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Lungenfacharzt erklärtWie gefährlich ist Covid-19 für Asthmatiker?

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Asthmatiker sollten ihre Medikamente auf jeden Fall weiter nehmen, auch wenn Kortison das Immunsystem schwächen kann (Archivbild).

  1. Susanne Kaiser ist 47 Jahre alt und hat schon ihr ganzes Leben lang Asthma. Zu Beginn der Krise hatte sie große Angst vor einer Covid-19-Infektion.
  2. Lungenfacharzt Christian Taube erklärt, wie hoch das Risiko von Asthmatikern für einen schweren Sars-CoV-2-Verlauf ist.
  3. Taube warnt davor, dass Patienten mit der Atemwegserkrankung ihre kortisonhaltigen Sprays oder andere Medikamente aus Angst absetzen.

Köln – Ein Leben ohne Atemprobleme, Hüsteln oder ein Kratzen im Hals, kennt Susanne Kaiser nicht. Seit sie vier Jahre alt ist, hat sie bronchiales Asthma. Die Fahrt im Krankenwagen mit Blaulicht und Sirene hat sie bis zu ihrem zehnten Lebensjahr wegen akuter Luftnot mehrfach durchgemacht. Sie drohte zu ersticken. Die Asthmabeschwerden, die bei der 47-Jährigen durch Belastung aber auch durch Allergien auftreten, hat sie seit ihrer Jugend weitgehend unter Kontrolle. Der letzte Asthmaanfall ist über 20 Jahre her. Sie hat sich mit der Atemwegserkrankung arrangiert – bis März. Seitdem bestimmen das Coronavirus und die Angst, die Infektion zu bekommen, Susanne Kaisers Tage.

„Am Anfang der Corona-Krise hatte ich sehr große Angst“, sagt Kaiser. Jedes Mal, wenn sie schlecht Luft bekommt oder husten muss, denkt sie sofort, sie hätte sich mit Sars-CoV-2 angesteckt. Immer ist der Gedanke im Kopf: „Ich bin Asthmatikerin, für mich ist das bestimmt schlimmer!“ Vier Wochen lang – in der Zeit des Lockdowns – verfolgt Susanne Kaiser angespannt die Nachrichten, schaut regelmäßig wie viele Fälle es in ihrem Kreis gibt. Hört von erkrankten Kollegen, ein Bekannter stirbt fast an Covid-19.

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Susanne Kaiser.

Ihre Angst, die Infektion zu bekommen, war zu dieser Zeit so groß, dass sie zu ihrem Lebensgefährten, der im direkten Kontakt mit psychisch Kranken arbeitet, sagte: „Wenn du dich entscheidest, weiter im direkten Klientenkontakt zu arbeiten, musst du dir eine andere Wohnung suchen. Ich gehöre zur Risikogruppe und habe Angst. Ich will mein Leben nicht riskieren!“ Die Sozialpädagogin arbeitet zunächst im Homeoffice und ihr Lebensgefährte trifft seine Klienten nur noch im Freien mit Abstand.

Asthmatiker gehören nicht zur Risikogruppe

Zur Risikogruppe gehören Asthmatiker nach wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht. Die Krankheit Asthma alleine sei kein Risikofaktor für einen schweren Verlauf bei einer Covid-19-Infektion, erklärt Lungenfacharzt Professor Christian Taube. Er ist Direktor der Klinik für Pneumologie der Universitätsmedizin Essen-Ruhrlandklinik. „Mittlerweile gibt es mehr Daten und wir sehen, dass unter den schweren Verläufen einer Sars-CoV-2-Infektion nicht auffällig viele Asthmatiker sind.“ Das bedeutet: Asthmatiker können an einer Covid-19-Infektion erkranken, können schwer erkranken, aber das Risiko dafür sei im Vergleich zur gesamtem Population nicht erhöht.

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Christian Taube.

