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Neue Studien klären aufBlutdrucksenker kein Risiko für schweren Covid-19-Verlauf

Lesezeit 3 Minuten
Bluthochdruck

Eine Pflegerin misst bei einer Seniorin den Blutdruck.

Berlin – In der Anfangsphase der Corona-Pandemie gab es für Bluthochdruckpatienten besonders viel Anlass zur Sorge. Nicht nur, dass sie ohnehin zur Risikogruppe für einen schweren Verlauf von Covid-19 zählen. Bestimmte Medikamente standen in Verdacht, das Risiko einer Infektion mit Sars-CoV-2 sowie die Schwere einer möglichen Covid-19-Erkrankung negativ zu beeinflussen.

Schon damals warnte die Deutsche Herzstiftung aber davor, die Medikamente aus Verunsicherung abzusetzen. Forschungen konnten die Befürchtungen zu den Blutdrucksenkern inzwischen weiter entkräften: Der Verdacht habe sich in großen Kohorten-Studien mit mehreren hunderttausend Probanden nicht bestätigt, erklärt der Internist und Pharmakologe Prof. Ulrich Kintscher von der Berliner Charité.

ACE-Hemmer und Sartane im Fokus

Im Fokus standen vor allem ACE-Hemmer und AT1-Rezeptorblocker, auch Sartane genannt, zwei der am weitesten verbreiteten Arzneistoffe zur Behandlung von Bluthochdruck. „Es ist relativ klar, dass die beiden Substanzklassen keinen negativen Einfluss auf die Schwere des Verlaufs und das Infektionsrisiko haben“, sagt Kintscher, der in der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie in der Arbeitsgruppe für arterielle Hypertonie tätig ist. Hypertonie ist der medizinische Fachausdruck für Bluthochdruck.

Für Patienten gibt es also keinen Grund, die Arzneimittel aus Sorge vor Corona abzusetzen. Kintscher betont: „Man sollte unbedingt die Medikamente weiternehmen.“

Klappt der Termin auch per Videosprechstunde?

Um das Ansteckungsrisiko gering zu halten, sollten sie stattdessen prüfen, ob sie die Zahl der Termine vor Ort in der Arztpraxis unter Umständen reduzieren können: „Da sollte man schauen, ob man die Blutdruckeinstellung nicht auch telemedizinisch mit Unterstützung von vermehrten Selbstmessungen, etwa über eine Videosprechstunde, mit dem Arzt besprechen kann“, schlägt Kintscher vor.

„Ich glaube, dass die Patienten nicht unbedingt für jede Blutdruckeinstellung immer persönlich in der Praxis vorstellig werden müssen“, sagt er und betont zugleich: „Aber wenn es erforderlich ist, sollte man natürlich hingehen: Kontrolluntersuchungen sollten immer wahrgenommen werden.“

Studien zum Einfluss auf Covid-19-Verlauf

Zum Einfluss auf den Verlauf einer Covid-19-Erkrankung gibt es Hinweise, dass Blutdrucksenker unterschiedliche Auswirkungen haben könnten - positive wie negative. Eine im Fachblatt „Nature Biotechnology“ veröffentlichte Studie von Forschern aus Berlin, Leipzig und Heidelberg kam zu dem Ergebnis, dass ACE-Hemmer das Risiko eines schweren Verlaufs verringern könnten.

Ulrich Kintscher, der nicht an der Studie mitgearbeitet hat, ordnet ein: „In der Studie ist gezeigt worden, dass die Einnahme von ACE-Hemmern bei der Beeinflussung des Covid-19-Verlaufs von Bluthochdruckpatienten einen Vorteil gegenüber der Einnahme von AT1-Rezeptorblockern hat.“ Das sei eine insgesamt exzellente Studie. „Daraus allein lässt sich aber nicht direkt eine Änderung der klinischen Praxis herleiten.“ Es seien sehr interessante Ergebnisse, die in zukünftigen Studien noch bestätigt werden müssen.

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Eine kürzlich veröffentlichte Studie US-amerikanischer Wissenschaftler verglich zwei Gruppen von Bluthochdruckpatienten, die wegen Covid-19 im Krankenhaus behandelt wurden. Die einen bekamen weiterhin ihre ACE-Hemmer oder AT1-Rezeptorblocker, die anderen nicht. Das Ergebnis: Die Einnahme der Blutdrucksenker war mit Blick auf den Covid-19-Verlauf weder nützlich noch schädlich.

Diese Belege unterstützen nach Angaben der Forscher aber die aktuellen internationalen Empfehlungen, die Therapie mit ACE-Hemmern und AR1-Rezeptorblockern fortzusetzen, wenn ein Bluthochdruckpatient wegen Covid-19 im Krankenhaus behandelt wird.

Womöglich sogar Vorteile

Professor Kintschers Fazit: „Ich würde es insgesamt aktuell so bewerten, dass beide Substanzklassen keinen Schaden zufügen und wahrscheinlich durch die kardiovaskuläre Protektion, die sie ja auch bei Covid-19 weiterhin für den Patienten haben, womöglich sogar einen Vorteil bieten.“ (dpa/tmn)