DiätAbspecken mit dem Arzt
Köln – Eigentlich ging es Hans Schumacher gut. Der Kaffee mit Milch und Zucker war sein Frühstück, ab mittags langte er dann zu. Häufig gab es Fleisch, zwischendurch viel Süßes, abends Chips aus der Tüte und Weizenbier vor dem Fernseher, und zwischendurch immer wieder Schokoriegel. "Ich war ein absoluter Stressfresser", sagt der IT-Manager aus Neuss rückblickend, "aber ich war nicht unglücklich".
Nichts zwickte, nichts zwackte, nur dass er schnell außer Atem war und nachts stark schnarchte und dabei auch Atemaussetzer hatte. "Aber so eine Schlaf-Apnoe haben viele, das ist eigentlich nichts Schlimmes", erinnert sich der 46-Jährige an die Zeit, als er noch 165 Kilo wog bei einer Körpergröße von 1,89 Meter. "Mit Sport hatte ich nichts am Hut, meine Töchter habe ich mit dem Auto zum Reiten gefahren. Bei der Arbeit sitze ich."
In der Gruppe abnehmen ist leichter
Auch als sich zwei Kollegen im Jahr 2009 nach einem Bericht im "Kölner Stadt-Anzeiger" bei der Uniklinik für das neue Abnehmprogramm für stark Übergewichtige anmeldeten, lehnte Schumacher noch kategorisch ab, als sie ihn fragten, ob er nicht mitmachen wolle. Zunächst. Doch kurz darauf saß der Familienvater beim Hausarzt. Routine-Check. "Mein Arzt hatte Bluthochdruck bei mir festgestellt und verschrieb mir einen Betablocker. Das war für mich das Schlüsselerlebnis, denn ich wollte auf keinen Fall mein Leben lang Medikamente einnehmen so wie meine Oma, an die ich mich immer mit einem Pillendöschen erinnere."
Also meldete sich Schumacher doch noch an, eigentlich zu spät. Aber weil er mit seinen beiden Kollegen quasi eine eigene Minigruppe in der Gruppe bildete, drückten die Verantwortlichen ein Auge zu. "Die Gruppendynamik ist enorm wichtig", sagt Dr. Michael Faust, der das Programm am medizinischen Adipositas-, Gesundheits- und Stoffwechselzentrum (kurz Magnus) der Uniklinik Köln betreut. Schließlich könne jeder auch zu Hause für sich eine Diät machen, aber da seien die Erfolgsaussichten gering, bei den schweren Fällen, auf die sich Magnus spezialisiert hat, sogar gleich Null. "Wir haben um das eigentliche Abnehmprogramm ein ganzes Haus gebaut. Hier arbeiten Mediziner, Psychologen und Sportwissenschaftler Hand in Hand, um eine Rundumbetreuung zu gewährleisten", erklärt Faust.
Einteilung in drei Mahlzeiten ist wichtig
Ein Jahr lang trifft sich die 16 Teilnehmer starke Gruppe wöchentlich, dabei wird immer zuerst gewogen. "Dieses Ritual war für mich extrem wichtig", sagt Hans Schumacher, der im Sommer 2009 einen Body-Mass-Index (BMI) von 44 hatte. Von Adipositas spricht man ab einem BMI von 30. Das einjährige Ernährungsprogramm beginnt radikal: In den ersten zwölf Wochen bekommen die Teilnehmer nur Tütchen. "Das Produkt heißt Optifast und ist ein konzentrierter Nährstoff-Mix, der mit Wasser angerührt wird. Von dem Pulver, das es in Geschmacksrichtungen von Herzhaft (Kartoffel-Lauch) bis Süß (Vanille oder Schokolade) gibt, werden am Tag fünf Portionen verzehrt, meist dreimal am Tag", erklärt Heike Güdelhöfer, die die Teilnehmer als Diätassistentin betreut. Die Einteilung in drei Mahlzeiten ist wichtig. "Viele Übergewichtige frühstücken nicht. Die müssen erst mal wieder lernen, geregelte Mahlzeiten einzunehmen".
Für Hans Schumacher war diese erste Phase, in der die Nahrungsaufnahme durch den Nährstoff-Drink auf 800 Kalorien am Tag begrenzt wird, die einfachste. "Ich musste auf einmal nicht mehr darüber nachdenken, was ich esse. Ich hatte zwar ein Loch im Bauch, aber die Nährstoffe reichen ja, und ich fühlte mich sogar schnell fitter, weil ich weniger Masse mit mir herumschleppen musste." Tatsächlich nehmen Männer in der Tütchen-Phase 30, Frauen 20 Kilo ab. Danach wird dann Schritt für Schritt auf eine gesunde Ernährung mit gesunden Lebensmitteln umgestellt. Dabei helfen Supermarktbesuche oder Kochabende mit dem Ernährungsberater, Sport-Sessions mit Experten aus dem eigenen Haus, die mit ganz leichtem Training beginnen. "Man wird ganz langsam an den Sport herangeführt", sagt Hans Schumacher, der bis heute zwei- bis dreimal die Woche in der Uni-Reha trainiert.
Auch sein Speiseplan hat sich inzwischen komplett geändert. Den Kaffee trinkt er schwarz, statt Cola gibt es mindestens drei Liter Wasser am Tag, und sein Brot isst er ohne Butter oder Margarine, dafür mit fettarmem Käse. Was er früher nie angerührt hätte? "Soja statt Fleisch zum Beispiel, aber es schmeckt richtig gut." Inzwischen wiegt er wieder etwas mehr als unmittelbar nach Ende des Abnehmprogramms. Derzeit sind es 102 Kilo, die ihm aber eigentlich zu viel sind. Schumacher ist im Laufe der vergangenen drei Jahre ehrgeizig geworden. "Der Erfolg spornt auch an dabeizubleiben. Und wirklich gut sah ich ja nun auch nicht aus früher."
Neben dem Training in der Uni-Reha geht er mit seinen beiden Dackeln spazieren, und wenn die Tochter auf dem Pferd sitzt, geht er schon mal nebenher "Früher dachte ich, an der Uni werden sie mir einiges verbieten, und dann ist das Leben doof. Dass dem nicht so ist, das habe ich in dem Jahr an der Uni gelernt", sagt Schumacher. Auch sein Stressmanagement hat er komplett verändert. "Ich habe zwar immer noch Stress, fresse ihn aber nicht mehr in mich hinein." Schumacher hat gelernt, auf sich zu achten und seine Bedürfnisse ernst zu nehmen. "Gerät mein inneres Gleichgewicht aus der Balance, zeigt mir das die Waage sofort." Und die Blutdruckpillen? "Die konnte ich schon nach fünf Monaten wieder absetzen. Und ich habe auch nicht vor, sie jemals wieder zu nehmen".