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BeziehungsstudieWarum unglückliche Paare oft trotzdem an der Beziehung festhalten

Lesezeit 4 Minuten
Paar schweigt sich an

Wann eine Beziehung noch zu retten ist oder an welchem Zeitpunkt es besser ist, sich zu trennen – das ist oft eine sehr schwierige Entscheidung. 

Köln – Erleben Paare nur noch Frust aber selten Glück, müssen sie sich irgendwann entscheiden: für oder gegen ihre Beziehung. Doch was genau sind die Gründe für eine Trennung? Eine neue Studie kommt zu überraschenden Ergebnissen. Ein häufiger Grund sich nicht zu trennen, ist die Rücksichtnahme auf den Partner.

Mehr als 1300 Teilnehmer über 10 Wochen begleitet

Für ihre Studie, die kürzlich in der Fachzeitschrift „Journal of Personality and Social Psychology“ veröffentlicht wurde, begleitete Psychologin Samantha Joel mit ihrem Team mehr als 1300 Teilnehmer in einer Partnerschaft über zehn Wochen. Weitere 500 Teilnehmer über zwei Monate, alle waren Paare, die eine Trennung zumindest in Erwägung zogen.

Das Ergebnis der Studie ist überraschend, weil frühere Studien ergaben, dass die Entscheidung für oder gegen eine Beziehung oft eher egoistische ist: Bei der Abwägung sich zu trennen spielen die investierte Zeit, Geld aber auch Gefühle eine Rolle. Dazu der Mangel an Alternativen: Der Ausblick, allein zu sein oder die Auswahl der zur Verfügung stehenden Partner.

Niemand will den Partner absichtlich verletzen

Neu ist also, dass auch altruistische Motive bei der Entscheidung eine Rolle spielen:

„Wenn ein Partner den Eindruck hat, dass der andere sich voll in die Beziehung reinhängt, dann beendet er die Beziehung eher nicht aktiv von sich aus“, so die Psychologin.

Niemand wolle den Partner vorsätzlich verletzen – selbst wenn man selbst in der Beziehung nicht mehr glücklich sei. Diese Entscheidung fuße meist auf der Hoffnung desjenigen, in der bestehenden Beziehung wieder glücklich zu werden.

In einer unglücklichen Beziehung zu bleiben – aus Rücksicht auf den emotional abhängigen Partner – will die Psychologin aber nicht empfehlen: „Es ist ein zweischneidiges Schwert. Entweder es klappt, beide arbeiten an der Beziehung und schaffen die Wende gemeinsam oder die Paare scheitern und haben so das Ende der Beziehung nur weiter herausgezögert.“

„Der kann mich ja gar nicht so lieben, wenn der mich jetzt nicht versteht“

Paarberaterin Bettina Steingass bestätigt aus ihrem Arbeitsalltag, dass unglückliche Paare oft zusammenbleiben. Sie arbeitet seit neun Jahren in ihrer eigenen Praxis mit Paaren, aber auch Einzelpersonen intensiv zusammen. Die Gründe dafür sind vielschichtig. Einer ist ein gesellschaftliches Problem: „Heute muss alles, was wir machen, Erfolg haben, sonst ist es nicht gut. Das ist leider auch bei Beziehungen so. Natürlich hält man an etwas, in das man investiert hat – emotional wie auch finanziell – fest und verlässt es nicht so schnell.“ Unsere eigene Erwartungshaltung ist also das Hauptproblem. „In unserem Kulturkreis gibt es immer noch den Mythos von der großen Liebe, die so dominant ist, dass wir ihr oder dem Schein alles unterordnen.“

Bettina_Steingass

Bettina Steingass ist Paartherapeutin. 

Viele Paare unterscheiden nicht zwischen Sach- und Beziehungsebene

Viele Paare kommunizieren falsch, unterscheiden nicht zwischen der Sachebene eines Konflikts und der Beziehungsebene, meint Steingass. Wenn die Phase der ersten Verliebtheit vorübergeht, folgt dann irgendwann eine neue Phase der Beziehung: Die Partner werden sich vertrauter, kehren aber auch wieder zu ihren eigenen, unterschiedlichen Interessen zurück. „Dann bekommen wir einen Realitätscheck, uns fallen Dinge auf, die uns unterscheiden – und die wir in der ersten Verliebtheit gar nicht wahrgenommen haben.“ Der große Fehler vieler Paare: Konflikte werden dann anders wahrgenommen beziehungsweise auf die Beziehungsebene verlagert: „Wir sind dann oft enttäuscht, wenn der Partner uns nicht versteht. Doch anstatt über Sachthemen zu verhandeln, verhandeln wir über die Liebe.“

Beziehungskonten und Schuld schweißen Paare zusammen

Frustration entsteht, die die Partner aber auch zusammenhalten kann, auf negative Weise: Dann werden sogenannte „Beziehungskonten“ geführt. Die Partner sammeln – bewusst oder unterbewusst – was man eigentlich vom Anderen noch bekommen sollte. Gegenseitig sammelt sich Schuld an, ebenfalls ein fester Klebstoff, der unglückliche Paare zusammenhält. Nicht umsonst seien sich Paare, die sich scheiden lassen bei den Verhandlungen darum, wer was bekommt, äußerst nah, erklärt Steingass.

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Schuld ist ebenfalls ein häufiges Motiv, eine Beziehung nicht zu beenden, wie die Paarberaterin weiß. „Niemand möchte allein die Schuld tragen, wenn eine Beziehung scheitert. Auch das kann zwei Partner, die an eine Trennung denken, verbinden.“ Überzogene Erwartungshaltung und Angst davor zu versagen halten Partner also oftmals in unglücklichen Beziehungen gefangen. „Wir starten alle mit unheimlich großen Anforderungen an die Liebe und das aufzugeben, würde Scheitern bedeuten. Davor haben wir große Angst.“