Dortmund/Berlin – Die Corona-Infektionszahlen steigen, dadurch steigt das Risiko einer Ansteckung. Das gilt auch für viele Menschen, die schon geimpft sind. Gerade Personen mit einem höheren Erkrankungsrisiko, etwa Ältere, sollten deshalb nun über Auffrischungsimpfungen nachdenken und sich den Pieks möglichst zeitnah abholen, um besser geschützt durch den Herbst und Winter zu kommen.
Bisher haben erst gut zwei Millionen Menschen das Angebot für eine Auffrischungsimpfung angenommen. „Das ist deutlich zu wenig“, sagt der geschäftsführende Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) . Denn hierzulande gibt es mehr als 24 Millionen über 60-Jährige. Ärzteverbände machen dafür unter anderem fehlende Aufklärungs- und Informationskampagnen verantwortlich. Doch wer sollte sich wann zum dritten Mal gegen Corona impfen lassen? Wir geben einen Überblick:
Was bringt eine Auffrischungsimpfung gegen Corona?
Sie stärkt das Immunsystem nochmals gegen das Sars-CoV-2-Virus. Dafür erhalten vollständig geimpfte Menschen eine weitere Dosis eines zugelassenen Covid-19-Impfstoffs. Man spricht auch von einem „Booster“. Der Begriff kommt aus dem Englischen und lässt sich zum Beispiel mit „Verstärker“ übersetzen.
Studien zeigen, dass Boosterimpfungen für den weiteren Verlauf der Pandemie von entscheidender Bedeutung sind. Denn sie verstärken die Immunreaktion und wirken so einem nachlassenden Impfschutz entgegen. Deshalb haben in Deutschland laut Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz alle Menschen ab 60 Jahren Anspruch auf eine Auffrischungsimpfung – ebenso wie Immungeschwächte, Mitarbeitende im Gesundheitswesen und Bewohnerinnen und Bewohner von Pflege- und Altenheimen. Sechs Monate nach der vollständigen Impfung sollen sie eine dritte Dosis eines mRNA-Impfstoffs von Biontech/Pfizer oder Moderna erhalten.
Wer sollte sich einen „Booster“-Pieks geben lassen und warum?
Aus immunologischer Sicht und beim Blick auf die Daten macht der Booster nach rund sechs Monaten für alle Geimpften Sinn, denn die Schutzwirkung wird dadurch noch einmal verstärkt. „Circa fünf bis sechs Monate nach Abschluss der Impfserie lässt der Impfschutz nach. Das ist aus immunologischer Sicht vollkommen erwartbar“, sagt Leif Erik Sander, Leiter der Forschungsgruppe Infektionsimmunologie an der Charité in Berlin. „Die Immunität fällt auf ein gewisses Basislevel wieder ab. Deswegen kommt es mit der Zeit auch zu mehr und mehr Impfdurchbrüchen. Dem kann man mit einer Booster-Impfung sehr effektiv entgegenwirken.“ Für einige Personengruppen ist der erneute Pieks aber besonders ratsam.
So reagieren Menschen mit stark geschwächtem Immunsystem, etwa in Folge einer Chemotherapie oder eines angeborenen Immundefekts, teils gar nicht oder nicht richtig auf die Impfung. Bei ihnen sollte man sogar schon 28 Tage nach der zweiten Impfung erneut impfen, rät Immunologe Prof. Carsten Watzl. „Denn dann ist das ja gar keine Auffrischung, sondern dient in erster Linie dazu, erst überhaupt einmal einen Impfschutz herzustellen“, begründet der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie. Ob und wie die Impfung angeschlagen hat, darüber kann ihnen ein Antikörpertest gewisse Klarheit bringen.
Eine weitere Gruppe, die im Fokus steht, sind hochbetagte Menschen. Bei ihnen ist der durch die Impfung aufgebaute Immunschutz gegen das Virus im Vergleich zu Jüngeren häufig nicht so hoch und lässt mit der Zeit nach, schreibt das Robert Koch-Institut (RKI). Folge: Es treten vermehrt Impfdurchbrüche auf und es komme auch häufiger zu schweren Krankheitsverläufen unter den Älteren.
Besonders nimmt Watzl Menschen in Pflegeeinrichtungen in den Blick. „Da dies die Personen mit dem höchsten Risiko für einen schweren Verlauf sind, ist es wichtig, sie besonders gut zu schützen.“
Wem empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) die Auffrischung?
- Personen ab 70 Jahren – Bewohnern und Betreuten in Pflegeeinrichtungen für alte Menschen (wegen erhöhten Ausbruchspotenzials hier auch für Menschen unter 70)
- Pflegepersonal mit direkten Kontakt zu alten Menschen oder anderen Personen mit erhöhtem Risiko für schwere Covid-19-Verläufe
- Personen in medizinischen Einrichtungen mit Patientenkontakt
- Menschen mit geschwächtem Immunsystem. Ihnen soll in der Regel frühestens sechs Monate nach der Grundimmunisierung eine Auffrischungsimpfung angeboten werden, so das RKI. Wer etwa Ende April das letzte Mal gegen Corona geimpft wurde, könnte sich jetzt darum bemühen.