Das Patienten mit Asthma denken oder zu Anfang der Pandemie gedacht haben, dass sie zur Risikogruppe gehören, ist durch die Symptome der Erkrankung nachvollziehbar. Bei der chronisch entzündlichen Atemwegserkrankung sind typische Symptome: Luftnot, Kurzatmigkeit, Enge in der Brust, Husten und pfeifende Atmung.

Susanne Kaiser weiß, wie es ist, Luftnot zu haben. Aus Angst vor Ansteckung hält sie sich vier Wochen lang sehr streng an alle Vorgaben, hält Abstand, trägt ihre Maske, wäscht häufig die Hände, hält sich an die Kontaktsperren. Als nach den Osterferien in Hessen die Präsenzzeit für ihre Tochter in der Schule wieder los geht, die ersten Lockerungen kommen, die Fälle in ihrem Kreis Marburg-Biedenkopf abnehmen, im Bekanntenkreis keine neuen Covid-19-Infektionen auftreten, lässt die Angst nach. „Mittlerweile denke ich, dass es unwahrscheinlich für mich ist, mich mit Covid-19 zu infizieren.“ Das Thema sei einfach nicht mehr ganz so omnipräsent. „Sterbe ich eher, als jemand anderes an einer Covid-19-Infektion? Ich will daran nicht glauben. Wir sind hier so gut aufgestellt, es gibt genügend Intensivbetten und die ärztliche Versorgung ist gut“, sagt die 47-Jährige.

Runterregulation von Rezeptoren könnte eine Erklärung sein

Und für Asthmapatienten scheint die Gefahr nicht erhöht. Eine Studie an der Universität Exeter in Großbritannien kommt sogar zu dem Ergebnis, dass Asthma und die Lungenkrankheit COPD bei Covid-19-Patienten im Vergleich zu ihrer Häufigkeit in der Bevölkerung unterrepräsentiert seien. Warum das so sein könnte, erläutert die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin in einer Stellungnahme. Christian Taube, der daran mitgearbeitet hat, erklärt: „Dass Asthmatiker im Vergleich zur restlichen Bevölkerung kein erhöhtes Risiko für eine schwere Sars-CoV-2-Infektion haben, könne man damit erklären, dass bestimmte Strukturen, sogenannte ACE-Rezeptoren, die dem Coronavirus helfen, in die Zelle zu gelangen, in der Lunge von Asthmatikern nicht so stark ausgeprägt sind.“ Das Virus kann also nicht so gut an einer Zelle andocken, wie bei Gesunden. Dies sei aber nur eine Hypothese.

Das Robert Koch-Institut (RKI) listet als Risikofaktor für eine schwere Corona-Infektion ein geschwächtes Immunsystem und nennt als möglichen Verursacher dafür Kortison. Viele Asthmatiker nutzen aber als Medikament kortisonhaltige Sprays. Christian Taube warnt ausdrücklich davor, dass Asthmatiker ihre Sprays und Medikamente nicht mehr nehmen. Auch wenn am Anfang der Pandemie einige Virologen vor der Behandlung mit kortisonhaltigen Sprays gewarnt hätten.

Asthmatypus könnte eine Rolle spielen

„Asthma-Sprays können vor einer Covid-19 Infektion schützen. Asthma ist eine entzündliche Erkrankung und die Entzündung führt in den Atemwegen dazu, dass die Schutzzellen gestört werden. Dadurch neigen Patienten mit der Atemwegserkrankung, die nicht gut behandelt werden, zu Virusinfekten.“ Mit gut behandeltem Asthma hingegen, bekommen sie nicht außergewöhnlich oft Virusinfekte. „Das Kortison zum Inhalieren sollte außerdem unbedingt weiter genommen werden, weil es die Lungenfunktion aufrechterhält.“ Ein Vorteil des Kortison-Sprays sei zudem, dass es beinahe ausschließlich in der Lunge wirke und fast keine Auswirkungen auf den Rest des Körpers habe, erklärt der Pneumologe.

