AboAbonnieren

6 AntwortenWas der Impfstopp von Astrazeneca für Geimpfte und Ungeimpfte bedeutet

Lesezeit 5 Minuten
Neuer Inhalt

Impfungen mit dem britisch-schwedischen Impfstoff Astrazeneca wurden vorläufig ausgesetzt.

Köln – Am Montagnachmittag verkündete Gesundheitsminister Jens Spahn den vorläufigen Impfstopp für das Vakzin des britischen Herstellers Astrazeneca. Damit folgt Spahn einer Empfehlung des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI). Grund dafür waren Berichte über Hirnthrombosen, die europaweit in 30 Fällen nach der Impfung auftraten. Die Europäische Arzneimittelbehörde EMA untersucht diese Fälle derzeit, rät aber im Gegensatz zu dem PEI dazu, den Impfstoff weiterhin zu nutzen: Die Vorteile einer Impfung würden gegenüber den Risiken überwiegen. Wir beantworten die häufigsten Fragen dazu, wie es nach dem Impfstopp weitergeht

Wieso wurde der Impfstoff ausgesetzt?

Bis zum 10. März wurden der EMA 30 Fälle von Thrombosen im Zusammenhang mit fünf Millionen Astrazeneca-Impfungen gemeldet. Jens Spahn spricht von sieben Thrombose-Fällen in Deutschland bei 1,6 Millionen Impfungen. Die Aussetzung der Impfungen, so Spahn, sei eine reine Vorsichtsmaßnahme.

Ob das Blutgerinnsel durch die Impfung verursacht wurde, ist noch nicht klar und wird derzeit geprüft. Thrombosen sind keine Seltenheit: Die Pille zum Beispiel führt bei ungefähr 10 von 10.000 Frauen zu Blutgerinnseln, auf den Corona-Intensivstationen entwickeln bis zu 30 Prozent der Patienten Thrombosen. Bei den sieben Thrombose-Fällen kurz nach der Astrazeneca-Impfung handelt es sich jedoch um spezielle Gehirnvenenthrombosen, gepaart mit einem Mangel an Blutplättchen und Blutungen. Diese, schreibt das Paul-Ehrlich-Institut, seien eigentlich extrem selten. Derzeit analysiert die EMA die Vorfälle.

Welche Auswirkungen hat die Aussetzung auf Impftermine?

Alle Impftermine mit Astrazeneca liegen auf Eis. Termine für Impfungen mit dem Vakzin von Biontech oder Moderna sind davon nicht betroffen. Ob und wann Astrazeneca wieder verimpft wird, hängt von dem Urteil der EMA über die Vorfälle ab. Spahn sagte am Montag, er erwarte eine Empfehlung der EU-Behöde im Laufe dieser Woche.

In Köln wurden zuletzt rund 1000 Menschen pro Tag mit Astrazeneca geimpft. Jetzt müsse man pro Tag mehr Menschen mit den anderen Vakzinen impfen, sagte Kölns leitender Impfarzt Jürgen Zastrow im Gespräch mit dem Kölner Stadt-Anzeiger. Trotzdem baue sich natürlich ein Impfstau auf. Ein finales Impfverbot für Astrazeneca hält Zastrow für unwahrscheinlich, ein Verbot für Menschen mit Gefäßerkrankungen dagegen für möglich.

Bei welchen Nebenwirkungen sollte man zum Arzt gehen?

Impfreaktion sind eigentlich normal und kein Grund zur Sorge: Sie spiegeln die Immunantwort des Körpers wieder und verschwinden meist nach kurzer Zeit wieder. Die Corona-Impfstoffe rufen vergleichsweise häufiger körperliche Reaktionen hervor, besonders das Vakzin von Astrazeneca. Über die Hälfte der Probanden in der klinischen Studie berichteten von Schmerzen an der Einstichstelle und Kopfschmerzen, ein Drittel hatte eine erhöhte Temperatur. Auch Schüttelfrost, Übelkeit und Gliederschmerzen gelten als häufige Nebenwirkung, etwa eine von zehn Personen bekam Fieber.

