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Erste Hilfe bei psychischen ProblemenWie kann ich Menschen in einer Krise helfen?

Lesezeit 5 Minuten
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In Deutschland ist jedes Jahr mehr als jeder vierte Erwachsene von einer psychischen Erkrankung betroffen (Symbolbild).

  1. In unserer Serie „Gesund durchs Jahr” widmen wir uns in jedem Monat einem anderen Themenbereich.
  2. Im Februar beantworten Expertinnen und Experten Fragen rund um das Thema Psyche.
  3. In der sechsten Folge geht es um einen Erste-Hilfe-Kurs für die psychische Gesundheit: Wie gehe ich mit den Betroffenen um? Wie kann ich in Krisensituationen helfen, etwa bei Suizidalität bei Betroffenen mit Depressionen? Die MHFA soll dabei helfen.

Köln – Die Basics der Ersten Hilfe kennen viele noch aus der Fahrschule: Wunden versorgen, stabile Seitenlage, Wiederbelebung – also lebensrettende Maßnahmen zum Beispiel nach einem Unfall. Doch was, wenn jemand Angststörungen, Depressionen, eine Suchterkrankung oder suizidale Gedanken hat? Darauf sind nur wenige Menschen vorbereitet.

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Dabei ist in Deutschland jedes Jahr mehr als jeder vierte Erwachsene von einer psychischen Erkrankung betroffen, so die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde. Weltweit erkrankt jeder Dritte im Laufe seines Lebens behandlungsbedürftig an einer psychischen Erkrankung, sagt Bettina Busch, Vorstandsvorsitzende der Eckhard Busch Stiftung in Köln. „Bei jungen Menschen ist Suizid die zweithäufigste Todesursache.“

Die Corona-Pandemie verschlimmert die Situation. „Es gibt derzeit zwei Gruppen, die wir unterscheiden können. Zum einen die Menschen, die vorher schon betroffen waren und bei denen sich die Probleme durch die Pandemie verschärft haben. Zum anderen gibt es Menschen, die durch ihre Ängste nun psychische Probleme erleiden.“ Ersteres zeigt das Deutsche Depressionsbarometer. Zweites hält die Nako-Gesundheitsstudie fest. Umso wichtiger ist es also mit Betroffenen umgehen zu können, Anzeichen zu erkennen und zu wissen, wo man Hilfe besorgen kann. Ein Erste-Hilfe-Kurs für die psychische Gesundheit setzt genau dort an.

Wie gehen wir mit Menschen um, die sich suizidal äußern?

Auch unabhängig von der Corona-Krise sei der Kurs absolut nötig, sagt Bettina Busch. „Die meisten Menschen wissen nicht viel über die seelische Gesundheit. Da herrscht oft eine große Hilflosigkeit. Wie gehen wir mit Menschen um, die sich suizidal äußern?“ Das Thema werde oft zur Seite geschoben, nach dem Motto: „Das soll lieber jemand mit Kompetenz machen.“

MHFA-Kurse in Deutschland

Die Erste-Hilfe-Kurse für psychische Gesundheit finden in Präsenz als vier Mal dreistündige Kurse statt. Während der Corona-Pandemie werden zudem Online-Kurse angeboten. Weitere Informationen finden Sie hier.

Auch in Köln soll es ab dem Frühjahr die ersten Kurse geben. Eine Anlaufstelle ist dafür die Eckhard Busch Stiftung. Nach den Osterferien ist der erste Kurs geplant. Danach sollen drei bis vier Kurse im Jahr umgesetzt werden.

Genau darum geht es bei den MHFA-Kursen – Mental Health First Aid: Eine eigene Kompetenz zu entwickeln, die Sicherheit im Umgang mit Betroffenen gibt. Selbst Ersthelfer für psychische Gesundheit werden. Die Idee kommt aus Australien und wurde im Jahr 2000 entwickelt. In Deutschland gibt es die Kurse erst seit Oktober. Professor Michael Deuschle vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit ist Initiator und Leiter des Projekts, gemeinsam mit Tabea Send und Simona Maltese. Ihm ist es ganz wichtig zu sagen: „Die Ersthelferinnen und Ersthelfer sollen keine Diagnose stellen und nicht behandeln. Es geht darum, festzustellen, wenn etwas nicht stimmt. Im Kurs lernt man also Leitsymptome zu erkennen und wie man Betroffene darauf anspricht.“

Das richtige Werkzeug zum Ansprechen und qualifizierten Rat geben

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Michael Deuschle, Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, und Initiator und Leiter des Projekts MHFA in Deutschland

