„Dry January“, keine Schokolade: Zu Beginn des Jahres entscheiden sich viele Menschen zum Verzicht. Aber bringt das was?
„Dry January“, „Veganuary“ und Co.Wie sinnvoll ist der Verzicht zum Jahresanfang?
Nach einem letzten Glas Sekt zu Silvester starten viele Menschen mit dem „Dry January“, einem „trockenen Januar“ ins neue Jahr, in dem sie auf Alkohol verzichten. Erfunden hat den „Dry January“ die britische Initiative „Alcohol Change UK“, sie rief erstmals 2013 zu einem alkoholfreien Monat auf. Inzwischen hat er sich zu einer globalen Bewegung entwickelt. Und längst gibt es andere Varianten: Während manche Menschen im Januar keinen Alkohol trinken, sind für andere Schokolade oder Steaks in den ersten Wochen des Jahres tabu. Sie entscheiden sich für eine „Zuckerfrei Challenge“ oder einen „Veganuary“, indem sie keine tierischen Lebensmittel oder zumindest kein Fleisch essen. Doch was nützt die Enthaltsamkeit – wenn man nach vier Wochen wieder trinkt und nascht wie zuvor? Und sind in so kurzer Zeit überhaupt Auswirkungen auf die Gesundheit spürbar?
Die Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) hält einen „Dry January“ für eine vernünftige Sache. „Für alle, die ihrer Gesundheit etwas Gutes gönnen möchten, ist der ‚Dry January‘ sehr sinnvoll. Keinen Alkohol zu trinken, bringt Benefits auf körperlicher und psychischer Ebene“, sagt DHS-Geschäftsführerin Christina Rummel. Man könne den „Dry January“ auch als „Challenge für ein gesünderes Lebensgefühl“ verstehen.
Sie verweist auf eine Studie der Universität Sussex. Teilnehmende berichteten schon nach nur einem Monat Alkoholverzicht, dass sie besser schliefen und im Alltag mehr Energie hatten. Allerdings: 30 Prozent derjenigen, die sich offiziell für einen „Dry January“ registriert hatten, gelang es gar nicht erst, einen Monat lang auf Alkohol zu verzichten.
Den Versuch sei es aber wert, findet Rummel: „Aktuelle Forschungsergebnisse belegen: Weniger ist besser, das gilt in puncto Alkohol das ganze Jahr hindurch. Am besten für die Gesundheit ist es, gar keinen Alkohol zu trinken. Dafür sprechen viele gute Gründe, zum Beispiel: Man hat weniger Infektionen, weniger Krebs- und Unfallrisiko, weniger Konflikte in sozialen Beziehungen und einen verbesserten Blutdruck.“ Nur: Wer nach einem „Dry January“ wieder trinkt wie zuvor, der profitiert nicht mehr von diesen Effekten.
„Dry January“ senkte Alkoholkonsum nicht
Rummel glaubt zwar, dass ein trockener Monat sich auch nachhaltig positiv auswirken kann, weil er hilft, sich bewusster mit seinem Alkoholkonsum auseinanderzusetzen. „Der ‚Dry January‘ ist eine Chance, mal in Ruhe darüber nachzudenken, warum und wann man zum Glas greift“, sagt sie. Teilnehmende der britischen Studie hätten berichtet, dass ihnen die einmonatige Alkoholfreiheit sogar langfristig half, weniger zu trinken. Auch der Bestsellerautor Bas Kast zum Beispiel beschreibt in seinem neuen Buch, wie er zunächst nur vorübergehend keinen Alkohol mehr trinken wollte, und dann dabei blieb. Überzeugt hatten ihn neue Erkenntnisse dazu, wie schädlich schon kleinere Mengen für die Gesundheit sein können.
Die meisten Menschen verfallen jedoch nach einem „trockenen Monat“ wieder in alte Gewohnheiten. So wird in einer Studie von 2022 betont, dass eine gesteigerte Teilnahme am „Dry January“ in Großbritannien zu keiner generellen Abnahme des Alkoholkonsums geführt hat. Vielmehr gebe es den negativen Effekt, dass Gelegenheitstrinkende sich danach frei fühlten, das restliche Jahr über exzessiv zu trinken – was besonders ungesund sei.