Eine Studie der „American Academy of Allergy, Asthma & Immunology“ analysiert rund 1500 Covid-19-Patienten – darunter 220 Asthmatiker. Die Einnahme von Kortison bei Patienten mit der Atemwegserkrankung erhöhe nicht das Risiko, im Vergleich mit anderen Covid-19-Patienten, im Krankenhaus behandelt werden zu müssen. Die Studie hat allerdings keine unterschiedlichen Asthmatypen untersucht. Forscher vermuten in einer Untersuchung im „Journal of Allergy and Clinical Immunology“ jedoch, dass der Asthmatypus beim Risiko für eine schwere Covid-19-Erkrankung eine Rolle spielt. Menschen mit allergischem Asthma sollen laut dieser Studie nicht so stark gefährdet sein, einen schweren Verlauf zu erleiden, wie Asthmatiker, deren Beschwerden durch Stress oder Belastung ausgelöst werden.

Maske kann bei Asthmatikern zu Beklemmungen führen

„Es gibt verschiedenste Asthmatypen und Ursachen“, erklärt Christian Taube. In der Medizin gehe man inzwischen davon aus, dass Asthma ein Syndrom sei, das verschiedene Ursachen unter einer vergleichbaren Symptomatik zusammenfasst. „Wir haben also verschiedene Ursachen der Erkrankung, deshalb kann es sein, dass es Asthmatiker gibt, die durch die Runterregulation des ACE-Rezeptors in der Lunge vor Covid-19 geschützt sind, aber auch Patienten mit Adipositas, also starkem Übergewicht, welches auf das Asthma Effekte hat. Zudem gilt Übergewicht als Risikofaktor für schwere Covid-19-Verläufe.“ Es sei ein sehr komplexes Thema und es ist noch mehr Forschung nötig, um wirklich sagen zu können, dass ein Asthmatypus ein höheres Risiko hat oder nicht.

Schützend könnte ein psychologischer Effekt wirken: „Ich denke, dass Asthmapatienten sich in der Epidemie sicher vorsichtig verhalten haben und sich an die empfohlenen Maßnahmen des RKI, Abstand halten, Handhygiene, Maske tragen, Kontakte einschränken und die Kontaktzeit reduzieren, gehalten haben und auch noch halten“, sagt Taube. Die Maskenpflicht ist für einige Asthmatiker allerdings eine Belastung. Auch Susanne Kaiser hat Beklemmungen, wenn sie die Maske tragen muss. Das sorge für Stress. Sie habe überlegt sich vom Arzt von der Pflicht befreien zu lassen, habe sich aber dagegen entschieden, um andere Menschen zu schützen. Auch der Experte rät davon ab, sich von der Maskenpflicht befreien zu lassen – dies sollten nur Patienten tun, die einen Mund-Nasen-Schutz gar nicht ertragen können. Er erklärt: „Unter der Maske kann es sein, dass eine erhöhte Atemarbeit nötig ist und es bei Asthmatikern mit einer schlechten Lungenfunktion zu Luftproblemen kommen kann.“

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Susanne Kaiser glaubt, dass sie inzwischen nicht mehr vorsichtiger ist als der Rest der Bevölkerung. Sie umarme wieder ausgewählte, wenige Freunde oder treffe sich draußen. Sie arbeitet wieder im Büro der Bildungsstätte, deren pädagogische Leiterin sie ist. Dort könne sie die Abstände einhalten und Publikumsverkehr habe sie nicht.

Doch Orte, wo viele Menschen sind, die sich nicht an die Regeln halten, meidet Susanne Kaiser weiterhin. Sie will sich nicht infizieren, nicht leichtsinnig werden. Und sie nimmt jetzt regelmäßig ein Medikament, welches sie vorher nur bei Bedarf eingenommen hat. Es soll ihr Atemvolumen verbessern. „Ich will nie wieder das Gefühl haben zu ersticken.“ Wie schlimm sich das anfühlt, weiß sie zu genau.