Zu Beginn geht es erst einmal allgemein um die psychische Gesundheit. Darauffolgend werden die häufigsten psychischen Störungen durchgesprochen: Depressionen, Angststörungen, Psychosen und Suchterkrankungen. Wie gehe ich mit den Betroffenen um? Wie kann ich in Krisensituationen helfen, etwa bei Suizidalität bei Betroffenen mit Depressionen oder mit Aggressionen bei anderen Erkrankungen? „Im Kurs soll das richtige Werkzeug zum Ansprechen vermittelt werden. Teilnehmer lernen einen qualifizierten Rat zu geben“, sagt Deuschle. „Ihnen wird das Hilfssystem erklärt: Wo sind lokale Anlaufstellen? Wo kann sich ein Betroffener oder eine Betroffene vorstellen, damit ihm oder ihr eine Diagnose gestellt wird und wo er oder sie sich in Behandlung geben kann. Sie lernen also mit Betroffenen kompetent umzugehen und sie zu ermutigen, professionelle Hilfe zu suchen.“

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In den Kursen wird mit Rollenspielen gearbeitet, Fallbeispiele besprochen und Verhaltensregeln gelernt. Ein Beispiel: Bei Depressionen gehört zum Beispiel Niedergeschlagenheit, Freudlosigkeit und Antriebsmangel zu den typischen Symptomen. Menschen mit Depressionen sind meist in ihren Funktionen eingeschränkt. Sie werden ihren Rollen in Familie und Beruf nicht mehr gerecht. Ein Ersthelfer lernt diese Muster zu erkennen. Dann heißt es: Lieber einmal zu oft ansprechen als einmal zu wenig. Besser ansprechen als abzuwarten – „das ist die Haltung, die im Kurs vermittelt wird“, sagt Deuschle.

Menschen in einer Krise sollten sich so früh wie möglich in eine Behandlung begeben

Denn dass sich Menschen mit psychischen Problemen früh in Behandlung begeben, ist besonders wichtig. „Wenn Menschen mit Depressionen spät eine Behandlung beginnen, ist das Risiko für einen Suizidversuch höher. Bei Psychosen sind die sozialen Folgen ungünstiger“, sagt Deuschle. „Je früher also eine Behandlung beginnt, umso mehr verbessern sich die Prognosen.“

Hilfestellen in psychischen Krisen

Telefonseelsorge: Anonyme Beratung (persönlich, am Telefon, im Chat oder per Mail) 24 Stunden am Tag, kostenlos aus ganz Deutschland. Per Telefon 0800-1110111 oder 0800-1110222 oder 116123. www.telefonseelsorge.de

Das SeeleFon ist eine Beratung für psychisch Erkrankte und Angehörige vom Bundesverband der Angehörigen psychisch Kranker. Unter der Rufnummer 0228-71002424 in der Zeit von Montag bis Donnerstag 10:00 bis 12:00 Uhr und 14:00 bis 20:00 Uhr, Mittwoch bis 21:00 Uhr und am Freitag von 10:00 bis 12.00 Uhr und 14:00 bis 18:00 Uhr. www.bapk.de

Nummer gegen Kummer ist ein kostenfreies, telefonisches Beratungsangebot für Kinder, Jugendliche und Eltern. Kinder- und Jugendtelefon 116 111, Elterntelefon 0800-1110550. www.nummergegenkummer.de

Kliniken in Ihrer Nähe finden Sie über die Suchfunktion der Deutschen Depressionshilfe.

Weitere Kontakte hat die Eckhard Busch Stiftung für Sie hier gesammelt.

Auch für Angehörige ist es wichtig, einen Umgang mit Betroffenen zu finden. Das könne die Hilflosigkeit verringern, so Deuschle. „Eigentlich kennt fast jeder jemanden mit psychischen Störungen“, sagt der Arzt. Trotzdem habe man den Betroffenen gegenüber ein Unbehagen. „Man hat Sorge, dass man etwas falsch macht. Man weiß nicht, wie man das Thema anspricht. Da spielt auch ganz viel Scham und Stigmatisierung mit hinein. Das ist ein gesellschaftlicher Effekt. Wir wünschen uns, dass das Stigma durch die Kurse reduziert wird.“

Wer sich weiter mit dem Thema „Psychische Gesundheit“ auseinandersetzen möchte, vielleicht auch einen Rat braucht, gerade aber nicht die Möglichkeit hat, professionelle Hilfe zu holen, findet auf der Internetseite des Programms Richtlinien zum Umgang mit Betroffenen zu verschiedenen Themen, wie zum Beispiel Essstörungen, nicht-suizidales selbstverletzendes Verhalten – oder auch psychischen Belastungen während der Corona-Krise. Menschen, die sich in einer Krise befinden, sollten allerdings immer professionelle Hilfe suchen.