In vier Wochen nur geringe Effekte
Klar ist: Der „Dry January“ ist ein beliebter Trend. Laut der Plattform „Statista“ hatten sich im Jahr 2022 rund 22 Prozent der Befragten in Deutschland vorgenommen, im Januar nüchtern zu bleiben. Besonders hoch war der Wille zum Verzicht in der Gruppe der Jüngeren zwischen 18 und 29 Jahren, 45 Prozent von ihnen wollten im Januar keinen Alkohol trinken. Das dürfte kein Zufall sein – in den sozialen Netzwerken versprechen „Challenges“, bei denen Influencer und Influencerinnen vorübergehend auf ungesunde Lebensmittel verzichten, Klicks und Aufmerksamkeit. Neben dem „Dry January“ sind zum Beispiel Varianten wie ein zuckerfreier, veganer oder vegetarischer Monat beliebt. Der Nutzen für die Gesundheit ist fraglich.
So sieht auch Antje Gahl von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung einen alkohol-, zucker- oder fleischfreien Januar zwar theoretisch als möglichen Anreiz für eine insgesamt gesündere Lebensweise. „Wenn ich merke, ich fühle mich dadurch fitter, kann das eine Motivation sein, auch nach dem Monat mehr auf meine Gewohnheiten zu achten“, sagt sie. Messbare Auswirkungen auf den Organismus seien aber in der kurzen Zeit eher nicht zu erwarten.
Bei radikalem Verzicht droht Jo-Jo-Effekt
Zudem solle es niemand mit dem Verzicht übertreiben. „Von rigorosen Verboten und Diäten raten wir generell ab. Damit kann man vielleicht schnell ein bis zwei Kilos verlieren. Langfristig ist das aber nicht gesund“, so die Ernährungswissenschaftlerin. Einer der Gründe dafür ist der bekannte Jo-Jo-Effekt: Wer Gelüste zu stark unterdrückt, neigt oft dazu, nach Ende der Verzichtphase umso mehr über die Stränge zu schlagen.
Am besten für die Gesundheit sei es jedenfalls, die Ernährung dauerhaft und schrittweise zu ändern – nicht kurzfristig und drastisch. Sie würde dabei keine Verbote aufstellen, sondern empfiehlt stattdessen, mehr von bestimmten Dingen zu essen: Gemüse, Obst und ballaststoffreiche Vollkornprodukte, volumenreiche, gesunde Speisen wie Salate. Wer sich daran hält, ist schneller satt und wird bei Ungesundem seltener schwach.
Ziele müssen umsetzbar sein
Leicht gesagt, schwer umzusetzen. Kleine Tricksereien können im Alltag helfen: „Zum Beispiel, indem man beim Mittagessen die Gemüsebeilage vergrößert und als Zwischenmahlzeit Nüsse oder Gemüse wählt“, so Gahl. Statt radikalem Verzicht empfiehlt sie, ungesunde Lebensmittel lieber schlau durch Ähnliches zu ersetzen: „Ein Kuchen mit Früchten ist besser als Sahnetorte, Obstsalat mit Joghurt gesünder als Tiramisu, ein Falafelsandwich besser als das Fast-Food-Menü.“
Wichtig sei außerdem der richtige Zeitpunkt. „Wer seine Gewohnheiten umstellen möchte, sollte das in einer Phase tun, in der er nicht zu sehr eingespannt ist. Und die Ziele sollten stets realistisch bleiben. Wenn ich im Januar eh schon im Stress bin und dann auch noch zuckerfrei sein will, klappt das vielleicht nicht so gut“, sagt Gahl.
Wie sich durch einen „Monat ohne“ manchmal doch langfristig Gewohnheiten ändern kann, hat ein Experiment des Studierendenwerks Bonn gezeigt. In einer seiner Mensen wurden einen Monat lang nur fleischlose Gerichte serviert. Anschließend befragten Forscherinnen der Universitäten Bonn und Kassel die Studierenden dazu und werteten die Verkäufe in den Mensen nach Abschluss des Veggie-Monats aus. Wie sich zeigte, war der Fleischkonsum auch acht Wochen nach dem vegetarischen Monat noch um 7 bis 12 Prozent geringer als zuvor.
Doch das lag nicht unbedingt am bewussten Verzicht. Vielmehr erklärten die Studierenden, dass sie neue vegetarische Gerichte kennengelernt hatten – und dadurch ganz einfach auf den Geschmack gekommen waren.