AboAbonnieren

Nass, kalt, dunkelWie wirkt sich die kalte Jahreszeit auf Covid-19 aus?

Lesezeit 4 Minuten
Frau mit Regenschirm und Alltagsmaske

Wirkt sich die Witterung und die Temperatur auf Covid-19 aus?

Köln/Essen – Grippewellen finden Jahr für Jahr für gewöhnlich ihren Höhepunkt im Januar, über die Wintermonate ist ständig jemand erkältet, während im Sommer Atemwegsinfekte viel seltener auftreten. Auch die Zahl der Covid-19-Erkrankten war in den warmen Monaten noch niedriger als jetzt in der kalten Jahreszeit. Wie viel Einfluss haben Temperatur und Witterung also auf das Coronavirus und seine Verbreitung?

„Ich bin als Kliniker ganz sicher, dass die Witterung und die Jahreszeit einen erheblichen Einfluss haben“, sagt Oliver Witzke, Direktor der Infektiologie am Uniklinikum Essen. Bei anderen Coronaviren, die Erkältungskrankheiten auslösen, oder Influenza-Viren haben wir gesehen, dass die Viren in der kalten Jahreszeit häufiger auftreten. „An sich ist das nicht überraschend, die harmloseren 'normalen' Coronaviren, die in den letzten Jahren aufgetreten sind, waren nur nicht so gefährlich, wie der Erreger von Sars-CoV-2.“

Covid-19 verbreitet sich im Winter einfacher

Luftfeuchtigkeit, Temperatur, Verhalten und die schlechtere Immunlage im Winter haben einen Einfluss darauf, dass sich Menschen im Herbst/Winter leichter mit Covid-19 anstecken. Sinkt die Gradanzeige auf dem Außenthermometer, steigen in Innenräumen die Temperaturen – es wird geheizt und die Luft wird trocken. Das ist gut für das Virus. Es wird dadurch stabiler und gleichzeitig reizt die trockene Luft mit jedem Atemzug erneut die Schleimhäute und sie werden angreifbarer, wie eine Analyse von Forschenden an der Yale Universität zeigt.

Neuer Inhalt

Oliver Witzke, Direktor der Infektiologie an der Uniklinik Essen

„Die Immunlage wird bei vielen Menschen zum Ende des Winters hin schlechter“, erklärt Oliver Witzke. Dies hänge unter anderem mit der verringerten Vitamin-D-Aufnahme zusammen. Das Vitamin wird durch das Sonnenlicht aufgenommen, was von Oktober bis März meist nicht ausreichend verfügbar ist. Für Risikogruppen wie alte Menschen, die nicht viel im Freien sind, könne eine Vitamin-D-Einnahme in den Wintermonaten sinnvoll sein, sagt Witzke. Die niedrigeren Außentemperaturen schwächen die Immunabwehr: Ist die eingeatmete Luft kälter, sinkt auch die Temperatur in der Nase und den oberen Atemwegen. In einer Untersuchung mit Rhinoviren, die Erkältungen verursachen, haben Wissenschaftler gezeigt, dass die Immunabwehr langsamer auf Viren reagiert, wenn die Nase kalt ist und sich die Krankheitserreger durch die eingeschränkten Bekämpfungsmaßnahmen des Organismus besser vermehren können. Heißt: Man wird leichter krank.

Verhalten wirkt sich auf Infektionsgeschehen aus

Auch das Verhalten im Winter unterscheidet sich von dem im Sommer: Die meisten Menschen verbringen in der dunklen Jahreszeit viel mehr Zeit in Innenräumen, Treffen mit Freunden finden nicht mehr im Park, sondern im Wohnzimmer statt. Im Innenraum atmen alle die gleiche, begrenzte Menge an Luft ein. Wird nicht gelüftet, findet quasi kein Luftaustausch statt. Die Virenkonzentration in der Luft ist im Innenraum also höher, wenn eine infizierte Person mit im Raum ist, als sie bei einem Treffen im Freien wäre. „Eine meiner Hauptvermutungen ist, dass man sich draußen kaum anstecken kann. Wir haben im Sommer volle Strände an der Ostsee gesehen – einen großen Ausbruch hat dies aber nicht verursacht“, sagt Oliver Witzke. Ich glaube, die Sonneneinwirkung und die Luftzirkulation durch Wind im Freien sind nicht zu unterschätzen und schlecht für das Virus.

Das könnte Sie auch interessieren:

„Die ganz großen Ausbrüche waren in Fleischfabriken mit geschlossenen Räumen und geschlossenen Belüftungssystemen und größere Ausbrüche im Privaten waren bei Familienfeiern in geschlossenen Räumen.“ Um die Situation in Innenräumen zu verbessern, forschen Oliver Witzke und sein Team an einer Lösung: „Eine Idee ist es, Luft in Innenräumen über UVC-Filter laufen zu lassen, um so das Coronavirus abzutöten oder inaktivieren zu können.“ Im Labor konnten die Mediziner damit schon Erfolge erzielen. In der Uniklinik Essen soll dies nun in Zimmern von Covid-19-Patienten weiter untersucht werden, um zu sehen, ob es auch im Krankenzimmer – also in der Praxis – funktioniert. Dann wäre es eine Möglichkeit, die Ansteckungsgefahr in Innenräumen zu verringern.

Im Augenblick sollten private Treffen auf ein Minimum beschränkt werden. Durch die höhere Ansteckungsgefahr in geschlossenen Räumen rät Oliver Witzke dazu, bei nicht vermeidbaren Treffen, bei denen man keine Maske tragen möchte, penibel auf Abstand und eine gute Lüftung zu achten. Noch besser sei ein Spaziergang im Freien.