Besser atmen, einfachere Kommunikation, schnelle Reinigung – Gesichtsvisiere haben gegenüber Masken einige Vorteile. Sollten wir also auf den durchsichtigen Schutz umsteigen?
Wir haben zwei Fachleute gefragt, ob es sinnvoll sein kann, einen solchen Plastikschutz zu tragen und wann sie davon abraten.
Ob der durchsichtige Schutz neben der Mund-Nasen-Bedeckung in öffentlichen Verkehrsmitteln oder Geschäften erlaubt ist, ist zudem in den Bundesländern unterschiedlich geregelt.
Köln – Ob im Restaurant, an der Supermarktkasse oder in den Innenstädten – immer häufiger sind Menschen zu sehen, die Gesichtsvisiere (Face Shields) statt einer Mund-Nasen-Bedeckung tragen. Nicht nur in den Städten sind die gebogenen Plastikscheiben, die mit einem Ring am Kopf befestigt werden en vogue, auch im Internet wächst das Interesse. Die Internet-Suchanfragen nach „Visiere statt Masken kaufen“ sind in die Höhe geschossen – nach Google-Angaben um 1.300 Prozent. Die Frage „Wo sind Visiere erlaubt“ stieg laut Deutscher Presseagentur um 170 Prozent.
Die Gesichtsvisiere scheinen gegenüber den selbstgenähten Stoffmasken einige Vorteile zu bieten: Es lässt sich leichter atmen, die Brille beschlägt nicht, das Visier feuchtet nicht durch und man kann sein Gegenüber sogar anlächeln. Ist der durchsichtige Schutz also besser als eine Maske? Kann ein Visier den Träger und andere Menschen vor dem Coronavirus schützen? Und sind sie überhaupt erlaubt?
Masken zum Schutz von anderen Menschen
Die Pflicht in öffentlichen Verkehrsmitteln oder in Geschäften eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen, ist zum Infektionsschutz eingeführt worden. „Mund-Nasen-Schutzmasken trägt man, um andere Menschen vor Viren zu schützen“, erklärt Thomas Preis, Chef des Apothekerverbandes Nordrhein und Köln. Aktuelle Studien weisen darauf hin, dass Mund-Nasenschutz-Bedeckungen dabei helfen, die Verbreitung des Coronavirus einzudämmen (erschienen in den Fachgmagazinen BMJ Health, Science und The Lancet).
Das könne ein Visier nicht genauso erfüllen, weil es nach unten geöffnet ist. „Atemluft kann nach unten hin entweichen.“ Heißt: Ist der Träger des Gesichtsvisiers unwissentlich mit dem Coronavirus infiziert, verteilt er durch seinen Atmen, beim Sprechen oder beim Husten Viren in der Luft. „Besonders über Aerosole, also einem feinen Virusnebel, könnten Viren bei einem Gesichtsvisier entweichen“, sagt Preis. Auch das Robert-Koch-Institut weist darauf hin, dass es bei der Verwendung einer Mund-Nasen-Maske wichtig sei, dass sie eng am Gesicht anliege und Mund und Nase bedecke, damit möglichst wenig Atemluft nach außen dringt. Das RKI sieht ein Visier deshalb nicht als „gleichwertige Alternative“ für eine Mund-Nasen-Bedeckung aus Stoff an. Susanne Kolbe-Busch, leitende Krankenhaushygienikerin des Universitätsklinikum Düsseldorf, erläutert weiter: „Ein Visier bietet einen zusätzlichen Schutz. Es ersetzt aber nicht die Maske und die weiteren Maßnahmen der Basishygiene, wie Abstand und Händedesinfektion.“
Visiere nur in drei Bundesländern erlaubt
Ob ein Visier alleine nach den Corona-Schutzverordnungen als ausreichende Mund-Nasen-Bedeckung erlaubt ist, wird auf Länderebene geregelt. Bisher erlauben nur Rheinland-Pfalz, Hessen und Hamburg Gesichtsvisiere als Alternative zu Mund-Nasen-Masken (Stand: 3.6.2020). Die Gesundheitsbehörde Hamburg erläutert aber: „Auch sogenannte Gesichtsvisiere werden als Mund-Nasen-Bedeckung akzeptiert, wobei ausdrücklich das Tragen einer direkt an Mund und Nase anliegenden Mund-Nasen-Bedeckung empfohlen wird.“
In allen anderen Bundesländern wird ein Visier nicht als gleichwertige Alternative akzeptiert. In Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen beispielsweise wird in der Corona-Schutzverordnung von einer „textilen Mund-Nasen-Bedeckung“ gesprochen. Das NRW-Gesundheitsministerium teilt auf Anfrage mit: „Die Anordnung zum Tragen einer textilen Mund-Nase-Bedeckung in bestimmten Bereichen dient vor allem dem Drittschutz, also dem Schutz vor der Übertragung von SARS-CoV-2 durch potentiell infizierte Personen via Aerosole in der Atemluft oder beim Niesen.“ Visiere könnten nicht in gleicherweise wie enganliegende Maske schützen und seien daher keine gleichwertige Alternative. Die Verordnung lässt aber einzelne Ausnahmen zu – beispielsweise für Verkaufspersonal.
Visiere können den Träger schützen
Eine Metaanalyse aus dem Jahr 2014 zeigt auch, dass ein Visier nicht alle Viren vom Träger abhalten kann. Forscher haben untersucht, wie gut Tröpfchen und Aerosloe durch ein Visier abgehalten werden. Dazu nutzen sie einen Patientensimulator, der Aerosole und Tröpfchen in einer mittleren Größe, wie sie bei Influenzaerkrankten auftreten, ausstieß und einen Pflegersimulator, der ein Visier trug und atmete. Bei einem Abstand von 46 Zentimetern hielt das Visier 97 Prozent der Tröpfchen ab. Handelte es sich um kleinere Aerosolpartikel, hielt es nur noch 68 Prozent der Partikel ab.
„Visiere schützen den Träger selbst gut vor größeren Speichelteilchen, wenn jemand in seiner Nähe hustet“, erklärt auch Preis. Vor allem die Augen werden gut geschützt, was bei einer Maske nicht der Fall ist. „Die Augen beziehungsweise die Bindehaut kommen als Eintrittspforte für das Virus in Frage“, erklärt Kolbe-Busch. Das sei aber nicht der Primärweg der Infektion. „Die Kombination einer Maske und eines Visiers kann in bestimmten Situationen sinnvoll sein. Klinikpersonal oder Altenpfleger nutzen dies oft, um sich und die Patienten besonders gut schützen zu können“, sagt Preis. Ein Vorteil der Gesichtsvisiere sei die einfache Reinigung: Mit einem Glasreiniger oder einem Desinfektionsmittel können die Plastikschilde gesäubert werden. „In Glasreinigern sind Tenside enthalten, die Viren zerstören können.“
Können Menschen aus medizinischen Gründen keine Mund-Nasen-Bedeckung aus Stoff oder eine einfache OP-Maske tragen, sei ein Gesichtsvisier eine gute Alternative, meint Preis. Das RKI schreibt dazu: „Ebenso bleibt es natürlich jedem Bürger frei, der aus medizinischen oder anderen triftigen Gründen keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen kann, aber dennoch zeigen möchte, dass er die derzeit getroffenen Maßnahmen für die Bevölkerung unterstützt und dadurch einen, vielleicht auch nur minimalen, Beitrag leisten möchte, ein Visier zu tragen.“ Ob Maske oder Gesichtsvisier – entscheidend sei stets auch die Abstandsregel von mindestens 1,5 Metern einzuhalten, betont Preis. (mit Material der dpa)