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Interview mit Bonner Ex-Chefarzt zu Corona„Die Einsamkeit wird zur Belastung werden“

Lesezeit 4 Minuten
Moebius

Prof. Dr. Walter Möbius im Gespräch

  1. Professor Dr. Möbius gehört mit 82 Jahren selbst zur Corona-Risiko-Gruppe – Angst hat er nicht.
  2. Möbius wird scherzhaft als „Patientenflüsterer“ oder der „Dr. House“ des deutschen Gesundheitswesens tituliert. Er wirkt ab sofort im „Corona-Experten-Rat“ des „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit.
  3. Er möchte keine Panik verbreiten, verhält sich aber vorsichtiger als vor dem Ausbruch der Pandemie.
  4. Lesen Sie das ganze Interview mit KStA PLUS.

Herr Professor Möbius, Sie gehören mit 82 Jahren selbst zur Corona-Risiko-Gruppe, können als Arzt die Situation aber besser beurteilen als viele Ihrer Altersgenossen. Haben Sie Ihr Leben geändert?

Walter Möbius: Einerseits ja, weil ich selten so gefordert in der Beratung und Aufklärung war. Unter anderem stehe ich im ständigen Kontakt mit dem Krisenstab der Ärztekammer. Am Wichtigsten ist es mir, den Leuten die Panik zu nehmen – und das umso mehr, als wir uns auf eine höhere Zahl von Erkrankungen gefasst machen müssen. Andererseits verhalte ich mich persönlich derzeit schon vorsichtiger, befolge die bekannten Hygiene-Regeln, lebe aber mein Leben ansonsten weiter wie bisher. Ich habe auch keine Angst.

Zur Person

Walter Möbius, geboren 1937, ist Internist und Neurologe. Er war Chefarzt am Bonner Johanniter-Krankenhaus, das bis zum Hauptstadtwechsel eine Art „Regierungsklinik“ war. Möbius wird scherzhaft als „Patientenflüsterer“ oder der „Dr. House“ des deutschen Gesundheitswesens tituliert. Er wirkt ab sofort im „Corona-Experten-Rat“ des „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit.

Zuletzt erschien von Walter Möbius das Buch „7 Wege aus der Einsamkeit und zu einem neuen Miteinander“ (DuMont Buchverlag 2019)

Auch nicht um andere Angehörige der sogenannten Risiko-Gruppen?

Ich drehe es mal um: Wenn Sie mit der Familie Ihre alten Eltern besuchen wollen, spricht nichts dagegen. Sie sollten nur nicht mit ihnen in Großveranstaltungen gehen, und damit meine ich nicht nur solche mit der inzwischen berühmten 1000-Besucher-Grenze, sondern ab einer Größenordnung von 200.

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Da sollten Sie Ihren Eltern sagen: Lasst das mal für die nächsten 14 Tage sein! Wenn „grippeähnliche Symptome“ auftreten, unbedingt telefonisch Kontakt mit einem Arzt aufnehmen, keinesfalls in die Praxis oder in die Notaufnahme eines Krankenhauses gehen!

Und wie halten Sie selbst es zum Beispiel mit Kontakten zu Ihren Enkelkindern?

Neugeborene bis zu einem Alter von drei Monaten würde ich im Moment nicht besuchen. Mit Kleinkindern auf den Spielplatz gehen – kein Problem! Die gehören nicht zur Risikogruppe. Auch Jugendliche sind in der Regel nicht gefährdet. Sie sollten aber den Konsum von Alkohol und Zigaretten möglichst einschränken und symptomfrei sein, wenn sie in Kneipen, Clubs oder Discos gehen. Darüber hinaus sollten sich alle an die Empfehlungen der Gesundheitsämter und der Ärzte halten: auf etwas größeren Abstand gehen, häufig die Hände waschen, Reisen in Risiko-Regionen meiden. Da greife ich auch auf eigene Erfahrungen zurück.

Nämlich?

Ich habe mehrere Epidemien und deren Eindämmung begleitet. Auch wenn es sich da vorwiegend um Infektionen durch Bakterien wie die Meningokokken handelte, gelten doch im Wesentlichen die gleichen Vorsichtsmaßnahmen. Klar ist, wir sind in Deutschland weit davon entfernt, Entwarnung geben zu können. So erklären sich mir auch die – teils überschießenden – Reaktionen mit Absagen und Stornierungen. Darüber mag man heute den Kopf schütteln, aber man muss doch die Verantwortung sehen, die auf den Politikern und den Ärzten lastet. Insgesamt sehe ich uns gut gewappnet.

Aber im Detail?

Da sehe ich zwei gewaltige Probleme. Wenn Covid-19 in Altenheimen ausbricht, müssen die Häuser unter Quarantäne gestellt und isoliert werden. Die ohnehin verbreitete Einsamkeit wird dann – neben der Krankheit selbst – zu einer immensen Belastung werden. Dagegen müssten dringend Vorkehrungen getroffen werden. Angehörige, Heimmitarbeiter und Ärzte sollten eine ständige Kontaktmöglichkeit für Heimbewohner von und nach außen gewährleisten, sei es per Telefon oder Internet-Dienste wie Skype.

Und: Wehe, wenn Corona in den Flüchtlingslagern in Griechenland, der Türkei oder im türkisch-syrischen Grenzgebiet ausbricht! Was das für diese ohnehin schwerstens gebeutelten Menschen, aber auch für die Hilfsorganisationen bedeutet, können wir uns kaum schlimm genug ausmalen – bis hin zu möglichen Mutationen des Virus, wie sie seinerzeit bei der Vogelgrippe aufgetreten sind. Ich plädiere daher dafür, dass Gesundheitsminister Jens Spahn schon jetzt zusammen mit seinen europäischen Partnern einen Krisenstab bildet. Man könnte kleine mobile Einheiten bilden und mit dem notwendigen Gerät ausstatten. Das wird schwierig genug. Aber über den Lagern muss die „unsichtbare Flagge“ der Humanitas wehen. Und allein mit dem Geld, das der Afghanistan-Einsatz an einem Tag gekostet hat, wäre schon viel gewonnen.