Diese Symptome lassen sich mit Schmerz- und fiebersenkenden Mitteln wie Paracetamol oder Ibuprofen in den Griff kriegen und sind kein Zeichen für eine Hirnthrombose. Sollten Geimpfte jedoch mehr als vier Tage nach der Impfung starke, anhaltende Kopfschmerzen oder punktförmige Hautblutungen haben, müssen sie so schnell wie möglich zum Arzt. In dem Fall, so das Paul-Ehrlich-Institut, ist eine Hirnthrombose möglich.

Was müssen Menschen beachten, die auf ihre zweite Astrazeneca-Impfung warten?

Laut dem leitenden Impfarzt in Köln, Jürgen Zastrow, könne man mit der zweiten Impfung bis zu drei Monate warten. Da die ersten Kölnerinnen und Kölner am 10. Februar mit Astrazeneca geimpft wurden, bliebe Zeit bis zum 10. Mai. Der Impfstopp mit Astrazeneca ist nur vorläufig – Probleme für die Zweitimpfung sind bisher noch nicht absehbar.

Sollten die Astrazeneca-Impfungen tatsächlich dauerhaft gestoppt bleiben, könnte die Zweitimpfung theoretisch auch mit dem Impfstoff von Moderna, Biontech oder Johnson&Johnson durchgeführt werden. Zu einer Mischung von Erst- und Zweitimpfung gibt es jedoch noch keine Studiendaten, ein solches Vorgehen wurde auch noch nicht zugelassen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Wie wirkt sich der Impfstopp auf die Durchimpfung der Bevölkerung aus?

Laut des Zentralinstituts für kassenärztliche Versorgung verzögert ein Aussetzen der Astrazeneca-Impfungen das Durchimpfen der Bevölkerung um einen Monat.

Gesundheitsminister Spahn wollte sich am Montagnachmittag noch nicht dazu äußern, da es sich hierbei um Spekulationen handle. Fest steht: Der Impfstopp mit Astrazeneca ist ein herber Rückschlag für die Impfkampagne. Bislang wurden 1,65 Millionen Menschen in Deutschland mit Astrazeneca geimpft, 4,6 Millionen mit dem Vakzin von Biontech/Pfizer und nur 240.000 Menschen mit Moderna. Der neu zugelassene Impfstoff von Johnson&Johnson wird frühestens Mitte April in der EU ankommen.

Was sagen Experten zu der Aussetzung der Astrazeneca-Impfung?

Die Reaktion von Ärzten, Epidemiologen und Impfforschern fiel gespalten aus. Frank Ulrich Montgomery Präsident des Weltärztebundes, kritisiert den Impfstopp scharf. Die internationalen Studien, so Montgomery, liefern keinen Hinweis auf ein erhöhtes Thromboserisiko. „Unter dem Strich ist es leider so, dass dieser eigentlich gute und wirksame Impfstoff durch den Wirbel und die Impfaussetzung in vielen Ländern nicht gerade eine höhere Akzeptanz in der Bevölkerung gewinnt“, sagte Montgomery gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

Auch Karl Lauterbach hält die Impfaussetzung für einen Fehler. Zwar sei es wahrscheinlich, dass die gemeldeten Thrombosen tatsächlich auf den Impfstoff zurückzuführen seien. „Weil aber das Risiko bei nur 1:250.000 etwa liegt, überwiegt der Nutzen, gerade für Ältere“, schreibt der SPD-Politiker und Epidemiologe auf Twitter. Besser sei eine Überprüfung der Fälle bei laufenden Impfungen.

Weitaus distanzierter reagierte Sandra Ciesek: „Ich hoffe, es lässt sich schnell aufklären, ob hier ein Zusammenhang besteht und ob es spezielle Risikofaktoren gibt“, schreibt die Frankfurter Virologin auf Twitter.

Leif-Erik Sander, Immunologe an der Berliner Charité, hält es für richtig, allen Verdachtsfällen von Impfkomplikationen „rigoros nachzugehen“. Die Folgen der Entscheidung des Gesundheitsministeriums für die Impfkampagne, sagt Sanders, werden jedoch massiv sein.

Der britische Hersteller selbst wies Zweifel an der Sicherheit des Corona-Impfstoffes zurück. Es gebe keine Belege für ein erhöhtes Thromboserisiko im Zusammenhang mit der Impfung.