Zur Auffrischung werden nur mRNA-Impfstoffe (zum Beispiel von Biontech) genutzt. Am Freitag betonte Nordrhein-Westfalens Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), alle über 70-Jährigen werden in den kommenden Tagen einen Brief erhalten, mit dem zur Auffrischungsimpfung eingeladen werde.
Wer kann sich noch eine Auffrischung holen?
Menschen ab 60 Jahren kann sie nach ärztlicher Beratung angeboten werden, das hatten die Gesundheitsminister von Bund und Ländern beschlossen. Und auch wer mit einem sogenannten Vektorimpfstoff von Astrazeneca oder Johnson & Johnson geimpft wurde, kann sich eine Auffrischung mit einem mRNA-Impfstoff (Biontech, Moderna) holen. „Hier haben wir es mit ein bisschen mehr Impfdurchbrüchen als bei den anderen Impfstoffen zu tun“, sagt NRW-Gesundheitsminister Laumann.
Wer mit dem Vakzin von Johnson & Johnson geimpft wurde, muss laut RKI auch kein halbes Jahr warten mit der Auffrischung – sie könne diesen Personen schon nach vier Wochen angeboten werden.
„Ein klares Ja“ zur Auffrischungsimpfung, so sagt es Dr. Dirk Spelmeyer, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe, gebe es auch bei Menschen, die zu Beginn der Kampagne zweimal mit dem Impfstoff von Astrazeneca geimpft worden sind – etwa Menschen, die in Kitas oder Schulen arbeiten. Diese Menschen sollten mit ihrer Hausarztpraxis absprechen, inwiefern eine Auffrischungsimpfung infrage kommt.
Und alle anderen?
„Nach Ablauf der sechs Monate ist der Impfschutz nicht schlagartig beendet“, beruhigt Spelmeyer zunächst. Die Option zum Booster haben trotzdem alle: Die Impfverordnung sieht die Möglichkeit für Auffrischungsimpfungen grundsätzlich für alle vor, für die es zugelassene Impfstoffe gibt. „Es gibt eine Empfehlung für eine bestimmte Personengruppe, für alle anderen ist es aber auch möglich“, betont Jens Spahn. Es gebe mehr als genug Impfstoff. Aber: „Zu viele Impfwillige finden aktuell keinen Arzt, der sie impft“, so der geschäftsführende Gesundheitsminister.
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Auch kann es vorkommen, dass Ärztinnen und Ärzte darauf verweisen, dass sie zunächst vor allem die gefährdeten Personengruppen auffrischen. Hier ist also Geduld und Verständnis gefragt. „Ärztinnen und Ärzte können selbst entscheiden, wen sie impfen. Sie werden sich aber an die Stiko-Empfehlungen halten“, sagt Dr. Frank Bergmann, Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein. Demnach liegt der Fokus bei den Auffrischungsimpfungen zunächst bei vulnerablen Gruppen, über 70-Jährigen und Menschen, die bei ihrer ersten Impfung das Vakzin von Johnson & Johnson erhalten haben.
Und wie sieht es bei jungen Menschen mit einer Auffrischung aus?
Bei jungen Menschen ist eine Auffrischungsimpfung derzeit nicht generell erforderlich. „Bei Jüngeren besteht in der Regel keine Notwendigkeit, das zeigen die Daten“, sagt Professor Oliver Cornely von der Kölner Universitätsklinik, der das europaweite Forschungsnetzwerk "Vaccelerate" leitet, in dem auch Drittimpfungen erprobt werden. Gleichwohl wird im Kreis der Gesundheitsminister diskutiert, ob die Altersschwelle für Auffrischimpfungen in den nächsten Wochen weiter heruntergesetzt werden soll.
Wie kommt man an einen Termin?
Die erste Anlaufstelle ist der Hausarzt oder die Hausärztin. Dort kann man die Auffrischungsimpfung erfragen. „Wir empfehlen den Patienten, sich rechtzeitig in ihrer Praxis um einen Termin zu bemühen“, sagt Bergmann. Denn die Arztpraxen müssen den Impfstoff erst vorbestellen. Alternativ zur Hausarztpraxis kann zum Beispiel bei der kostenlosen Hotline 116 117 der Kassenärztlichen Bundesvereinigung angerufen und nach Terminen gefragt werden.
Eine weitere Anlaufstelle ist das vom Bundesgesundheitsministerium betriebene Portal „zusammengegencorona.de“. Dort gibt es zum Beispiel eine interaktive Deutschlandkarte, in der man Links, Telefonnummern sowie konkrete Impfangebote findet.
Ist es schlimm, wenn man zu lange wartet mit der Auffrischung?
Carsten Watzl sagt dazu: Die rund sechs Monate Abstand nach der zweiten Impfung seien für Personen ohne Immunschwäche ein Richtwert. Aus immunologischer Sicht sei alles zwischen vier und acht Monaten „wohl okay“. Ob man sich infiziere, hänge aber nicht nur davon ab, wie gut der Immunschutz ist, so der Experte, sondern auch davon, wie stark man dem Virus ausgesetzt ist. „Daher geht aktuell das Infektionsrisiko auch nach oben, wenn die Inzidenzen steigen.“ (dpa/pg/tli)