Hochschule Rhein-Waal. Dort forscht er zu Bakterien im Haushalt und hat im letzten Jahr eine ähnliche Studie durchgeführt. Auch seine Ergebnisse zeigten, dass bei der anfänglichen Nutzung einer Zahnbürste überwiegend Keime aus dem Mund zu finden sind. „Die Flora auf der Zahnbürste ändert sich aber mit der Zeit“, sagt Bockmühl. Bei einer längeren Nutzung würden die Mundbakterien von Keimen aus der Umwelt – etwa aus der Luft – verdrängt. Der Mikrobiologe kritisiert an der US-Studie, dass als Vergleichswert aus der Umwelt Hausstaub gewählt wurde: „Im Bad erwartet man davon keine großen Mengen. Interessanter wäre zum Beispiel ein Vergleich zu Aerosolen aus der Toilette gewesen“, sagt Bockmühl.
Über diese Aerosole könnten nämlich Fäkalkeime transportiert werden. „Auch diese Darmbakterien sind auf Zahnbürsten zu finden, das zeigen beide Studien. Allerdings nicht zu besonders großen Anteilen.“ Zudem bräuchten Fäkalkeime ein anderes Umfeld und würden sich auf der Zahnbürste nicht durchsetzen. Wen das allerdings ekelt, dem empfiehlt Bockmühl bei der Spülung den Toilettendeckel zu senken – dadurch werden die Aerosole weniger im Raum verteilt.
Die Zahnbürste als direkter Weg für antibiotikaresistente Keime in den Körper
„Dennoch ist die Zahnbürste ein sehr spezieller Ort. Sie ist sehr lange ziemlich feucht. Deshalb ist es wichtig, genau zu analysieren, was dort passiert“, sagt Dirk Bockmühl. „Auf einer Zahnbürste finden sich typischerweise bis zu 10 Millionen Bakterien.“ Dass dazu auch eine hohe Anzahl an antibiotikaresistenten Bakterien gehören, wie die US-Studie nachweist, findet Bockmühl nicht überraschend: „Wir forschen viel zu antibiotikaresistenten Keimen im Haushalt. Man findet sie überall im Haus – in der Spülmaschine, in der Waschmaschine – und eben auch auf der Zahnbürste.“
Bakterien können Resistenzen über die Umwelt aufnehmen oder von anderen Keimen weitergegeben bekommen, so Bockmühl. Die Zahnbürste sei mit einem feuchten Biofilm ein Lebensraum, wo das besonders gut funktioniere.
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Die US-Forscher sehen eine Korrelation zwischen vielen Resistenzen und der Nutzung von Mundpflegeprodukten. Das erklärt Bockmühl damit, dass in den USA in Mundwasser und Zahncremes besonders viel mit antibakteriellen Substanzen gearbeitet werde. Weil diese die Bakterien angreifen, könnte dadurch die Entstehung von Resistenzen gefördert werden. Das sei bislang aber nur eine Erklärungsmöglichkeit. In der US-Studie kommt man zu dem Schluss, dass Zahnbürsten ein potenzielles Reservoir für den Transfer von antibiotikaresistenten Bakterien bieten könnten. Auch Bockmühl sagt: „Wir müssen darauf ein besonderes Augenmerk legen. Die Zahnbürste kann ein direkter Weg für antibiotikaresistente Keime in den Körper sein. Allerdings ist die infektiöse Dosis entscheidend. Selbst über die Zahnbürste ist es schwierig eine problematisch hohe Menge an resistenten Keimen aufzunehmen.“
Aus Angst vor den Bakterien die Zähne nun nicht mehr zu putzen, sei keine Lösung. „Es ist wohl ungesünder nur noch einmal am Tag die Zähne zu putzen.“ Selbst wenn die resistenten Keime auf der Zahnbürste vorhanden sind, solle man sich davor nicht fürchten. „Sinnvoll ist es den Bakterien das Leben schwer zu machen – also Zahnbürste ordentlich trocknen und regelmäßig austauschen.“ Spätestens nach drei Monaten sollte die Zahnbürste gewechselt werden. Doch noch viel wichtiger sei es die Zahnbürste nach einer durchgemachten Infektion zu wechseln, ob grippaler Infekt oder „Magen-Darm“. „Ansonsten könnte es durchaus über die Zahnbürste zu einer Reinfektion kommen.“